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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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von Nubar-Pascha zur Kenntniß der Großmächte gebracht. Das französi¬
sche Ministerium des Auswärtigen ernannte darauf eine Commission, welche
die ganze Frage der Reform der Consulatjurisdiction und speciell die ge¬
machten Vorschläge der ägyptischen Regierung prüfen sollte. Dieser Com¬
mission übergab Nubar Pascha eine Reihe von Modifikationen seiner ur¬
sprünglichen Vorschläge, des Inhalts : Die Majorität der Gerichte soll von
europäischen Richtern gebildet werden, welche der Vicekönig aus in Europa
functionirenden Beamten wählt. Die betreffende europäische Regierung hat
das Recht jenen Beamten die Annahme dieses Amtes zu gewähren, oder zu
verweigern. Unabsetzbarkeit der Richter von Anfang, oder von einem be¬
stimmten Zeitpunkt an. Oeffentliche Debatte, freie Vertheidigung. Die Ge-
richtspartei oder ihr Consul hat das Recht einen der Richter abzulehnen,
ohne Angabe der Motive. Die Greffiers und Huissiers werden in Europa
unter Personen dieses Amtes gewählt. Das Gericht ist competent für Pro¬
cesse zwischen Privaten und der Regierung, für Execution von Contracten
und für Angelegenheiten der Administration der Domainen des Vicekönigs
und der Prinzen. Die Beamten des Gerichts werden mit der Ausführung
der Urtheile beauftragt. Ein Hypothekengesetz, analog dem französischen, wird
gegeben, die Anwendung desselben dem Civilgerichte übertragen. --

Der Bericht, welchen die Commission am 3. December 1867 abstattete,
wurde nicht veröffentlicht. Man versichert aber, die Commission habe alle
Garantien Nubar-Pascha's acceptirt: Europäische Majorität, Recht der Ab¬
lehnung, Ausführung der Urtheile durch ein Gericht selbst ernannter Be¬
amten u. f. w. Außerdem aber habe sie Errichtung von zwei gemischten
Civil- (anstatt Handels-) Gerichten verlangt, welche nur für Processe compe¬
tent sein sollten, in welchen die Eingeborenen als Verklagte auftraten. Nur
Miethverträge gehören alle ohne Ausnahme vor die gemischten Gerichte. --
Von den Antworten der Großmächte auf Nubar-Pascha's Note ist nur die¬
jenige Englands bekannt geworden. Lord Stanley versicherte die ägyptische
Regierung der Unterstützung Englands in dieser Reform, ja er ging noch
weiter als Nubar-Pascha selbst: er war bereit ganz und gar auf die Consu-
lotgerichtsbarkeit zu verzichten: ,,wenn man dem Fremden genügende Garan¬
tien gäbe, daß er bei der Klage vor einem ägyptischen Gerichte nicht Ver-
tauflickkeit, Unwissenheit oder Fanatismus seiner Richter zu fürchten habe,
wenn das Gesetz, welches angewandt werde, für Alle gleich sei, und wenn
die Form des Processes, besonders in Sacken der Zeugenschcift genau be¬
stimmt sei. so daß nicht gestattet werde, davon willkürlich, gleichviel unter
welchem Vorwande, sich zu befreien."

Die Antwort Lord Stanley's erregte der englischen Colonie in Aegyp-
ten wahren Schrecken, und dieselbe richtete eine Adresse an den Minister, in


von Nubar-Pascha zur Kenntniß der Großmächte gebracht. Das französi¬
sche Ministerium des Auswärtigen ernannte darauf eine Commission, welche
die ganze Frage der Reform der Consulatjurisdiction und speciell die ge¬
machten Vorschläge der ägyptischen Regierung prüfen sollte. Dieser Com¬
mission übergab Nubar Pascha eine Reihe von Modifikationen seiner ur¬
sprünglichen Vorschläge, des Inhalts : Die Majorität der Gerichte soll von
europäischen Richtern gebildet werden, welche der Vicekönig aus in Europa
functionirenden Beamten wählt. Die betreffende europäische Regierung hat
das Recht jenen Beamten die Annahme dieses Amtes zu gewähren, oder zu
verweigern. Unabsetzbarkeit der Richter von Anfang, oder von einem be¬
stimmten Zeitpunkt an. Oeffentliche Debatte, freie Vertheidigung. Die Ge-
richtspartei oder ihr Consul hat das Recht einen der Richter abzulehnen,
ohne Angabe der Motive. Die Greffiers und Huissiers werden in Europa
unter Personen dieses Amtes gewählt. Das Gericht ist competent für Pro¬
cesse zwischen Privaten und der Regierung, für Execution von Contracten
und für Angelegenheiten der Administration der Domainen des Vicekönigs
und der Prinzen. Die Beamten des Gerichts werden mit der Ausführung
der Urtheile beauftragt. Ein Hypothekengesetz, analog dem französischen, wird
gegeben, die Anwendung desselben dem Civilgerichte übertragen. —

Der Bericht, welchen die Commission am 3. December 1867 abstattete,
wurde nicht veröffentlicht. Man versichert aber, die Commission habe alle
Garantien Nubar-Pascha's acceptirt: Europäische Majorität, Recht der Ab¬
lehnung, Ausführung der Urtheile durch ein Gericht selbst ernannter Be¬
amten u. f. w. Außerdem aber habe sie Errichtung von zwei gemischten
Civil- (anstatt Handels-) Gerichten verlangt, welche nur für Processe compe¬
tent sein sollten, in welchen die Eingeborenen als Verklagte auftraten. Nur
Miethverträge gehören alle ohne Ausnahme vor die gemischten Gerichte. —
Von den Antworten der Großmächte auf Nubar-Pascha's Note ist nur die¬
jenige Englands bekannt geworden. Lord Stanley versicherte die ägyptische
Regierung der Unterstützung Englands in dieser Reform, ja er ging noch
weiter als Nubar-Pascha selbst: er war bereit ganz und gar auf die Consu-
lotgerichtsbarkeit zu verzichten: ,,wenn man dem Fremden genügende Garan¬
tien gäbe, daß er bei der Klage vor einem ägyptischen Gerichte nicht Ver-
tauflickkeit, Unwissenheit oder Fanatismus seiner Richter zu fürchten habe,
wenn das Gesetz, welches angewandt werde, für Alle gleich sei, und wenn
die Form des Processes, besonders in Sacken der Zeugenschcift genau be¬
stimmt sei. so daß nicht gestattet werde, davon willkürlich, gleichviel unter
welchem Vorwande, sich zu befreien."

Die Antwort Lord Stanley's erregte der englischen Colonie in Aegyp-
ten wahren Schrecken, und dieselbe richtete eine Adresse an den Minister, in


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[0292] von Nubar-Pascha zur Kenntniß der Großmächte gebracht. Das französi¬ sche Ministerium des Auswärtigen ernannte darauf eine Commission, welche die ganze Frage der Reform der Consulatjurisdiction und speciell die ge¬ machten Vorschläge der ägyptischen Regierung prüfen sollte. Dieser Com¬ mission übergab Nubar Pascha eine Reihe von Modifikationen seiner ur¬ sprünglichen Vorschläge, des Inhalts : Die Majorität der Gerichte soll von europäischen Richtern gebildet werden, welche der Vicekönig aus in Europa functionirenden Beamten wählt. Die betreffende europäische Regierung hat das Recht jenen Beamten die Annahme dieses Amtes zu gewähren, oder zu verweigern. Unabsetzbarkeit der Richter von Anfang, oder von einem be¬ stimmten Zeitpunkt an. Oeffentliche Debatte, freie Vertheidigung. Die Ge- richtspartei oder ihr Consul hat das Recht einen der Richter abzulehnen, ohne Angabe der Motive. Die Greffiers und Huissiers werden in Europa unter Personen dieses Amtes gewählt. Das Gericht ist competent für Pro¬ cesse zwischen Privaten und der Regierung, für Execution von Contracten und für Angelegenheiten der Administration der Domainen des Vicekönigs und der Prinzen. Die Beamten des Gerichts werden mit der Ausführung der Urtheile beauftragt. Ein Hypothekengesetz, analog dem französischen, wird gegeben, die Anwendung desselben dem Civilgerichte übertragen. — Der Bericht, welchen die Commission am 3. December 1867 abstattete, wurde nicht veröffentlicht. Man versichert aber, die Commission habe alle Garantien Nubar-Pascha's acceptirt: Europäische Majorität, Recht der Ab¬ lehnung, Ausführung der Urtheile durch ein Gericht selbst ernannter Be¬ amten u. f. w. Außerdem aber habe sie Errichtung von zwei gemischten Civil- (anstatt Handels-) Gerichten verlangt, welche nur für Processe compe¬ tent sein sollten, in welchen die Eingeborenen als Verklagte auftraten. Nur Miethverträge gehören alle ohne Ausnahme vor die gemischten Gerichte. — Von den Antworten der Großmächte auf Nubar-Pascha's Note ist nur die¬ jenige Englands bekannt geworden. Lord Stanley versicherte die ägyptische Regierung der Unterstützung Englands in dieser Reform, ja er ging noch weiter als Nubar-Pascha selbst: er war bereit ganz und gar auf die Consu- lotgerichtsbarkeit zu verzichten: ,,wenn man dem Fremden genügende Garan¬ tien gäbe, daß er bei der Klage vor einem ägyptischen Gerichte nicht Ver- tauflickkeit, Unwissenheit oder Fanatismus seiner Richter zu fürchten habe, wenn das Gesetz, welches angewandt werde, für Alle gleich sei, und wenn die Form des Processes, besonders in Sacken der Zeugenschcift genau be¬ stimmt sei. so daß nicht gestattet werde, davon willkürlich, gleichviel unter welchem Vorwande, sich zu befreien." Die Antwort Lord Stanley's erregte der englischen Colonie in Aegyp- ten wahren Schrecken, und dieselbe richtete eine Adresse an den Minister, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/292>, abgerufen am 04.07.2024.