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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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meinte- und Kreiscassen nothwendig wurde, einige Verstimmung hervor¬
gerufen hat.

Diese Verstimmung möchte nun auch die großdeutsche Demokratie aus¬
beuten, um sich den verlorenen Einfluß wieder zu, erobern, und der Bund
der Ultramontanen mit diesen Herren ist dieser Tage unter Assistenz des
früheren Ministers von Edelsheim, dessen Thätigkeit in erster Reihe Baden
verdankt, daß es 1866 als Bundesgenosse Oestreichs in die allgemeine Nieder-
lage verwickelt wurde, zum förmlichen Abschluß gelangt. In jener Ver¬
stimmung ist aber auch die eigentliche Ursache des Zwiespaltes zu suchen, der
durch die bekannten Offenburger Vorgänge plötzlich innerhalb der national¬
liberalen Partei entstanden und nur nothdürftig beigelegt ist. Das Schwinden
der Popularität, welches bei den Zollparlamentswahlen einen so überraschen¬
den Ausdruck fand, mußte die Führer der liberalen Kammermehrheit zudem
Versuche drängen, eine lebhaftere Fühlung mit der Bevölkerung zu gewinnen,
leider hat man aber dieses wünschenswerthe Ziel nicht durch eine lebhafte
Agitation im nationalen Sinne, durch eine Aufklärung des Volkes über die
großen Aufgaben, welche Regierung und Stände verfolgt hatten, sondern
durch die überraschende Behauptung zu erreichen gesucht, die Regierung sei
im Grunde gar nicht liberal, sondern ein verkappter Bundesgenosse der
Herren von Eulenburg und Muster, und nur die Führer der Kammer seien
ebenso bereit wie befähigt, die durch den Anschluß an Norddeutschland den
badtschen Freiheiten drohende Schmälerung abzuwenden. Die Bevölkerung
hatte aber weit weniger einen Drang nach größeren Freiheiten als eine Ab¬
neigung gegen die größeren Steuerzettel empfunden und man wird sich in
Offenburg sehr bald überzeugt haben, daß auf dem eingeschlagenen Wege
ungeachtet der gelegentlichen Ausfälle,'gegen das preußische Junkerthum die
ersehnte Popularität den erwünschten Aufschwung nicht nehmen wollte. Was
liegt näher, als daß man schließlich dem wirklichen Verlangen der Massen
entgegenkommt, und mit einstimmt in den Ruf nach Ermäßigung der Steuer¬
last und Reduction der militatrischen Leistungen auf den bescheidenen Ma߬
stab unserer süddeutschen Nachbaren. Zweijährige Präsenzzeit! hat hierfür
nicht die ganze liberale Partei in Preußen lange Jahre gekämpft und ist es
nicht verlockend mit Hülfe der stenographischen Kammerberichte diesen Kampf
zunächst einmal in Baden aufzunehmen und schon den nächsten Winter dem
norddeutschen Reichstage mit rühmlichem Beispiel voranzugehen? Die Ver¬
suchung ist groß, ich fürchte zu groß. Gibt aber die liberale Partei das erst
vor zwei Jahren geschaffene We>k, die an die norddeutsche Heeresverfassung
sich anschließende Organisation unserer Division auf, so werden sich Demo¬
kraten. Ultramontane, Großdeutsche, Conservative, Particularisten jeder
Schattirung so eifrig anschließen, daß die Stellung des jetzigen Ministeriums,


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meinte- und Kreiscassen nothwendig wurde, einige Verstimmung hervor¬
gerufen hat.

Diese Verstimmung möchte nun auch die großdeutsche Demokratie aus¬
beuten, um sich den verlorenen Einfluß wieder zu, erobern, und der Bund
der Ultramontanen mit diesen Herren ist dieser Tage unter Assistenz des
früheren Ministers von Edelsheim, dessen Thätigkeit in erster Reihe Baden
verdankt, daß es 1866 als Bundesgenosse Oestreichs in die allgemeine Nieder-
lage verwickelt wurde, zum förmlichen Abschluß gelangt. In jener Ver¬
stimmung ist aber auch die eigentliche Ursache des Zwiespaltes zu suchen, der
durch die bekannten Offenburger Vorgänge plötzlich innerhalb der national¬
liberalen Partei entstanden und nur nothdürftig beigelegt ist. Das Schwinden
der Popularität, welches bei den Zollparlamentswahlen einen so überraschen¬
den Ausdruck fand, mußte die Führer der liberalen Kammermehrheit zudem
Versuche drängen, eine lebhaftere Fühlung mit der Bevölkerung zu gewinnen,
leider hat man aber dieses wünschenswerthe Ziel nicht durch eine lebhafte
Agitation im nationalen Sinne, durch eine Aufklärung des Volkes über die
großen Aufgaben, welche Regierung und Stände verfolgt hatten, sondern
durch die überraschende Behauptung zu erreichen gesucht, die Regierung sei
im Grunde gar nicht liberal, sondern ein verkappter Bundesgenosse der
Herren von Eulenburg und Muster, und nur die Führer der Kammer seien
ebenso bereit wie befähigt, die durch den Anschluß an Norddeutschland den
badtschen Freiheiten drohende Schmälerung abzuwenden. Die Bevölkerung
hatte aber weit weniger einen Drang nach größeren Freiheiten als eine Ab¬
neigung gegen die größeren Steuerzettel empfunden und man wird sich in
Offenburg sehr bald überzeugt haben, daß auf dem eingeschlagenen Wege
ungeachtet der gelegentlichen Ausfälle,'gegen das preußische Junkerthum die
ersehnte Popularität den erwünschten Aufschwung nicht nehmen wollte. Was
liegt näher, als daß man schließlich dem wirklichen Verlangen der Massen
entgegenkommt, und mit einstimmt in den Ruf nach Ermäßigung der Steuer¬
last und Reduction der militatrischen Leistungen auf den bescheidenen Ma߬
stab unserer süddeutschen Nachbaren. Zweijährige Präsenzzeit! hat hierfür
nicht die ganze liberale Partei in Preußen lange Jahre gekämpft und ist es
nicht verlockend mit Hülfe der stenographischen Kammerberichte diesen Kampf
zunächst einmal in Baden aufzunehmen und schon den nächsten Winter dem
norddeutschen Reichstage mit rühmlichem Beispiel voranzugehen? Die Ver¬
suchung ist groß, ich fürchte zu groß. Gibt aber die liberale Partei das erst
vor zwei Jahren geschaffene We>k, die an die norddeutsche Heeresverfassung
sich anschließende Organisation unserer Division auf, so werden sich Demo¬
kraten. Ultramontane, Großdeutsche, Conservative, Particularisten jeder
Schattirung so eifrig anschließen, daß die Stellung des jetzigen Ministeriums,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/267>, abgerufen am 04.07.2024.