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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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wen, weil sie der Kurprinz auf gute Manier von Haus und Hof jagen will.
Der Kreuzzeitungsmann Hesekiel kann sich nicht enthalten, uns zu versichern,
daß das etwas eigenmächtige Verfahren des Landesfürsten ihrem loyalen
Sinne keinen Eintrag gethan habe. S. 73. Eine nicht mehr jugendliche
Magd oder so etwas, vom Rücken gesehen, mit gefalteten Händen vor einem
offenen Schranke stehend. Uns bliebe das geheimnißvolle Bild wohl auf
ewig, wie Don Karlos der Prinzessin Eboli. ein verschlossener Schrank; auch
der scharfsinnigste Keilschriftleser, Hieroglyphendeuter, Vasenbilderklärer würde
nicht im Stande sein, einen Zusammenhang zu entdecken zwischen dieser aller¬
dings bekleideten Kallipygos und dem Grafen Bismarck. Wir nehmen also
den Text zu Hülfe und erfahren, daß wir wiederum eine treue Dienerin vor
uns haben, Trine Neumann aus Schönhausen, die eben die Entdeckung eines
Diebstahls macht. Wir bedauern nun um so mehr, den Eindruck dieser
Greuelthat nicht in ihren Zügen lesen zu können, da sie uns, wie schon be¬
merkt, die verkehrte Fronte zudreht, trösten uns jedoch einigermaßen, wenn
wir lesen, daß Trine Neumann noch lebt, und also für die zweite Auflage
mit Hülfe der Photographie die Möglichkeit einer Ansicht von vorn gegeben
ist. S. 102. Wieder eine Rückenansicht, welche also der Künstler zu lieben
scheint. Diesmal ist es eine ebenfalls bekleidete männliche Figur. Hoher
Hut, langer Rock, Stulpenstiefel; daneben ein hünenhafter Hund. Räthsel-
Hafte Unterschrift: Melancholie. Der Text sagt uns, es sei die sogenannte
"Premierlieutenants-Melancholie" ! Auf dieses Kunstwerk scheint sein Schöpfer
besonderes Gewicht zu legen; denn, obgleich von kleinem Format, ist es nicht
in den Text eingedruckt, sondern erscheint auf einem besonderen Blatte.
S. 144. Der trotzige "Junker" Bismarck auf einer Straße Berlins im tollen
Jahre. S. 176 heißt es: "Vor Tisch pflegte er auszureiten". Daneben er¬
scheint ein Herr zu Pferde. Ein Grenzstein zeigt die Inschrift: Herzogthum
Nassau. Geistreiche Anspielung, daß während des Frankfurter Aufenthaltes
Bismarck zuerst auf die Idee kam, es sei nothwendig, an verschiedenen Orten
in Deutschland die Grenzsteine ein wenig zu verrücken. S. 249. Sehen wir
nochmals einen Reiter, Illustration zu den Worten eines Briefes: "Die
Fuchsstute ist meine tägliche Freude im Thiergarten". Leider ist das Bild
nicht colorire und das Pferd erscheint mehr von vorn, so daß gerade das
Charakteristische des Gegenstandes, Stute und Fuchs, bildlich nicht auszu¬
drücken war. -- Es sei genug mit diesen Proben; man durchblättere das
Buch und wird eine ganze Blumenlese höchst gewöhnlicher Illustrationen
finden. Es ist fast, als habe der Verleger eine Anzahl schon vielfach ver¬
wendeter Clicris zusammengekauft und hier und da eines eindrucken lassen.
Ist dergleichen ein würdiger Bilderschmuck für das Buch vom Grafen
Bismarck?!


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wen, weil sie der Kurprinz auf gute Manier von Haus und Hof jagen will.
Der Kreuzzeitungsmann Hesekiel kann sich nicht enthalten, uns zu versichern,
daß das etwas eigenmächtige Verfahren des Landesfürsten ihrem loyalen
Sinne keinen Eintrag gethan habe. S. 73. Eine nicht mehr jugendliche
Magd oder so etwas, vom Rücken gesehen, mit gefalteten Händen vor einem
offenen Schranke stehend. Uns bliebe das geheimnißvolle Bild wohl auf
ewig, wie Don Karlos der Prinzessin Eboli. ein verschlossener Schrank; auch
der scharfsinnigste Keilschriftleser, Hieroglyphendeuter, Vasenbilderklärer würde
nicht im Stande sein, einen Zusammenhang zu entdecken zwischen dieser aller¬
dings bekleideten Kallipygos und dem Grafen Bismarck. Wir nehmen also
den Text zu Hülfe und erfahren, daß wir wiederum eine treue Dienerin vor
uns haben, Trine Neumann aus Schönhausen, die eben die Entdeckung eines
Diebstahls macht. Wir bedauern nun um so mehr, den Eindruck dieser
Greuelthat nicht in ihren Zügen lesen zu können, da sie uns, wie schon be¬
merkt, die verkehrte Fronte zudreht, trösten uns jedoch einigermaßen, wenn
wir lesen, daß Trine Neumann noch lebt, und also für die zweite Auflage
mit Hülfe der Photographie die Möglichkeit einer Ansicht von vorn gegeben
ist. S. 102. Wieder eine Rückenansicht, welche also der Künstler zu lieben
scheint. Diesmal ist es eine ebenfalls bekleidete männliche Figur. Hoher
Hut, langer Rock, Stulpenstiefel; daneben ein hünenhafter Hund. Räthsel-
Hafte Unterschrift: Melancholie. Der Text sagt uns, es sei die sogenannte
„Premierlieutenants-Melancholie" ! Auf dieses Kunstwerk scheint sein Schöpfer
besonderes Gewicht zu legen; denn, obgleich von kleinem Format, ist es nicht
in den Text eingedruckt, sondern erscheint auf einem besonderen Blatte.
S. 144. Der trotzige „Junker" Bismarck auf einer Straße Berlins im tollen
Jahre. S. 176 heißt es: „Vor Tisch pflegte er auszureiten". Daneben er¬
scheint ein Herr zu Pferde. Ein Grenzstein zeigt die Inschrift: Herzogthum
Nassau. Geistreiche Anspielung, daß während des Frankfurter Aufenthaltes
Bismarck zuerst auf die Idee kam, es sei nothwendig, an verschiedenen Orten
in Deutschland die Grenzsteine ein wenig zu verrücken. S. 249. Sehen wir
nochmals einen Reiter, Illustration zu den Worten eines Briefes: „Die
Fuchsstute ist meine tägliche Freude im Thiergarten". Leider ist das Bild
nicht colorire und das Pferd erscheint mehr von vorn, so daß gerade das
Charakteristische des Gegenstandes, Stute und Fuchs, bildlich nicht auszu¬
drücken war. — Es sei genug mit diesen Proben; man durchblättere das
Buch und wird eine ganze Blumenlese höchst gewöhnlicher Illustrationen
finden. Es ist fast, als habe der Verleger eine Anzahl schon vielfach ver¬
wendeter Clicris zusammengekauft und hier und da eines eindrucken lassen.
Ist dergleichen ein würdiger Bilderschmuck für das Buch vom Grafen
Bismarck?!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/259>, abgerufen am 23.06.2024.