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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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den Dienst des evangelisch-lutherischen Predigtamts begehren." Der Civilehe
die Wirkungen einer giltigen Ehe abzusprechen, wie es 1811 versucht wurde,
wagt der Oberkirchenrath zwar nicht, vielmehr meint er. im Allgemeinen
sei festzuhalten, daß die evangelisch-lutherische Kirche nicht werde anstehen
können, solche durch bloße Civilcopulation geschlossene Ehen, wenn sie in
Landen, in welchen die Civilehe gesetzlich eingeführt ist, in den dort gesetzlich
verordneten Formen geschlossen sind, als wirkliche Ehen und die aus solchen
Ehen geborenen Kinder als ehelich geboren anzuerkennen. Aber er fügt hinzu,
daß die Kirche solche Ehen auch nur als Ehen im bürgerlichen Sinne, als
bürgerliche Ehen werde anerkennen können und dürfen, und nicht als christ¬
liche und kirchliche Ehen, weil sie mindestens unter Verachtung des Segens
Gottes und des denselben darreichenden Dienstes der Kirche, ja vielleicht
unter Verhältnissen eingegangen seien, welche vom kirchlichen Gesichtspunkte aus
als Ehehindernisse würden gegolten haben, und daß die Kirche die in solchen
unchristlichen Ehen lebenden Personen werde als solche ansehen und behandeln
müssen, welche, wenn sie auch ihrer Herkunft nach der evangelisch-lutherischen
Kirche angehören, doch als Verächter des göttlichen Worts und Segens diese
Gemeinschaft gelockert, ihr Verhältniß zur christlichen Gemeinde verrückt und
das dem entsprechende Verfahren provocirt haben. Und welches wird dieses
Verfahren der Kirche gegen solche Sünder sein? Die der evangelisch-luthe¬
rischen Kirche nicht Angehörtgen, als Katholiken, Juden und "Freigemeind-
ler". sollen die Prediger ihrem Verderben überlassen und sich nicht um sie
kümmern. Wenn aber den Pastoren in ihren Parochien in Civilehen lebende
Personen vorkommen, die nach ihren Antecedentien der evangelisch-luthe¬
rischen Kirche angehören, sollen sie von dem Zeitpunkte an. da diese
Personen und ihre Verhältnisse ihnen bekannt werden, denselben den
ganzen Ernst ihrer seelsorgerischen Bemühung zuwenden, so daß sie die-
selben wiederholt und eindringlich belehren, welche gründliche Verachtung
des Wortes und Segens Gottes in solcher Eheschließung liege, wie schwer
sie demnach sich versündigt und ihr Gewissen beladen hätten, wie dadurch
ihr ganzes Eheleben zu einem fortgesetzten sündlichen Verhältnisse geworden
sei, wie sie dadurch ihren Christenstand verletzt, ihr Verhältniß zur christlichen
Gemeinde und Kirche gestört hätten, und wie sie daher würden darauf be¬
dacht sein müssen, ihrem Gewissen und ihrem Christenstande womöglich durch
Nachholung der christlichen Trauung zu helfen. Stehen aber dieser kirch¬
lichen Ehe Hindernisse, wegen deren sie unterbleiben muß, entgegen, oder aber,
wenn blos civiliter copulirte Eheleute durch den seelsorgerischen Zuspruch gleich¬
wohl nicht zur Einsicht gebührt, und nicht des Wunsches werden, die christ¬
liche Einsegnung ihres Verhältnisses nachzuholen, so soll mit solchen hals¬
starrigen Sündern keine christliche Gemeinschaft ferner gehalten, also z. B.


den Dienst des evangelisch-lutherischen Predigtamts begehren." Der Civilehe
die Wirkungen einer giltigen Ehe abzusprechen, wie es 1811 versucht wurde,
wagt der Oberkirchenrath zwar nicht, vielmehr meint er. im Allgemeinen
sei festzuhalten, daß die evangelisch-lutherische Kirche nicht werde anstehen
können, solche durch bloße Civilcopulation geschlossene Ehen, wenn sie in
Landen, in welchen die Civilehe gesetzlich eingeführt ist, in den dort gesetzlich
verordneten Formen geschlossen sind, als wirkliche Ehen und die aus solchen
Ehen geborenen Kinder als ehelich geboren anzuerkennen. Aber er fügt hinzu,
daß die Kirche solche Ehen auch nur als Ehen im bürgerlichen Sinne, als
bürgerliche Ehen werde anerkennen können und dürfen, und nicht als christ¬
liche und kirchliche Ehen, weil sie mindestens unter Verachtung des Segens
Gottes und des denselben darreichenden Dienstes der Kirche, ja vielleicht
unter Verhältnissen eingegangen seien, welche vom kirchlichen Gesichtspunkte aus
als Ehehindernisse würden gegolten haben, und daß die Kirche die in solchen
unchristlichen Ehen lebenden Personen werde als solche ansehen und behandeln
müssen, welche, wenn sie auch ihrer Herkunft nach der evangelisch-lutherischen
Kirche angehören, doch als Verächter des göttlichen Worts und Segens diese
Gemeinschaft gelockert, ihr Verhältniß zur christlichen Gemeinde verrückt und
das dem entsprechende Verfahren provocirt haben. Und welches wird dieses
Verfahren der Kirche gegen solche Sünder sein? Die der evangelisch-luthe¬
rischen Kirche nicht Angehörtgen, als Katholiken, Juden und „Freigemeind-
ler". sollen die Prediger ihrem Verderben überlassen und sich nicht um sie
kümmern. Wenn aber den Pastoren in ihren Parochien in Civilehen lebende
Personen vorkommen, die nach ihren Antecedentien der evangelisch-luthe¬
rischen Kirche angehören, sollen sie von dem Zeitpunkte an. da diese
Personen und ihre Verhältnisse ihnen bekannt werden, denselben den
ganzen Ernst ihrer seelsorgerischen Bemühung zuwenden, so daß sie die-
selben wiederholt und eindringlich belehren, welche gründliche Verachtung
des Wortes und Segens Gottes in solcher Eheschließung liege, wie schwer
sie demnach sich versündigt und ihr Gewissen beladen hätten, wie dadurch
ihr ganzes Eheleben zu einem fortgesetzten sündlichen Verhältnisse geworden
sei, wie sie dadurch ihren Christenstand verletzt, ihr Verhältniß zur christlichen
Gemeinde und Kirche gestört hätten, und wie sie daher würden darauf be¬
dacht sein müssen, ihrem Gewissen und ihrem Christenstande womöglich durch
Nachholung der christlichen Trauung zu helfen. Stehen aber dieser kirch¬
lichen Ehe Hindernisse, wegen deren sie unterbleiben muß, entgegen, oder aber,
wenn blos civiliter copulirte Eheleute durch den seelsorgerischen Zuspruch gleich¬
wohl nicht zur Einsicht gebührt, und nicht des Wunsches werden, die christ¬
liche Einsegnung ihres Verhältnisses nachzuholen, so soll mit solchen hals¬
starrigen Sündern keine christliche Gemeinschaft ferner gehalten, also z. B.


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[0023] den Dienst des evangelisch-lutherischen Predigtamts begehren." Der Civilehe die Wirkungen einer giltigen Ehe abzusprechen, wie es 1811 versucht wurde, wagt der Oberkirchenrath zwar nicht, vielmehr meint er. im Allgemeinen sei festzuhalten, daß die evangelisch-lutherische Kirche nicht werde anstehen können, solche durch bloße Civilcopulation geschlossene Ehen, wenn sie in Landen, in welchen die Civilehe gesetzlich eingeführt ist, in den dort gesetzlich verordneten Formen geschlossen sind, als wirkliche Ehen und die aus solchen Ehen geborenen Kinder als ehelich geboren anzuerkennen. Aber er fügt hinzu, daß die Kirche solche Ehen auch nur als Ehen im bürgerlichen Sinne, als bürgerliche Ehen werde anerkennen können und dürfen, und nicht als christ¬ liche und kirchliche Ehen, weil sie mindestens unter Verachtung des Segens Gottes und des denselben darreichenden Dienstes der Kirche, ja vielleicht unter Verhältnissen eingegangen seien, welche vom kirchlichen Gesichtspunkte aus als Ehehindernisse würden gegolten haben, und daß die Kirche die in solchen unchristlichen Ehen lebenden Personen werde als solche ansehen und behandeln müssen, welche, wenn sie auch ihrer Herkunft nach der evangelisch-lutherischen Kirche angehören, doch als Verächter des göttlichen Worts und Segens diese Gemeinschaft gelockert, ihr Verhältniß zur christlichen Gemeinde verrückt und das dem entsprechende Verfahren provocirt haben. Und welches wird dieses Verfahren der Kirche gegen solche Sünder sein? Die der evangelisch-luthe¬ rischen Kirche nicht Angehörtgen, als Katholiken, Juden und „Freigemeind- ler". sollen die Prediger ihrem Verderben überlassen und sich nicht um sie kümmern. Wenn aber den Pastoren in ihren Parochien in Civilehen lebende Personen vorkommen, die nach ihren Antecedentien der evangelisch-luthe¬ rischen Kirche angehören, sollen sie von dem Zeitpunkte an. da diese Personen und ihre Verhältnisse ihnen bekannt werden, denselben den ganzen Ernst ihrer seelsorgerischen Bemühung zuwenden, so daß sie die- selben wiederholt und eindringlich belehren, welche gründliche Verachtung des Wortes und Segens Gottes in solcher Eheschließung liege, wie schwer sie demnach sich versündigt und ihr Gewissen beladen hätten, wie dadurch ihr ganzes Eheleben zu einem fortgesetzten sündlichen Verhältnisse geworden sei, wie sie dadurch ihren Christenstand verletzt, ihr Verhältniß zur christlichen Gemeinde und Kirche gestört hätten, und wie sie daher würden darauf be¬ dacht sein müssen, ihrem Gewissen und ihrem Christenstande womöglich durch Nachholung der christlichen Trauung zu helfen. Stehen aber dieser kirch¬ lichen Ehe Hindernisse, wegen deren sie unterbleiben muß, entgegen, oder aber, wenn blos civiliter copulirte Eheleute durch den seelsorgerischen Zuspruch gleich¬ wohl nicht zur Einsicht gebührt, und nicht des Wunsches werden, die christ¬ liche Einsegnung ihres Verhältnisses nachzuholen, so soll mit solchen hals¬ starrigen Sündern keine christliche Gemeinschaft ferner gehalten, also z. B.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/23>, abgerufen am 04.07.2024.