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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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meinen, der Hinweis des Bundescommissars v. Friesen auf die Zweidrittel¬
mehrheit, den die Sächsische Zeitung als das unzweideutige Eingeständniß
proclamirt, "daß man es mit einer Perfassungsänderung zu thun hat", wäre
unnöthig gewesen. Dem Bunde steht die Gesetzgebung zu auf dem Gebiete
des Handelsrechts wie d?s Processes. Zur wirklichen Durchführung dieser Gesetz¬
gebung ist ein oberster Gerichtshof das unerläßliche Mittel -- sollte eß ihm
versagt sein? Ein so besonnener Staatsrechtslehrer wie v. Gerber rechnet
"die Organisation und Instruction der Behörden im Affgemeinen unter daß
Verordnungsrecht des Monarchen", weil sie nur "die Ausführung des als
Gesetz oder sonst bestehenden Rechts" betreffen -- sollen die besten gesetz¬
gebenden Factoren des Bundes weniger vermögen? -- Doch genug, w,ir
werden den Bau, der die deutsche Rechtseinheit bedeutet, sich erheben sehen
und das Gekrächze des Nachtgevögels, dqs ihn umschwirrt, wird sein Vor¬
wärtsschreiten nicht Hinhern.

Nur warnen möchten wir noch zum Schlüsse vor dein, Antrage, mit dem
Hamburg ganz neuerdings den regelmäßigen Gqn^g der Verhandlungen ge¬
kreuzt hat: gleich für alle Processe sowohl in Strafsqchen, wie in priyqt-
rechtlichen Streitigkeiten, mindestens aber für letztere, einen gemeinsamen
obersten Gerichtshof einzusetzen. Der Antrag mag gut geryeint sein, aber er
hat bedenkliche Ähnlichkeit mit einem Schachzuge gegen den gqnzen Plan,
und die Uebereinstimmung mit der Ansicht des Herrn v. Zehner dient plebe
gerade dazu, ihn vor dem Verdachte dieser Aehnlichfeit zu schützen. Möge man
sich an das zunächst Rothwendige und zunächst Erreichbare halten, eingedenk
des qlten Wortes, daß das Bessere der Feind des Guten ist.


-1.


Die neutrale Schule in den Niederlanden.
Korrespondenz aus Haarlem.

Große Nationen genießen den Vorzug, daß sie nicht nur Zeugen bös.
iytellectuellen Lebens anderer großer Nationen sind, sondern durch ihre eigen,?
Entwickelung Einfluß auf fremdes Volksleben üben. In einem ungünstigen
Verhältniß stehen kleinere Völker. Ihr ganzes geistiges Dasein ist eng um¬
grenzt und wird außerdem der ihm gebührenden Stellung beraubt, schon
weil ihre Sprache nur von wenigen Fremden yerstanden wird. Uebersetzungen
ihrer geistigen P-olucticnen seltener stattfinden und außerdem keinen ge-


meinen, der Hinweis des Bundescommissars v. Friesen auf die Zweidrittel¬
mehrheit, den die Sächsische Zeitung als das unzweideutige Eingeständniß
proclamirt, „daß man es mit einer Perfassungsänderung zu thun hat", wäre
unnöthig gewesen. Dem Bunde steht die Gesetzgebung zu auf dem Gebiete
des Handelsrechts wie d?s Processes. Zur wirklichen Durchführung dieser Gesetz¬
gebung ist ein oberster Gerichtshof das unerläßliche Mittel — sollte eß ihm
versagt sein? Ein so besonnener Staatsrechtslehrer wie v. Gerber rechnet
„die Organisation und Instruction der Behörden im Affgemeinen unter daß
Verordnungsrecht des Monarchen", weil sie nur „die Ausführung des als
Gesetz oder sonst bestehenden Rechts" betreffen — sollen die besten gesetz¬
gebenden Factoren des Bundes weniger vermögen? — Doch genug, w,ir
werden den Bau, der die deutsche Rechtseinheit bedeutet, sich erheben sehen
und das Gekrächze des Nachtgevögels, dqs ihn umschwirrt, wird sein Vor¬
wärtsschreiten nicht Hinhern.

Nur warnen möchten wir noch zum Schlüsse vor dein, Antrage, mit dem
Hamburg ganz neuerdings den regelmäßigen Gqn^g der Verhandlungen ge¬
kreuzt hat: gleich für alle Processe sowohl in Strafsqchen, wie in priyqt-
rechtlichen Streitigkeiten, mindestens aber für letztere, einen gemeinsamen
obersten Gerichtshof einzusetzen. Der Antrag mag gut geryeint sein, aber er
hat bedenkliche Ähnlichkeit mit einem Schachzuge gegen den gqnzen Plan,
und die Uebereinstimmung mit der Ansicht des Herrn v. Zehner dient plebe
gerade dazu, ihn vor dem Verdachte dieser Aehnlichfeit zu schützen. Möge man
sich an das zunächst Rothwendige und zunächst Erreichbare halten, eingedenk
des qlten Wortes, daß das Bessere der Feind des Guten ist.


-1.


Die neutrale Schule in den Niederlanden.
Korrespondenz aus Haarlem.

Große Nationen genießen den Vorzug, daß sie nicht nur Zeugen bös.
iytellectuellen Lebens anderer großer Nationen sind, sondern durch ihre eigen,?
Entwickelung Einfluß auf fremdes Volksleben üben. In einem ungünstigen
Verhältniß stehen kleinere Völker. Ihr ganzes geistiges Dasein ist eng um¬
grenzt und wird außerdem der ihm gebührenden Stellung beraubt, schon
weil ihre Sprache nur von wenigen Fremden yerstanden wird. Uebersetzungen
ihrer geistigen P-olucticnen seltener stattfinden und außerdem keinen ge-


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[0174] meinen, der Hinweis des Bundescommissars v. Friesen auf die Zweidrittel¬ mehrheit, den die Sächsische Zeitung als das unzweideutige Eingeständniß proclamirt, „daß man es mit einer Perfassungsänderung zu thun hat", wäre unnöthig gewesen. Dem Bunde steht die Gesetzgebung zu auf dem Gebiete des Handelsrechts wie d?s Processes. Zur wirklichen Durchführung dieser Gesetz¬ gebung ist ein oberster Gerichtshof das unerläßliche Mittel — sollte eß ihm versagt sein? Ein so besonnener Staatsrechtslehrer wie v. Gerber rechnet „die Organisation und Instruction der Behörden im Affgemeinen unter daß Verordnungsrecht des Monarchen", weil sie nur „die Ausführung des als Gesetz oder sonst bestehenden Rechts" betreffen — sollen die besten gesetz¬ gebenden Factoren des Bundes weniger vermögen? — Doch genug, w,ir werden den Bau, der die deutsche Rechtseinheit bedeutet, sich erheben sehen und das Gekrächze des Nachtgevögels, dqs ihn umschwirrt, wird sein Vor¬ wärtsschreiten nicht Hinhern. Nur warnen möchten wir noch zum Schlüsse vor dein, Antrage, mit dem Hamburg ganz neuerdings den regelmäßigen Gqn^g der Verhandlungen ge¬ kreuzt hat: gleich für alle Processe sowohl in Strafsqchen, wie in priyqt- rechtlichen Streitigkeiten, mindestens aber für letztere, einen gemeinsamen obersten Gerichtshof einzusetzen. Der Antrag mag gut geryeint sein, aber er hat bedenkliche Ähnlichkeit mit einem Schachzuge gegen den gqnzen Plan, und die Uebereinstimmung mit der Ansicht des Herrn v. Zehner dient plebe gerade dazu, ihn vor dem Verdachte dieser Aehnlichfeit zu schützen. Möge man sich an das zunächst Rothwendige und zunächst Erreichbare halten, eingedenk des qlten Wortes, daß das Bessere der Feind des Guten ist. -1. Die neutrale Schule in den Niederlanden. Korrespondenz aus Haarlem. Große Nationen genießen den Vorzug, daß sie nicht nur Zeugen bös. iytellectuellen Lebens anderer großer Nationen sind, sondern durch ihre eigen,? Entwickelung Einfluß auf fremdes Volksleben üben. In einem ungünstigen Verhältniß stehen kleinere Völker. Ihr ganzes geistiges Dasein ist eng um¬ grenzt und wird außerdem der ihm gebührenden Stellung beraubt, schon weil ihre Sprache nur von wenigen Fremden yerstanden wird. Uebersetzungen ihrer geistigen P-olucticnen seltener stattfinden und außerdem keinen ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/174>, abgerufen am 04.07.2024.