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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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bezüglichen Bestrebungen noch überall ziemlich neu und selbst Frankreich, das
besonderen Eifer entwickelt hat, ist kaum über die Anfänge herausgekommen.

Als ältesten Versuch einer Bodenstatistik, aus den Zeiten des Mittel¬
alters, darf man die Arbeiten der Rishi äominiei betrachten, die unter
Karl dem Großen den Zustand des Ackerbaues constatirten. Das vomssä^
book. auf Befehl Wilhelm des Eroberers im 11. Jahrhundert verfaßt,
enthält ähnliche Angaben über die englische Feldwirthschaft. Dann folgten
Jahrhunderte, in denen so gut wie nichts geschah. Gegen Ende des 17.
Jahrhunderts ließ Ludwig XIV. eine Agriculturstatistik in jeder Provinz auf¬
nehmen, die jedoch ihrem Gesammtinhalt nach nie im Druck erschienen ist.
In dem nachfolgenden hundertjährigen Zeitraume veranstaltete die französi¬
sche Regierung jährliche Aufstellungen über die Ernten. Aehnliche, nur
minder constante Bestrebungen bezeichneten die Periode des ersten Kaiser¬
reiches. Die erste Enqußte, die alle Elemente der agricolen Production
Frankreichs in sich fassen sollte, wurde nicht eher als im Jahr 1840 unter¬
nommen. Ein Decret vom 1. Juli 1852 schrieb die Bildung von beständigen
Commissionen in jedem der 2846 Cantone des Kaiserreiches vor, mit der
Weisung die auf die Landwirthschaft bezüglichen Zahlen zu sammeln. Die
durch dieselben zu veranstaltenden Erhebungen sollten die eine jährlich, die
andere alle zehn Jahre geschehen. Die französischen Commissionen haben
seitdem ihr Werk begonnen und zwar mit der für alle zehn Jahre angeord¬
neten Erhebung. Die Schwierigkeiten, gegen welche sie anzukämpfen haben,
sind vielfältig. Die Eigenthümer hielt von einer genauen Angabe des Er¬
trages der Wahn zurück, als sollten die erhaltenen Zahlen dem Fiscus zu¬
gestellt werden und eine Vermehrung der Steuer nach sich ziehen; die Zer¬
splitterung des Bodens bietet ein ferneres Hinderniß dar. Während in Eng¬
land der Boden sich in den Händen von 40- bis 50.000 Eigenthümer befindet
und die Zahl der Pächter 286,000 ausmacht, deren jeder im-Durchschnitt
50 Hektares inne hat, so sind in Frankreich die 42 Mill. Hektare cultivirten
Landes in nahe 130 Millionen Parzellen zertheilt, die 5 Mill. Eigenthümern
gehören und von mindestens 7 Millionen Pächtern und Hciusvätern bebaut
werden.

Wenn die französische Regierung nichtsdestoweniger auf dem beschritte-
nen Wege beharrt, so wird sie dabei von der richtigen Ansicht geleitet, daß
die zunehmende Bildung und die Einsicht in den Werth statistischer Er¬
hebungen sich ihr Recht verschaffen werden, und daß die eminente Wichtig-
keit der Sache außer Verhältniß steht zu den Hemmnissen, deren Bekämpfung
es gilt. -- In England ist die landwirtschaftliche Statistik nur von Pri¬
vaten, aber von diesen mit entschiedenem Erfolg betrieben worden.

Da es uns an dieser Stelle nur darum zu thun ist, den Gedanken an


Gttnzboten N 1869 Is

bezüglichen Bestrebungen noch überall ziemlich neu und selbst Frankreich, das
besonderen Eifer entwickelt hat, ist kaum über die Anfänge herausgekommen.

Als ältesten Versuch einer Bodenstatistik, aus den Zeiten des Mittel¬
alters, darf man die Arbeiten der Rishi äominiei betrachten, die unter
Karl dem Großen den Zustand des Ackerbaues constatirten. Das vomssä^
book. auf Befehl Wilhelm des Eroberers im 11. Jahrhundert verfaßt,
enthält ähnliche Angaben über die englische Feldwirthschaft. Dann folgten
Jahrhunderte, in denen so gut wie nichts geschah. Gegen Ende des 17.
Jahrhunderts ließ Ludwig XIV. eine Agriculturstatistik in jeder Provinz auf¬
nehmen, die jedoch ihrem Gesammtinhalt nach nie im Druck erschienen ist.
In dem nachfolgenden hundertjährigen Zeitraume veranstaltete die französi¬
sche Regierung jährliche Aufstellungen über die Ernten. Aehnliche, nur
minder constante Bestrebungen bezeichneten die Periode des ersten Kaiser¬
reiches. Die erste Enqußte, die alle Elemente der agricolen Production
Frankreichs in sich fassen sollte, wurde nicht eher als im Jahr 1840 unter¬
nommen. Ein Decret vom 1. Juli 1852 schrieb die Bildung von beständigen
Commissionen in jedem der 2846 Cantone des Kaiserreiches vor, mit der
Weisung die auf die Landwirthschaft bezüglichen Zahlen zu sammeln. Die
durch dieselben zu veranstaltenden Erhebungen sollten die eine jährlich, die
andere alle zehn Jahre geschehen. Die französischen Commissionen haben
seitdem ihr Werk begonnen und zwar mit der für alle zehn Jahre angeord¬
neten Erhebung. Die Schwierigkeiten, gegen welche sie anzukämpfen haben,
sind vielfältig. Die Eigenthümer hielt von einer genauen Angabe des Er¬
trages der Wahn zurück, als sollten die erhaltenen Zahlen dem Fiscus zu¬
gestellt werden und eine Vermehrung der Steuer nach sich ziehen; die Zer¬
splitterung des Bodens bietet ein ferneres Hinderniß dar. Während in Eng¬
land der Boden sich in den Händen von 40- bis 50.000 Eigenthümer befindet
und die Zahl der Pächter 286,000 ausmacht, deren jeder im-Durchschnitt
50 Hektares inne hat, so sind in Frankreich die 42 Mill. Hektare cultivirten
Landes in nahe 130 Millionen Parzellen zertheilt, die 5 Mill. Eigenthümern
gehören und von mindestens 7 Millionen Pächtern und Hciusvätern bebaut
werden.

Wenn die französische Regierung nichtsdestoweniger auf dem beschritte-
nen Wege beharrt, so wird sie dabei von der richtigen Ansicht geleitet, daß
die zunehmende Bildung und die Einsicht in den Werth statistischer Er¬
hebungen sich ihr Recht verschaffen werden, und daß die eminente Wichtig-
keit der Sache außer Verhältniß steht zu den Hemmnissen, deren Bekämpfung
es gilt. — In England ist die landwirtschaftliche Statistik nur von Pri¬
vaten, aber von diesen mit entschiedenem Erfolg betrieben worden.

Da es uns an dieser Stelle nur darum zu thun ist, den Gedanken an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/121>, abgerufen am 24.07.2024.