Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.Herzog und Volk immer mehr auseinander. Der Geheimerath freilich war Diese Klagen, die zunächst an die Landschaft gerichtet waren, verhallten 14--
Herzog und Volk immer mehr auseinander. Der Geheimerath freilich war Diese Klagen, die zunächst an die Landschaft gerichtet waren, verhallten 14--
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120802"/> <p xml:id="ID_286" prev="#ID_285"> Herzog und Volk immer mehr auseinander. Der Geheimerath freilich war<lb/> über den Vertrag der Meinung, er sei den Reichsgesetzen nicht zuwider, für<lb/> das Ansehen des Fürsten und eventuell für Zuwachs an Land könne er er¬<lb/> sprießlich sein, außerdem komme eine considerable Summe Geldes dadurch in<lb/> das Land. Bei einem Krieg stelle sich die Nützlichkeit noch um so mehr<lb/> heraus, als man doch nicht isolirt sei und von vornherein wisse, an wessen<lb/> Freundschaft man sich zu halten habe. Doch wurde in einer Zuschrift an<lb/> den Herzog auch nicht verschwiegen, daß das Zusammengehen mit Frankreich<lb/> von Vielen übel angesehen sei. Die Mannschaft selbst, von welcher zwei<lb/> Drittel gewaltsam ausgehoben waren, zeigte den schlimmsten Geist. Als sie<lb/> zu Stuttgart dem französischen Commissär zur Uebernahme vorgestellt werden<lb/> sollte, brach offene Meuterei aus. Die Leute liefen auseinander und durch¬<lb/> zogen truppweise die Straßen der Stadt und die Umgegend unter Unfug<lb/> aller Art. Es war von vielen Seiten her an ihnen geschürt worden. Gegen<lb/> alles Recht, hieß es, seien sie ihren Familien entrissen worden, und man<lb/> habe ihnen zugemuthet, gegen den Beschützer ihres Glaubens zu kämpfen.<lb/> Im Lande selbst waren Flugblätter der „Patrioten Württembergs" verbreitet,<lb/> welche die Erinnerung an die katholisirenden Projecte Karl Alexanders wie¬<lb/> der heraufbeschworen und in bitterster Weise Klage führten über die „gegen¬<lb/> wärtigen betrübten Umstände, darinnen sich das liebe Vaterland befindet, da<lb/> der Landes- und Gewissensfreiheit, der theuern evangelischen Religion, das<lb/> Messer schon an die Kehle gesetzt ist", über die „Wienerischen Kunstgriffe, die<lb/> Puls- und Triebfeder an dem Werke sind", über die „Gefahr und den nahen<lb/> Umsturz unserer Verfassungen, Gesetze, Verträge, Religion, Freiheiten und<lb/> Gerechtsame".</p><lb/> <p xml:id="ID_287" next="#ID_288"> Diese Klagen, die zunächst an die Landschaft gerichtet waren, verhallten<lb/> freilich ohne Erfolg, wie auch jene Meutereien mit blutiger Strenge unter-<lb/> drückt wurden und nicht verhinderten, daß württembergische Truppen im Solde<lb/> Frankreichs .gegen den Staat Friedrichs des Großen auf böhmischen und<lb/> schleichen Schlachtfeldern, allerdings ruhen- und erfolglos, kämpften. Noch<lb/> in demselben Jahr nahmen die Württemberger Theil an der Belagerung von<lb/> Schweidnitz und im December an der Schlacht bei Leuthen, welche dem Kriege<lb/> wieder eine für Friedrich günstige Wendung gab. Es ist von Interesse, den<lb/> Bericht zu lesen, den der württembergische Generalfeldmarschalllieutenant von<lb/> Spiznas an den Herzog über diese verlorene Schlacht erstattete. Herr v. Spiz-<lb/> nas schreibt u. A.: „Ew. hochfstl. Durchl. muß hierdurch in dem allerblutig-<lb/> sten Chagrin berichten, daß abgewichenen Dienstag den 5. Dezbr. auf kais.<lb/> kön. Seite die Bataille verloren gegangen. Es mußte sich just ereignen, daß<lb/> des Königs von Preußen Majestät auf Ew. hochfstl. durchl. Truppen, welche<lb/> auf der Seite postirt standen, die allererste und rigoureuseste Attaque mach-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 14--</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0115]
Herzog und Volk immer mehr auseinander. Der Geheimerath freilich war
über den Vertrag der Meinung, er sei den Reichsgesetzen nicht zuwider, für
das Ansehen des Fürsten und eventuell für Zuwachs an Land könne er er¬
sprießlich sein, außerdem komme eine considerable Summe Geldes dadurch in
das Land. Bei einem Krieg stelle sich die Nützlichkeit noch um so mehr
heraus, als man doch nicht isolirt sei und von vornherein wisse, an wessen
Freundschaft man sich zu halten habe. Doch wurde in einer Zuschrift an
den Herzog auch nicht verschwiegen, daß das Zusammengehen mit Frankreich
von Vielen übel angesehen sei. Die Mannschaft selbst, von welcher zwei
Drittel gewaltsam ausgehoben waren, zeigte den schlimmsten Geist. Als sie
zu Stuttgart dem französischen Commissär zur Uebernahme vorgestellt werden
sollte, brach offene Meuterei aus. Die Leute liefen auseinander und durch¬
zogen truppweise die Straßen der Stadt und die Umgegend unter Unfug
aller Art. Es war von vielen Seiten her an ihnen geschürt worden. Gegen
alles Recht, hieß es, seien sie ihren Familien entrissen worden, und man
habe ihnen zugemuthet, gegen den Beschützer ihres Glaubens zu kämpfen.
Im Lande selbst waren Flugblätter der „Patrioten Württembergs" verbreitet,
welche die Erinnerung an die katholisirenden Projecte Karl Alexanders wie¬
der heraufbeschworen und in bitterster Weise Klage führten über die „gegen¬
wärtigen betrübten Umstände, darinnen sich das liebe Vaterland befindet, da
der Landes- und Gewissensfreiheit, der theuern evangelischen Religion, das
Messer schon an die Kehle gesetzt ist", über die „Wienerischen Kunstgriffe, die
Puls- und Triebfeder an dem Werke sind", über die „Gefahr und den nahen
Umsturz unserer Verfassungen, Gesetze, Verträge, Religion, Freiheiten und
Gerechtsame".
Diese Klagen, die zunächst an die Landschaft gerichtet waren, verhallten
freilich ohne Erfolg, wie auch jene Meutereien mit blutiger Strenge unter-
drückt wurden und nicht verhinderten, daß württembergische Truppen im Solde
Frankreichs .gegen den Staat Friedrichs des Großen auf böhmischen und
schleichen Schlachtfeldern, allerdings ruhen- und erfolglos, kämpften. Noch
in demselben Jahr nahmen die Württemberger Theil an der Belagerung von
Schweidnitz und im December an der Schlacht bei Leuthen, welche dem Kriege
wieder eine für Friedrich günstige Wendung gab. Es ist von Interesse, den
Bericht zu lesen, den der württembergische Generalfeldmarschalllieutenant von
Spiznas an den Herzog über diese verlorene Schlacht erstattete. Herr v. Spiz-
nas schreibt u. A.: „Ew. hochfstl. Durchl. muß hierdurch in dem allerblutig-
sten Chagrin berichten, daß abgewichenen Dienstag den 5. Dezbr. auf kais.
kön. Seite die Bataille verloren gegangen. Es mußte sich just ereignen, daß
des Königs von Preußen Majestät auf Ew. hochfstl. durchl. Truppen, welche
auf der Seite postirt standen, die allererste und rigoureuseste Attaque mach-
14--
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