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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band.

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lieutenant an den Herzog: "Ich kann in Wahrheit wohl sagen, daß ich nicht
geglaubt, auf dieser Welt mehr eine Feder anzusetzen und im Himmel oder
sonst, wo wir hinkommen, wird es auch nicht nöthig sein..... Vor mein
Theil wünschte gerne, aus diesem infamen Land herauszukommen, denn hier
gehet es wohl nach dem alten Sprichwort, Ehr und Redlichkeit hat hier ein
Ende; sonsten sagt man hier allerwärts wieder von einem neuen Krieg, der
sich in Polen wiederum ereignen soll. Der Teufel weiß, wo die Kriege alle
herkommen; jetzt hätte ich schon auf ein paar Jahre genug und überließe es
einem Anderen, den die Haut jucken that." Der Herzog hatte übrigens be¬
schlossen, die Capitulationszeit. die in diesem Jahre ablief, nicht wieder zu
erneuern, und der Abschied aus östreichischen Diensten wurde dem Regiment
sehr erleichtert durch die empörenden Manieren der östreichischen Bureau¬
kraten, die sich der jetzt überflüssig gewordenen Waare so rasch als möglich
und mit den unbilligsten Abzügen an den längst rückständigen Forderungen
zu entledigen suchten. Mehr als 2000 Todte hatte das Regiment theils aus
den Schlachtfeldern an der Donau und auf Sicilien, theils in den Fried¬
höfen der Spitäler zurückgelassen. Es war für ein so kleines und wenig be¬
völkertes Land, wie das Herzogthum Württemberg damals war. kein geringes
Opfer, vier Jahre hindurch zu einem einzigen Regiment -- während die
übrigen gleichfalls jährlich ergänzt werden mußten -- je ungefähr 800 Re¬
kruten zu stellen, die für die Arbeit im Lande weitaus zum größten Theil
verloren waren.

Der nächste große Krieg, an welchem württembergische Truppen, in frem¬
den Diensten Antheil nahmen, war der siebenjährige. Schon im Jahr 1752
hatte der Herzog Karl einen Subsidienvertrag mit Frankreich abgeschlossen,
welcher zur Auflage machte, daß für den Bedarfsfall 6000 Mann württem¬
bergischer Truppen der Krone Frankreichs zur Verfügung stehen sollten.
Vier Jahre lang bezog der Herzog die Gelder, um sie auf seine Privat¬
vergnügungen zu verwenden; erst im Anfang des Jahres 1757 trat an ihn
die Anforderung heran, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Da der Her¬
zog gleichzeitig sein Reichscontingent zu stellen hatte, war dem Lande die
furchtbarste Last auferlegt und nur durch Zwang und Gewaltthätigkeiten aller
Art war es möglich, die Regimenter zu füllen. Und zu diesen Bedrückungen,
welche durch die "triftigsten, beweglichsten und unterthänigsten Remonstrationes
der Landschaft" nicht abgewendet werden konnten, kam noch ein anderes.
Zwar nicht das nationale, aber das protestantische Bewußtsein regte sich leb¬
haft gegen den Subsidienvertrag mit Frankreich. Von der Stunde an, da
das protestantische Württemberg bestimmt war, an der Seite von Frankreich
und Oestreich gegen den Fürsten zu kämpfen, den man als den Vertreter
der evangelischen Interessen in Deutschland anzusehen gewohnt war. traten


lieutenant an den Herzog: „Ich kann in Wahrheit wohl sagen, daß ich nicht
geglaubt, auf dieser Welt mehr eine Feder anzusetzen und im Himmel oder
sonst, wo wir hinkommen, wird es auch nicht nöthig sein..... Vor mein
Theil wünschte gerne, aus diesem infamen Land herauszukommen, denn hier
gehet es wohl nach dem alten Sprichwort, Ehr und Redlichkeit hat hier ein
Ende; sonsten sagt man hier allerwärts wieder von einem neuen Krieg, der
sich in Polen wiederum ereignen soll. Der Teufel weiß, wo die Kriege alle
herkommen; jetzt hätte ich schon auf ein paar Jahre genug und überließe es
einem Anderen, den die Haut jucken that." Der Herzog hatte übrigens be¬
schlossen, die Capitulationszeit. die in diesem Jahre ablief, nicht wieder zu
erneuern, und der Abschied aus östreichischen Diensten wurde dem Regiment
sehr erleichtert durch die empörenden Manieren der östreichischen Bureau¬
kraten, die sich der jetzt überflüssig gewordenen Waare so rasch als möglich
und mit den unbilligsten Abzügen an den längst rückständigen Forderungen
zu entledigen suchten. Mehr als 2000 Todte hatte das Regiment theils aus
den Schlachtfeldern an der Donau und auf Sicilien, theils in den Fried¬
höfen der Spitäler zurückgelassen. Es war für ein so kleines und wenig be¬
völkertes Land, wie das Herzogthum Württemberg damals war. kein geringes
Opfer, vier Jahre hindurch zu einem einzigen Regiment — während die
übrigen gleichfalls jährlich ergänzt werden mußten — je ungefähr 800 Re¬
kruten zu stellen, die für die Arbeit im Lande weitaus zum größten Theil
verloren waren.

Der nächste große Krieg, an welchem württembergische Truppen, in frem¬
den Diensten Antheil nahmen, war der siebenjährige. Schon im Jahr 1752
hatte der Herzog Karl einen Subsidienvertrag mit Frankreich abgeschlossen,
welcher zur Auflage machte, daß für den Bedarfsfall 6000 Mann württem¬
bergischer Truppen der Krone Frankreichs zur Verfügung stehen sollten.
Vier Jahre lang bezog der Herzog die Gelder, um sie auf seine Privat¬
vergnügungen zu verwenden; erst im Anfang des Jahres 1757 trat an ihn
die Anforderung heran, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Da der Her¬
zog gleichzeitig sein Reichscontingent zu stellen hatte, war dem Lande die
furchtbarste Last auferlegt und nur durch Zwang und Gewaltthätigkeiten aller
Art war es möglich, die Regimenter zu füllen. Und zu diesen Bedrückungen,
welche durch die „triftigsten, beweglichsten und unterthänigsten Remonstrationes
der Landschaft" nicht abgewendet werden konnten, kam noch ein anderes.
Zwar nicht das nationale, aber das protestantische Bewußtsein regte sich leb¬
haft gegen den Subsidienvertrag mit Frankreich. Von der Stunde an, da
das protestantische Württemberg bestimmt war, an der Seite von Frankreich
und Oestreich gegen den Fürsten zu kämpfen, den man als den Vertreter
der evangelischen Interessen in Deutschland anzusehen gewohnt war. traten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120686/114>, abgerufen am 24.07.2024.