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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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und Schuhen, dann der Kissenträger, nach einigem Zwischenraum der erste
Wappenträger mit seinen 2 Adjutanten, alsdann der Colonnenanführer mit
2 General- und 24 Flügeladjutanten; erstere beide folgten ihm mit blanken
Degen, letztere gingen neben der Colonne, 12 auf jeder Seite in abgemessener
Weite, und hielten möglichst die Distanzen. Die zweite Colonne ging links,
die dritte einen andern Weg durch die Straßen, und die Musikchöre sollten
das Signal zu einer auf dem großen Markte bestimmten Parade geben --
dergestalt, daß die 2. und 3. Colonne einen großen Halbzirkel, der Stab
aber mit der 1. Colonne eine gerade Linie oder den Diameter vor dem
Hause des Commandanten Graf Vitzthum ausmachte. Der Zug ging lang¬
sam, feierlich; die Musik rührte das Herz; die hoch brennenden Fackeln, die
Alles beleuchteten und das Festliche und Glänzende hoben, machten großen
und erhebenden Eindruck auf die Studenten wie auf die Zuschauer, welche
aus allen Fenstern und Dächern herausblickten- In keinem Hause, wo der Zug
vorbeiging, war ein brennendes Licht und Alles wurde' nur durch unsere
Fackeln beleuchtet.

Wie oft geschieht, daß sich unter das Feierliche auch etwas Komisches
mengt, so ging es auch uns, da wir aus dem Markte den halben Bogen
formirter. Unser langer Redner, Herr Lischke, glitt an einem Stein aus
und fiel seiner ganzen Länge nach so auf die Erde, daß wir einen kleinen
Halt machen mußten, bis er sich wieder aufraffen konnte. "Wenn nur
die Rede nicht auf dem Glatteis geblieben ist" hieß es; aber da er wieder
wie ein Baum seinen Gipfel unter uns sehen ließ, ordneten wir uns aufs
Beste, -- Nun gingen die Herrn vom Stäbe, die Anführer und Generaladju¬
tanten, Alle in ihren Uniformen, von noch mehreren sich brav ausnehmenden
Studenten begleitet, zum Commandanten Graf Vitzthum. Im großen
hellen Saale befanden sich er, seine Familie, mehrere aus Dresden zu dieser
Feier erschienene Personen vom Range, einige Generäle, Obristen und meh¬
rere aufmerksame Damen, Die ersten Honneurs machte ich mit Herrn Mie
und dankte dem alten Grafen für Beihilfe und Antheil an unserer Ver¬
sammlung, denn unter ihm stand die Oberpolizei und das Militär. Ein
großer Tisch mit blinkenden Gläsern war in Bereitschaft; doch wurde nur aus
einigen Gläsern gekostet. Die erwähnten Herrn Militärs gaben vielen unserer
wohlgewachsener Musensöhne ihren lauten Beifall, und meinten, daß sie sich
zu fertigen Cavalerieofficieren qualificirten -- denn Alle hatten bei ihren
mit Gold oder Silber besetzten Collets große schwarz glänzende Stiefel mit
klirrenden silbernen Sporen und man konnte auf viele dieser feurigen und
jungen Ritter mit Wohlgefallen sehen. Von da ging der ganze Zug zum
ersten Bürgermeister, dem wir als dem zweiten in Rom unser Compliment
machten, das ihm auch vermöge seines Amtes und Einflusses gebührte.


und Schuhen, dann der Kissenträger, nach einigem Zwischenraum der erste
Wappenträger mit seinen 2 Adjutanten, alsdann der Colonnenanführer mit
2 General- und 24 Flügeladjutanten; erstere beide folgten ihm mit blanken
Degen, letztere gingen neben der Colonne, 12 auf jeder Seite in abgemessener
Weite, und hielten möglichst die Distanzen. Die zweite Colonne ging links,
die dritte einen andern Weg durch die Straßen, und die Musikchöre sollten
das Signal zu einer auf dem großen Markte bestimmten Parade geben —
dergestalt, daß die 2. und 3. Colonne einen großen Halbzirkel, der Stab
aber mit der 1. Colonne eine gerade Linie oder den Diameter vor dem
Hause des Commandanten Graf Vitzthum ausmachte. Der Zug ging lang¬
sam, feierlich; die Musik rührte das Herz; die hoch brennenden Fackeln, die
Alles beleuchteten und das Festliche und Glänzende hoben, machten großen
und erhebenden Eindruck auf die Studenten wie auf die Zuschauer, welche
aus allen Fenstern und Dächern herausblickten- In keinem Hause, wo der Zug
vorbeiging, war ein brennendes Licht und Alles wurde' nur durch unsere
Fackeln beleuchtet.

Wie oft geschieht, daß sich unter das Feierliche auch etwas Komisches
mengt, so ging es auch uns, da wir aus dem Markte den halben Bogen
formirter. Unser langer Redner, Herr Lischke, glitt an einem Stein aus
und fiel seiner ganzen Länge nach so auf die Erde, daß wir einen kleinen
Halt machen mußten, bis er sich wieder aufraffen konnte. „Wenn nur
die Rede nicht auf dem Glatteis geblieben ist" hieß es; aber da er wieder
wie ein Baum seinen Gipfel unter uns sehen ließ, ordneten wir uns aufs
Beste, — Nun gingen die Herrn vom Stäbe, die Anführer und Generaladju¬
tanten, Alle in ihren Uniformen, von noch mehreren sich brav ausnehmenden
Studenten begleitet, zum Commandanten Graf Vitzthum. Im großen
hellen Saale befanden sich er, seine Familie, mehrere aus Dresden zu dieser
Feier erschienene Personen vom Range, einige Generäle, Obristen und meh¬
rere aufmerksame Damen, Die ersten Honneurs machte ich mit Herrn Mie
und dankte dem alten Grafen für Beihilfe und Antheil an unserer Ver¬
sammlung, denn unter ihm stand die Oberpolizei und das Militär. Ein
großer Tisch mit blinkenden Gläsern war in Bereitschaft; doch wurde nur aus
einigen Gläsern gekostet. Die erwähnten Herrn Militärs gaben vielen unserer
wohlgewachsener Musensöhne ihren lauten Beifall, und meinten, daß sie sich
zu fertigen Cavalerieofficieren qualificirten — denn Alle hatten bei ihren
mit Gold oder Silber besetzten Collets große schwarz glänzende Stiefel mit
klirrenden silbernen Sporen und man konnte auf viele dieser feurigen und
jungen Ritter mit Wohlgefallen sehen. Von da ging der ganze Zug zum
ersten Bürgermeister, dem wir als dem zweiten in Rom unser Compliment
machten, das ihm auch vermöge seines Amtes und Einflusses gebührte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/69>, abgerufen am 28.09.2024.