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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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las ich mit lauter Stimme vor, und feuerte an. einen Beweis abzulegen,
daß wir einen ganz anderen Aufzug im Werke hätten, als ein Vivatrusen
mit Schreien und Lärmen. Ich legte Einiges von unserm Plan vor und
bat mir Gehör zum "Vortrage eines neuen Unternehmens wider dieses
Mandat von ihnen aus. ?lat (es geschehe) hieß es, und nun schlug
ich vor: "Da unsere Akademie ursprünglich eine Ritterakademie sei") und
von so vielen Ausländern besucht würde, möge man zwei Deputirte wählen,
welche sich mit einer Supplique gerade an den Kurfürsten selbst wendeten,
und um die Bewilligung des feierlichen Auszugs, zu welchem der Friedrichs¬
tag gewählt sei, bitten sollten. Auf diese Weise hätten wir ein Mandat
zu vereiteln, welches ich so nachtheilig sür unsere Ehre hielte, daß ich lieber
die Universität verlassen als nachgeben würde; ich glaubte, daß die Regie¬
rung Deputirte einer Universität nicht gleichgiltig zurückweisen könne."
Kaum war dieses ausgesprochen, so erscholl der vieltönige Ruf: Mvat Rosen,
unser Gesandter nach Dresden! -- Ich nahm dies ohne alle Umschweife an.
und bat mir Herrn Mie als Compagnon aus, welches gleichfalls bewilligt
wurde.

Mein Antrag war ehrenvoll genehmigt, an die Kosten war nicht gedacht
worden. Aber ein Baron Bielseld. Sohn des ehemaligen preußischen Ge¬
sandten, ein Mann von mehr als 30 Jahren, stellte sich mit einem andern
seiner Kameraden vor den Ausgang des schwarzen Bretes und sagte laut:
"Es ist nicht billig, daß unsere Deputirte auf ihre Kosten reisen", nahm
seinen Hut vor sich und warf einen Louisd'or hinein; wer etwas bei sich
hatte warf auch hinein zu Gulden- und Groschenstücken, und Herr v. Biel¬
seld überreichte uns seinen Hut. in welchem über 60 Thlr. sich befanden.
Diese übergab ich Herrn Mie. Nun war die Rede davon,, wie wir als Ge¬
sandte unsere ÄllÄii-es machen sollten. Wir fielen darauf, daß unser Creditiv
in einer Supplique an den Kurfürsten, von allen Ausländern unter¬
schrieben, bestehen solle.

Dieser Erfolg erregte große Sensation in Leipzig und Platner wunderte
sich, wie ich am schwarzen Brete 1000 Studenten zusammenbringen könne,
da er selten mehr als hundert auf seine Einladung erscheinen sehe. Ueberall
wünschte man mir Glück, doch zweifelte man sehr, daß wir durchdringen
würden, und Clodius sagte : "Hören Sie Rosen! Sie haben viel unternommen
und einen schweren Stand in Dresden." "Es kann mir nur in einer guten
Sache mißlingen" sagte ich, "und dann ist Rosen und viele gute Männer
nicht mehr in Leipzig!" Ich schlug vor wegen Abfassung der SuppKque



') Rosen stellt fich als Edelmann die "Nationen" der mittelalterlichen Universität wie Ge-
nossenschaften vor. welche die Rechte adliger Corporattonen seiner Zeit, also auch das Vorrecht
eines directen Zutritts und persönlichen Verkehrs mit dem Landesherrn haben.

las ich mit lauter Stimme vor, und feuerte an. einen Beweis abzulegen,
daß wir einen ganz anderen Aufzug im Werke hätten, als ein Vivatrusen
mit Schreien und Lärmen. Ich legte Einiges von unserm Plan vor und
bat mir Gehör zum «Vortrage eines neuen Unternehmens wider dieses
Mandat von ihnen aus. ?lat (es geschehe) hieß es, und nun schlug
ich vor: „Da unsere Akademie ursprünglich eine Ritterakademie sei") und
von so vielen Ausländern besucht würde, möge man zwei Deputirte wählen,
welche sich mit einer Supplique gerade an den Kurfürsten selbst wendeten,
und um die Bewilligung des feierlichen Auszugs, zu welchem der Friedrichs¬
tag gewählt sei, bitten sollten. Auf diese Weise hätten wir ein Mandat
zu vereiteln, welches ich so nachtheilig sür unsere Ehre hielte, daß ich lieber
die Universität verlassen als nachgeben würde; ich glaubte, daß die Regie¬
rung Deputirte einer Universität nicht gleichgiltig zurückweisen könne."
Kaum war dieses ausgesprochen, so erscholl der vieltönige Ruf: Mvat Rosen,
unser Gesandter nach Dresden! — Ich nahm dies ohne alle Umschweife an.
und bat mir Herrn Mie als Compagnon aus, welches gleichfalls bewilligt
wurde.

Mein Antrag war ehrenvoll genehmigt, an die Kosten war nicht gedacht
worden. Aber ein Baron Bielseld. Sohn des ehemaligen preußischen Ge¬
sandten, ein Mann von mehr als 30 Jahren, stellte sich mit einem andern
seiner Kameraden vor den Ausgang des schwarzen Bretes und sagte laut:
»Es ist nicht billig, daß unsere Deputirte auf ihre Kosten reisen", nahm
seinen Hut vor sich und warf einen Louisd'or hinein; wer etwas bei sich
hatte warf auch hinein zu Gulden- und Groschenstücken, und Herr v. Biel¬
seld überreichte uns seinen Hut. in welchem über 60 Thlr. sich befanden.
Diese übergab ich Herrn Mie. Nun war die Rede davon,, wie wir als Ge¬
sandte unsere ÄllÄii-es machen sollten. Wir fielen darauf, daß unser Creditiv
in einer Supplique an den Kurfürsten, von allen Ausländern unter¬
schrieben, bestehen solle.

Dieser Erfolg erregte große Sensation in Leipzig und Platner wunderte
sich, wie ich am schwarzen Brete 1000 Studenten zusammenbringen könne,
da er selten mehr als hundert auf seine Einladung erscheinen sehe. Ueberall
wünschte man mir Glück, doch zweifelte man sehr, daß wir durchdringen
würden, und Clodius sagte : „Hören Sie Rosen! Sie haben viel unternommen
und einen schweren Stand in Dresden." „Es kann mir nur in einer guten
Sache mißlingen" sagte ich, „und dann ist Rosen und viele gute Männer
nicht mehr in Leipzig!" Ich schlug vor wegen Abfassung der SuppKque



') Rosen stellt fich als Edelmann die „Nationen" der mittelalterlichen Universität wie Ge-
nossenschaften vor. welche die Rechte adliger Corporattonen seiner Zeit, also auch das Vorrecht
eines directen Zutritts und persönlichen Verkehrs mit dem Landesherrn haben.
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[0063] las ich mit lauter Stimme vor, und feuerte an. einen Beweis abzulegen, daß wir einen ganz anderen Aufzug im Werke hätten, als ein Vivatrusen mit Schreien und Lärmen. Ich legte Einiges von unserm Plan vor und bat mir Gehör zum «Vortrage eines neuen Unternehmens wider dieses Mandat von ihnen aus. ?lat (es geschehe) hieß es, und nun schlug ich vor: „Da unsere Akademie ursprünglich eine Ritterakademie sei") und von so vielen Ausländern besucht würde, möge man zwei Deputirte wählen, welche sich mit einer Supplique gerade an den Kurfürsten selbst wendeten, und um die Bewilligung des feierlichen Auszugs, zu welchem der Friedrichs¬ tag gewählt sei, bitten sollten. Auf diese Weise hätten wir ein Mandat zu vereiteln, welches ich so nachtheilig sür unsere Ehre hielte, daß ich lieber die Universität verlassen als nachgeben würde; ich glaubte, daß die Regie¬ rung Deputirte einer Universität nicht gleichgiltig zurückweisen könne." Kaum war dieses ausgesprochen, so erscholl der vieltönige Ruf: Mvat Rosen, unser Gesandter nach Dresden! — Ich nahm dies ohne alle Umschweife an. und bat mir Herrn Mie als Compagnon aus, welches gleichfalls bewilligt wurde. Mein Antrag war ehrenvoll genehmigt, an die Kosten war nicht gedacht worden. Aber ein Baron Bielseld. Sohn des ehemaligen preußischen Ge¬ sandten, ein Mann von mehr als 30 Jahren, stellte sich mit einem andern seiner Kameraden vor den Ausgang des schwarzen Bretes und sagte laut: »Es ist nicht billig, daß unsere Deputirte auf ihre Kosten reisen", nahm seinen Hut vor sich und warf einen Louisd'or hinein; wer etwas bei sich hatte warf auch hinein zu Gulden- und Groschenstücken, und Herr v. Biel¬ seld überreichte uns seinen Hut. in welchem über 60 Thlr. sich befanden. Diese übergab ich Herrn Mie. Nun war die Rede davon,, wie wir als Ge¬ sandte unsere ÄllÄii-es machen sollten. Wir fielen darauf, daß unser Creditiv in einer Supplique an den Kurfürsten, von allen Ausländern unter¬ schrieben, bestehen solle. Dieser Erfolg erregte große Sensation in Leipzig und Platner wunderte sich, wie ich am schwarzen Brete 1000 Studenten zusammenbringen könne, da er selten mehr als hundert auf seine Einladung erscheinen sehe. Ueberall wünschte man mir Glück, doch zweifelte man sehr, daß wir durchdringen würden, und Clodius sagte : „Hören Sie Rosen! Sie haben viel unternommen und einen schweren Stand in Dresden." „Es kann mir nur in einer guten Sache mißlingen" sagte ich, „und dann ist Rosen und viele gute Männer nicht mehr in Leipzig!" Ich schlug vor wegen Abfassung der SuppKque ') Rosen stellt fich als Edelmann die „Nationen" der mittelalterlichen Universität wie Ge- nossenschaften vor. welche die Rechte adliger Corporattonen seiner Zeit, also auch das Vorrecht eines directen Zutritts und persönlichen Verkehrs mit dem Landesherrn haben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/63>, abgerufen am 28.09.2024.