Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Procession zugetragen und durch den Redner noch "mit starker Prosa unter¬
stützt werden sollte.

So war Alles einmüthig verabredet worden, als Mißgunst und Neid
sich in unsere Absichten mischten und mit einer gewissen Schadenfreude Alles zu
vereiteln drohten. Ein anderer Professor gönnte dem alten Burscher die
Ehre nicht; anonyme Briefe wurden mir durch das offene Fenster geworfen,
in welchen man mich durch die Drohung abzuschrecken suchte, daß man die
Freude des Aufzuges öffentlich verderben würde -- ich ließ mich nicht stören.
Nun aber wurde von der andern Seite nach Dresden gemeldet, daß die
Studenten ein großes Vivat im Werke hätten, wodurch Unordnungen zu be¬
fürchten ständen, und als ich eines Tages ruhig bei dem alten Sammt zuhörte,
brachte man mir Abschrift von einem aus Dresden ergangenen Rescript, in
welchem der beabsichtigte Aufzug, nach Art"itung früherer Mandate wegen
alles Vivatrufens, Schreiens und Lärmens, gänzlich untersagt wurde. Hoch
triumphirte die Gegenpartei -- ich ging nach Hause, nahm einen Bogen
Papier und berief darauf alle Musensöhne Leipzigs sich im schwarzen Brete,
Nachmittags um 3 Uhr, einzufinden. Dieses Gebäude, der Versammlungs¬
ort, in welchem die Professoren Reden hielten und die Studenten zusammen¬
beriefen, hatte daher den Namen, weil in der Halle die Publicationen und
Mandate an schwarzen Bretern angenagelt und dadurch zur Wissenschaft
gebracht wurden. Hier nagelte auch ich meine Aufforderung an, die etwas
kräftig abgefaßt war. Noch war ich zur bestimmten Stunde nicht dort an¬
gelangt, als ich die Studenten wie Ameisen von Weitem dort wimmeln sah
-- meine Brust schlug höher und mein Enthusiasmus wuchs mit dem sich
vermehrenden Haufen -- mein erstes Wort war lauter Dank für ihr Erschei¬
nen und das Gehör, welches sie meiner Einladung gegeben. Nun bestieg ich
das Katheder, umgelfen von tausend Studenten (so hoch berechnete man den
angefüllten Raum); ohne mich zur Rede vorbereitet zu haben, stellte ich die
gemeinsame Absicht warm vor, holte die anonymen Briefe heraus, provocirte
deren Versasser. daß sie. wenn sie brave und redliche Burschen wären, sich
nunmehr zeigen sollten, indem eine solche versteckte Weise, durch eingeworfene
Briefe ohne Namen, eine niederträchtige Verfahrungsart wäre. -- Natürlich
meldete sich Niemand, ich bat aber jetzt die Anwesenden um ihr Urtheil, und
es erscholl ein Pereat so gewaltig und erschütternd, daß unsern Gegnern
hierbei nicht gar wohl, mir aber so glorreich zu Muthe ward, als der Donner
der Kanonen dem durch die eroberte Festung ziehenden Sieger ist; darauf
rechtfertigte ich die wohlgemeinte Absicht, dem wohlthätigen und ehrwürdigen
or. Burscher ein glänzendes Opfer des Dankes und der Ehrfurcht zu brin¬
gen, und rügte es derb, daß die Cabale und der Neid so weit gegangen
wäre, daß man ein Mandat gegen uns bewirkt habe. -- Dieses Mandat


Procession zugetragen und durch den Redner noch "mit starker Prosa unter¬
stützt werden sollte.

So war Alles einmüthig verabredet worden, als Mißgunst und Neid
sich in unsere Absichten mischten und mit einer gewissen Schadenfreude Alles zu
vereiteln drohten. Ein anderer Professor gönnte dem alten Burscher die
Ehre nicht; anonyme Briefe wurden mir durch das offene Fenster geworfen,
in welchen man mich durch die Drohung abzuschrecken suchte, daß man die
Freude des Aufzuges öffentlich verderben würde — ich ließ mich nicht stören.
Nun aber wurde von der andern Seite nach Dresden gemeldet, daß die
Studenten ein großes Vivat im Werke hätten, wodurch Unordnungen zu be¬
fürchten ständen, und als ich eines Tages ruhig bei dem alten Sammt zuhörte,
brachte man mir Abschrift von einem aus Dresden ergangenen Rescript, in
welchem der beabsichtigte Aufzug, nach Art»itung früherer Mandate wegen
alles Vivatrufens, Schreiens und Lärmens, gänzlich untersagt wurde. Hoch
triumphirte die Gegenpartei — ich ging nach Hause, nahm einen Bogen
Papier und berief darauf alle Musensöhne Leipzigs sich im schwarzen Brete,
Nachmittags um 3 Uhr, einzufinden. Dieses Gebäude, der Versammlungs¬
ort, in welchem die Professoren Reden hielten und die Studenten zusammen¬
beriefen, hatte daher den Namen, weil in der Halle die Publicationen und
Mandate an schwarzen Bretern angenagelt und dadurch zur Wissenschaft
gebracht wurden. Hier nagelte auch ich meine Aufforderung an, die etwas
kräftig abgefaßt war. Noch war ich zur bestimmten Stunde nicht dort an¬
gelangt, als ich die Studenten wie Ameisen von Weitem dort wimmeln sah
— meine Brust schlug höher und mein Enthusiasmus wuchs mit dem sich
vermehrenden Haufen — mein erstes Wort war lauter Dank für ihr Erschei¬
nen und das Gehör, welches sie meiner Einladung gegeben. Nun bestieg ich
das Katheder, umgelfen von tausend Studenten (so hoch berechnete man den
angefüllten Raum); ohne mich zur Rede vorbereitet zu haben, stellte ich die
gemeinsame Absicht warm vor, holte die anonymen Briefe heraus, provocirte
deren Versasser. daß sie. wenn sie brave und redliche Burschen wären, sich
nunmehr zeigen sollten, indem eine solche versteckte Weise, durch eingeworfene
Briefe ohne Namen, eine niederträchtige Verfahrungsart wäre. — Natürlich
meldete sich Niemand, ich bat aber jetzt die Anwesenden um ihr Urtheil, und
es erscholl ein Pereat so gewaltig und erschütternd, daß unsern Gegnern
hierbei nicht gar wohl, mir aber so glorreich zu Muthe ward, als der Donner
der Kanonen dem durch die eroberte Festung ziehenden Sieger ist; darauf
rechtfertigte ich die wohlgemeinte Absicht, dem wohlthätigen und ehrwürdigen
or. Burscher ein glänzendes Opfer des Dankes und der Ehrfurcht zu brin¬
gen, und rügte es derb, daß die Cabale und der Neid so weit gegangen
wäre, daß man ein Mandat gegen uns bewirkt habe. — Dieses Mandat


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120251"/>
          <p xml:id="ID_168" prev="#ID_167"> Procession zugetragen und durch den Redner noch "mit starker Prosa unter¬<lb/>
stützt werden sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_169" next="#ID_170"> So war Alles einmüthig verabredet worden, als Mißgunst und Neid<lb/>
sich in unsere Absichten mischten und mit einer gewissen Schadenfreude Alles zu<lb/>
vereiteln drohten.  Ein anderer Professor gönnte dem alten Burscher die<lb/>
Ehre nicht; anonyme Briefe wurden mir durch das offene Fenster geworfen,<lb/>
in welchen man mich durch die Drohung abzuschrecken suchte, daß man die<lb/>
Freude des Aufzuges öffentlich verderben würde &#x2014; ich ließ mich nicht stören.<lb/>
Nun aber wurde von der andern Seite nach Dresden gemeldet, daß die<lb/>
Studenten ein großes Vivat im Werke hätten, wodurch Unordnungen zu be¬<lb/>
fürchten ständen, und als ich eines Tages ruhig bei dem alten Sammt zuhörte,<lb/>
brachte man mir Abschrift von einem aus Dresden ergangenen Rescript, in<lb/>
welchem der beabsichtigte Aufzug, nach Art»itung früherer Mandate wegen<lb/>
alles Vivatrufens, Schreiens und Lärmens, gänzlich untersagt wurde. Hoch<lb/>
triumphirte die Gegenpartei &#x2014; ich ging nach Hause, nahm einen Bogen<lb/>
Papier und berief darauf alle Musensöhne Leipzigs sich im schwarzen Brete,<lb/>
Nachmittags um 3 Uhr, einzufinden.  Dieses Gebäude, der Versammlungs¬<lb/>
ort, in welchem die Professoren Reden hielten und die Studenten zusammen¬<lb/>
beriefen, hatte daher den Namen, weil in der Halle die Publicationen und<lb/>
Mandate an schwarzen Bretern angenagelt und dadurch zur Wissenschaft<lb/>
gebracht wurden. Hier nagelte auch ich meine Aufforderung an, die etwas<lb/>
kräftig abgefaßt war.  Noch war ich zur bestimmten Stunde nicht dort an¬<lb/>
gelangt, als ich die Studenten wie Ameisen von Weitem dort wimmeln sah<lb/>
&#x2014; meine Brust schlug höher und mein Enthusiasmus wuchs mit dem sich<lb/>
vermehrenden Haufen &#x2014; mein erstes Wort war lauter Dank für ihr Erschei¬<lb/>
nen und das Gehör, welches sie meiner Einladung gegeben. Nun bestieg ich<lb/>
das Katheder, umgelfen von tausend Studenten (so hoch berechnete man den<lb/>
angefüllten Raum); ohne mich zur Rede vorbereitet zu haben, stellte ich die<lb/>
gemeinsame Absicht warm vor, holte die anonymen Briefe heraus, provocirte<lb/>
deren Versasser. daß sie. wenn sie brave und redliche Burschen wären, sich<lb/>
nunmehr zeigen sollten, indem eine solche versteckte Weise, durch eingeworfene<lb/>
Briefe ohne Namen, eine niederträchtige Verfahrungsart wäre. &#x2014; Natürlich<lb/>
meldete sich Niemand, ich bat aber jetzt die Anwesenden um ihr Urtheil, und<lb/>
es erscholl ein Pereat so gewaltig und erschütternd, daß unsern Gegnern<lb/>
hierbei nicht gar wohl, mir aber so glorreich zu Muthe ward, als der Donner<lb/>
der Kanonen dem durch die eroberte Festung ziehenden Sieger ist; darauf<lb/>
rechtfertigte ich die wohlgemeinte Absicht, dem wohlthätigen und ehrwürdigen<lb/>
or. Burscher ein glänzendes Opfer des Dankes und der Ehrfurcht zu brin¬<lb/>
gen, und rügte es derb, daß die Cabale und der Neid so weit gegangen<lb/>
wäre, daß man ein Mandat gegen uns bewirkt habe. &#x2014; Dieses Mandat</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] Procession zugetragen und durch den Redner noch "mit starker Prosa unter¬ stützt werden sollte. So war Alles einmüthig verabredet worden, als Mißgunst und Neid sich in unsere Absichten mischten und mit einer gewissen Schadenfreude Alles zu vereiteln drohten. Ein anderer Professor gönnte dem alten Burscher die Ehre nicht; anonyme Briefe wurden mir durch das offene Fenster geworfen, in welchen man mich durch die Drohung abzuschrecken suchte, daß man die Freude des Aufzuges öffentlich verderben würde — ich ließ mich nicht stören. Nun aber wurde von der andern Seite nach Dresden gemeldet, daß die Studenten ein großes Vivat im Werke hätten, wodurch Unordnungen zu be¬ fürchten ständen, und als ich eines Tages ruhig bei dem alten Sammt zuhörte, brachte man mir Abschrift von einem aus Dresden ergangenen Rescript, in welchem der beabsichtigte Aufzug, nach Art»itung früherer Mandate wegen alles Vivatrufens, Schreiens und Lärmens, gänzlich untersagt wurde. Hoch triumphirte die Gegenpartei — ich ging nach Hause, nahm einen Bogen Papier und berief darauf alle Musensöhne Leipzigs sich im schwarzen Brete, Nachmittags um 3 Uhr, einzufinden. Dieses Gebäude, der Versammlungs¬ ort, in welchem die Professoren Reden hielten und die Studenten zusammen¬ beriefen, hatte daher den Namen, weil in der Halle die Publicationen und Mandate an schwarzen Bretern angenagelt und dadurch zur Wissenschaft gebracht wurden. Hier nagelte auch ich meine Aufforderung an, die etwas kräftig abgefaßt war. Noch war ich zur bestimmten Stunde nicht dort an¬ gelangt, als ich die Studenten wie Ameisen von Weitem dort wimmeln sah — meine Brust schlug höher und mein Enthusiasmus wuchs mit dem sich vermehrenden Haufen — mein erstes Wort war lauter Dank für ihr Erschei¬ nen und das Gehör, welches sie meiner Einladung gegeben. Nun bestieg ich das Katheder, umgelfen von tausend Studenten (so hoch berechnete man den angefüllten Raum); ohne mich zur Rede vorbereitet zu haben, stellte ich die gemeinsame Absicht warm vor, holte die anonymen Briefe heraus, provocirte deren Versasser. daß sie. wenn sie brave und redliche Burschen wären, sich nunmehr zeigen sollten, indem eine solche versteckte Weise, durch eingeworfene Briefe ohne Namen, eine niederträchtige Verfahrungsart wäre. — Natürlich meldete sich Niemand, ich bat aber jetzt die Anwesenden um ihr Urtheil, und es erscholl ein Pereat so gewaltig und erschütternd, daß unsern Gegnern hierbei nicht gar wohl, mir aber so glorreich zu Muthe ward, als der Donner der Kanonen dem durch die eroberte Festung ziehenden Sieger ist; darauf rechtfertigte ich die wohlgemeinte Absicht, dem wohlthätigen und ehrwürdigen or. Burscher ein glänzendes Opfer des Dankes und der Ehrfurcht zu brin¬ gen, und rügte es derb, daß die Cabale und der Neid so weit gegangen wäre, daß man ein Mandat gegen uns bewirkt habe. — Dieses Mandat

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/62
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/62>, abgerufen am 28.09.2024.