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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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unsern I)r. Seeger zu befragen und ging mit den Herren, die zuerst meine
Wahl bewirkt hatten, zu Dr. Seeger. Er nahm uns freundlich und mit
einer Tasse Chocolade auf und sagte: "Sie thun am Besten, meine Herren,
wenn sie ihre Supplique selbst anfertigen, denn weder ich noch irgend
ein in sächsischem Amte Stehender wird sich in eine solche Sache mengen."
Wir gingen davon -- unterwegs sagte ich: Seeger hat Recht, ich setze die
Supplique auf und damit Holla! In meinem Zimmer nahm ich den Ka¬
lender zur Hand, fand den Friedrichstag sehr passend, da er als Namensfest
des Kurfürsten feierlich ward und uns zu unsern Borbereitungen noch meh¬
rere Wochen Zeit ließ.

Der Supplique. die nur zwei halbe Seiten einnahm, wurden nach Art
der englischen noch andere Bogen angereiht, und zu gewissen Stunden
wurden in einer Restauration die Unterschriften eingesammelt -- dazu fanden
sich wohlweislich lauter Ausländer ein -- meine Wenigkeit voran, dann
mehrere Landsleute, Polen, Ungarn, Schweizer, Franzosen, auch ein lustiger
Kopf, der zu einem wirklichen Namen noch einen selbstgemachten italienischen
oder englischen hinzufügte und also recht viele und entfernte Länder und
Städte lesen ließ.

Ich setzte mit Herrn Mie einen Tag zu unserer Abreise nach Dresden
fest und machte es mit unsern Landsleuten ab, daß wir ihnen den Erfolg
derselben melden sollten. Im Falle eines Mißlingens kämen wir nicht
zurück, aber wenn es gut ginge, sollten sie uns, zum Aerger der Neider,
mit 12 blasenden Postillonen vor dem Thore empfangen. Nun reisten wir
beide mit Extrapost nach Dresden, logirten in einem anständigen Hotel und
ließen uns als Deputirte Nichts abgehen. Den andern Morgen wurden die
Visiten bei allen Ministern abgelegt und zugleich die Absicht unserer Sendung
eröffnet. Diese Herrn, nämlich Graf Marcolini, Baron Gutschmidt, Ber-
lepsch :c. empfingen uns sehr artig, allein von unserer Ankunft prävenirt,
hieß es wie verabredet: gegen das ergangene kurfürstliche Mandat könne der
Aufzug nicht gestattet werden. -- Keine Einwendung half und man über¬
ließ es uns zu bedenken, ob der Landesherr seinen einmal gegebenen Befehl
widerrufen könne. Ich bat die artigen aber gestrengen Herrn Minister mit
einer ernsten schmerzhaften Miene, noch einmal erscheinen und dann Ab¬
schied nehmen zu dürfen. Als wir nach Hause kamen und die Köpfe schüttel¬
ten, sagte ich meinem Gefährten: nun müssen wir andere Saiten aufziehn
und unsere eingereichte Suppliqne wichtiger machen. Den andern Morgen
fuhren wir zu dem Herrn Premierminister und zu Berlepsch und ich ver¬
sicherte im Namen aller Supplicanten, da sie, voll jugendlichem Enthusias¬
mus für diesen Aufzug, von ihrem Borhaben nicht abstehen könnten, so


unsern I)r. Seeger zu befragen und ging mit den Herren, die zuerst meine
Wahl bewirkt hatten, zu Dr. Seeger. Er nahm uns freundlich und mit
einer Tasse Chocolade auf und sagte: „Sie thun am Besten, meine Herren,
wenn sie ihre Supplique selbst anfertigen, denn weder ich noch irgend
ein in sächsischem Amte Stehender wird sich in eine solche Sache mengen."
Wir gingen davon — unterwegs sagte ich: Seeger hat Recht, ich setze die
Supplique auf und damit Holla! In meinem Zimmer nahm ich den Ka¬
lender zur Hand, fand den Friedrichstag sehr passend, da er als Namensfest
des Kurfürsten feierlich ward und uns zu unsern Borbereitungen noch meh¬
rere Wochen Zeit ließ.

Der Supplique. die nur zwei halbe Seiten einnahm, wurden nach Art
der englischen noch andere Bogen angereiht, und zu gewissen Stunden
wurden in einer Restauration die Unterschriften eingesammelt — dazu fanden
sich wohlweislich lauter Ausländer ein — meine Wenigkeit voran, dann
mehrere Landsleute, Polen, Ungarn, Schweizer, Franzosen, auch ein lustiger
Kopf, der zu einem wirklichen Namen noch einen selbstgemachten italienischen
oder englischen hinzufügte und also recht viele und entfernte Länder und
Städte lesen ließ.

Ich setzte mit Herrn Mie einen Tag zu unserer Abreise nach Dresden
fest und machte es mit unsern Landsleuten ab, daß wir ihnen den Erfolg
derselben melden sollten. Im Falle eines Mißlingens kämen wir nicht
zurück, aber wenn es gut ginge, sollten sie uns, zum Aerger der Neider,
mit 12 blasenden Postillonen vor dem Thore empfangen. Nun reisten wir
beide mit Extrapost nach Dresden, logirten in einem anständigen Hotel und
ließen uns als Deputirte Nichts abgehen. Den andern Morgen wurden die
Visiten bei allen Ministern abgelegt und zugleich die Absicht unserer Sendung
eröffnet. Diese Herrn, nämlich Graf Marcolini, Baron Gutschmidt, Ber-
lepsch :c. empfingen uns sehr artig, allein von unserer Ankunft prävenirt,
hieß es wie verabredet: gegen das ergangene kurfürstliche Mandat könne der
Aufzug nicht gestattet werden. — Keine Einwendung half und man über¬
ließ es uns zu bedenken, ob der Landesherr seinen einmal gegebenen Befehl
widerrufen könne. Ich bat die artigen aber gestrengen Herrn Minister mit
einer ernsten schmerzhaften Miene, noch einmal erscheinen und dann Ab¬
schied nehmen zu dürfen. Als wir nach Hause kamen und die Köpfe schüttel¬
ten, sagte ich meinem Gefährten: nun müssen wir andere Saiten aufziehn
und unsere eingereichte Suppliqne wichtiger machen. Den andern Morgen
fuhren wir zu dem Herrn Premierminister und zu Berlepsch und ich ver¬
sicherte im Namen aller Supplicanten, da sie, voll jugendlichem Enthusias¬
mus für diesen Aufzug, von ihrem Borhaben nicht abstehen könnten, so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/64>, abgerufen am 28.09.2024.