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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Bis zum 1. Februar 1868 waren für das am 31. März schließende Vereins¬
jahr in Bremen angemeldet 17,329 Mitglieder mit 18,417 Thlr. Beiträgen,
wonach die Gesammtziffer der Mitglieder für 1868--1869 auf nicht weniger
als 20,000 veranschlagt werden kann. Die Zahl hätte sich also im Laufe
eines Jahres abermals um ein volles Drittel gehoben. An einmaligen Gaben
waren während derselben Frist bis Mitte März direkt in die Centralkasse
4154 Thlr. geflossen. Theils mit einmaligen, theils mit jährlichen Gaben
hatten sich die Handelskammern zu Rostock, Lübeck, Bochum, Gera, Augs¬
burg, Bocholt und Gießen betheiligt, ebenso die Freimaurerlogen in Berlin,
Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Oppenheim und Worms.

Von den älteren Bezirksvereinen entwickelten während des letzten Jahres
eine hervorragende Thätigkeit die zu Karlsruhe, Köln, Elberfeld - Barmer,
Magdeburg, Kiel und Wilster. Neu traten der Gesellschaft bei die Orte
Crefeld, Emden und Stralsund -- letztere beide früher schon bestehend als
selbständige Rettungsvereine; während zu Berlin, Hannover, Altona, Mar¬
burg und Dessau Bezirksvereine in der Bildung begriffen sind. In Berlin,
dessen Boden lange sür den Samen dieser humanen Propaganda starr zu sein
schien, hat ein Vortrag in der Singakademie, den der um das Rettungs¬
wesen verdiente Corvettenkapitän Werner in Gegenwart der Majestäten ge¬
halten hat, das Terrain hoffentlich hinreichend aufgelockert. Neue Vertreter¬
schaften, d. h. Geldsammlungen, Mitgliederverbände und Flugblätter ver¬
breitende Agenturen ohne förmliche Vereinsorganisation sind in M. Gladbach,
Rheydt, Grevenbroich, Rudolstadt, Aetzen, Einbeck und Meinberg (Lippe-
Detmold) gewonnen worden.

Der Anschluß Enden's und Stralsund's, ersterer schon im Sommer auf
der Jahresversammlung der Gesellschaft zu Rostock erfolgt, letzterer im Spät¬
herbst, hat besondere Bedeutung. Als die deutsche Rettungsgesellschaft auf
einer Versammlung von Abgeordneten der bereits bestehenden örtlichen Ver¬
eine und von sonstigen Freunden der Sache gegründet wurde, konnten die
Vereine zu Emden (für ganz Ostfriesland), Hamburg und Stralsund sich
nicht entschließen, ihre Sonderstellung und Unabhängigkeit der nationalen
Einheit zu opfern. Auch als ihre Gründe und Vorwände gegen die ihnen
angesonnene Unterordnung durch die Praxis entkräftet wurden, zögerten sie
noch; sie wollten natürlich nicht gern bekennen, sich geirrt zu haben, ihren
Partikularismus lieber nicht eingestehen. Am Entschuldbarsten war die
Sonderbündelei bei dem ostfriesischen Verein, der der älteste, thätigste und er¬
folgreichste von allen gewesen war, wenigstens bis zu der politischen Kata¬
strophe von 1866, insofern der König Georg von Hannover ihn direkt und
indirekt begünstigte, was natürlich bei dem Eintritt in einen nationalen Or¬
ganismus auf der Stelle ein Ende genommen hätte. Aber auch nach der


Bis zum 1. Februar 1868 waren für das am 31. März schließende Vereins¬
jahr in Bremen angemeldet 17,329 Mitglieder mit 18,417 Thlr. Beiträgen,
wonach die Gesammtziffer der Mitglieder für 1868—1869 auf nicht weniger
als 20,000 veranschlagt werden kann. Die Zahl hätte sich also im Laufe
eines Jahres abermals um ein volles Drittel gehoben. An einmaligen Gaben
waren während derselben Frist bis Mitte März direkt in die Centralkasse
4154 Thlr. geflossen. Theils mit einmaligen, theils mit jährlichen Gaben
hatten sich die Handelskammern zu Rostock, Lübeck, Bochum, Gera, Augs¬
burg, Bocholt und Gießen betheiligt, ebenso die Freimaurerlogen in Berlin,
Bremen, Bremerhaven, Hamburg, Oppenheim und Worms.

Von den älteren Bezirksvereinen entwickelten während des letzten Jahres
eine hervorragende Thätigkeit die zu Karlsruhe, Köln, Elberfeld - Barmer,
Magdeburg, Kiel und Wilster. Neu traten der Gesellschaft bei die Orte
Crefeld, Emden und Stralsund — letztere beide früher schon bestehend als
selbständige Rettungsvereine; während zu Berlin, Hannover, Altona, Mar¬
burg und Dessau Bezirksvereine in der Bildung begriffen sind. In Berlin,
dessen Boden lange sür den Samen dieser humanen Propaganda starr zu sein
schien, hat ein Vortrag in der Singakademie, den der um das Rettungs¬
wesen verdiente Corvettenkapitän Werner in Gegenwart der Majestäten ge¬
halten hat, das Terrain hoffentlich hinreichend aufgelockert. Neue Vertreter¬
schaften, d. h. Geldsammlungen, Mitgliederverbände und Flugblätter ver¬
breitende Agenturen ohne förmliche Vereinsorganisation sind in M. Gladbach,
Rheydt, Grevenbroich, Rudolstadt, Aetzen, Einbeck und Meinberg (Lippe-
Detmold) gewonnen worden.

Der Anschluß Enden's und Stralsund's, ersterer schon im Sommer auf
der Jahresversammlung der Gesellschaft zu Rostock erfolgt, letzterer im Spät¬
herbst, hat besondere Bedeutung. Als die deutsche Rettungsgesellschaft auf
einer Versammlung von Abgeordneten der bereits bestehenden örtlichen Ver¬
eine und von sonstigen Freunden der Sache gegründet wurde, konnten die
Vereine zu Emden (für ganz Ostfriesland), Hamburg und Stralsund sich
nicht entschließen, ihre Sonderstellung und Unabhängigkeit der nationalen
Einheit zu opfern. Auch als ihre Gründe und Vorwände gegen die ihnen
angesonnene Unterordnung durch die Praxis entkräftet wurden, zögerten sie
noch; sie wollten natürlich nicht gern bekennen, sich geirrt zu haben, ihren
Partikularismus lieber nicht eingestehen. Am Entschuldbarsten war die
Sonderbündelei bei dem ostfriesischen Verein, der der älteste, thätigste und er¬
folgreichste von allen gewesen war, wenigstens bis zu der politischen Kata¬
strophe von 1866, insofern der König Georg von Hannover ihn direkt und
indirekt begünstigte, was natürlich bei dem Eintritt in einen nationalen Or¬
ganismus auf der Stelle ein Ende genommen hätte. Aber auch nach der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/488>, abgerufen am 28.09.2024.