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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Einverleibung Hannovers in Preußen fanden die sonst so gut national¬
gesinnten Ostfriesen den doch sehr naheliegenden Entschluß nicht, in der
deutsche Rettungsgesellschaft aufzugehen. Ja sie versuchten sogar noch, als
im November 1863 der Nationalverein aufgelöst wurde, aus dessen Erb¬
schaft eine Summe Geldes zur Erhaltung ihrer Sonderstellung zu erlan¬
gen. Selbstverständlich glückte ihnen dies nicht; die Stellung der natio¬
nalen Gesellschaft befestigte sich, der ostfriesische Verein sah seine Wirksamkeit
durch die Geringfügigkeit seiner Geldmittel beschränkt, und da man ihm von
Bremen aus mit Zugeständnissen an seine freie Bewegung entgegenkam, er¬
klärte er endlich ein Jahr nach dem Kasseler Beschluß,, der die Unterstützung
des Partikularismus im Rettungswesen aus Nationalvereinsmitteln ablehnte,
seinen Eintritt als Bezirksverein. Daß es vorläufig versuchsweise auf fünf
Jahre geschehen sein soll, mag als Beruhigungsphrase für den stark aus¬
geprägten Provinzialpartikularismus der Ostfriesen gut sein, hat aber auf
das Verhältniß zu der Gesellschaft keinen Einfluß.

So bleibt denn nur noch Hamburg zurück, das niemals auch nur die
Elbmündung mit Rettungsanstalten hinlänglich hat ausrüsten können, und
doch sich noch von der nationalen Organisation abseits hält, welche ihm darin
nachgeholfen, die gefährlichen schleswigschen Inseln mit Booten und Ge¬
schützen versehen hat. Ein beschämendes Zeugnis von der Macht der Eifer¬
sucht, welche in Hamburg auf Bremen (als Sitz der Rettungs-Gesellschaft)
herrscht, und welcher die dortigen verständigen und patriotischen Geister in
dieser Richtung noch nicht haben Herr werden können. Wir sind begierig
zu sehen, ob auch auf der nächsten Jahresversammlung, welche im Mai zu
Bremen stattfindet, die Vertreter Hamburgs noch nicht ermächtigt sein
werden, ihren Eintritt auszusprechen, sondern wiederum nur, die Einzigen
und Letzten, als Halb-Fremde theilnehmen werden. Sollte man auf diese
Weise glauben, desto sicherer die Führerschaft an sich zu ziehen, so wird der
Erfolg der Spekulation schwerlich Recht geben. Ein früherer, rechtzeitiger
und eifriger Anschluß würde es vielleicht'von selbst mit sich gebracht haben,
daß der Sitz der Gesellschaft jetzt auf Hamburg überginge; so wie die Dinge
liegen, könnte ein derartiger Beschluß nur auf Kosten einer gesicherten Fort¬
führung der Sache im hingebenden patriotischen und sachverständigen Geiste
gefaßt werden.




Einverleibung Hannovers in Preußen fanden die sonst so gut national¬
gesinnten Ostfriesen den doch sehr naheliegenden Entschluß nicht, in der
deutsche Rettungsgesellschaft aufzugehen. Ja sie versuchten sogar noch, als
im November 1863 der Nationalverein aufgelöst wurde, aus dessen Erb¬
schaft eine Summe Geldes zur Erhaltung ihrer Sonderstellung zu erlan¬
gen. Selbstverständlich glückte ihnen dies nicht; die Stellung der natio¬
nalen Gesellschaft befestigte sich, der ostfriesische Verein sah seine Wirksamkeit
durch die Geringfügigkeit seiner Geldmittel beschränkt, und da man ihm von
Bremen aus mit Zugeständnissen an seine freie Bewegung entgegenkam, er¬
klärte er endlich ein Jahr nach dem Kasseler Beschluß,, der die Unterstützung
des Partikularismus im Rettungswesen aus Nationalvereinsmitteln ablehnte,
seinen Eintritt als Bezirksverein. Daß es vorläufig versuchsweise auf fünf
Jahre geschehen sein soll, mag als Beruhigungsphrase für den stark aus¬
geprägten Provinzialpartikularismus der Ostfriesen gut sein, hat aber auf
das Verhältniß zu der Gesellschaft keinen Einfluß.

So bleibt denn nur noch Hamburg zurück, das niemals auch nur die
Elbmündung mit Rettungsanstalten hinlänglich hat ausrüsten können, und
doch sich noch von der nationalen Organisation abseits hält, welche ihm darin
nachgeholfen, die gefährlichen schleswigschen Inseln mit Booten und Ge¬
schützen versehen hat. Ein beschämendes Zeugnis von der Macht der Eifer¬
sucht, welche in Hamburg auf Bremen (als Sitz der Rettungs-Gesellschaft)
herrscht, und welcher die dortigen verständigen und patriotischen Geister in
dieser Richtung noch nicht haben Herr werden können. Wir sind begierig
zu sehen, ob auch auf der nächsten Jahresversammlung, welche im Mai zu
Bremen stattfindet, die Vertreter Hamburgs noch nicht ermächtigt sein
werden, ihren Eintritt auszusprechen, sondern wiederum nur, die Einzigen
und Letzten, als Halb-Fremde theilnehmen werden. Sollte man auf diese
Weise glauben, desto sicherer die Führerschaft an sich zu ziehen, so wird der
Erfolg der Spekulation schwerlich Recht geben. Ein früherer, rechtzeitiger
und eifriger Anschluß würde es vielleicht'von selbst mit sich gebracht haben,
daß der Sitz der Gesellschaft jetzt auf Hamburg überginge; so wie die Dinge
liegen, könnte ein derartiger Beschluß nur auf Kosten einer gesicherten Fort¬
führung der Sache im hingebenden patriotischen und sachverständigen Geiste
gefaßt werden.




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[0489] Einverleibung Hannovers in Preußen fanden die sonst so gut national¬ gesinnten Ostfriesen den doch sehr naheliegenden Entschluß nicht, in der deutsche Rettungsgesellschaft aufzugehen. Ja sie versuchten sogar noch, als im November 1863 der Nationalverein aufgelöst wurde, aus dessen Erb¬ schaft eine Summe Geldes zur Erhaltung ihrer Sonderstellung zu erlan¬ gen. Selbstverständlich glückte ihnen dies nicht; die Stellung der natio¬ nalen Gesellschaft befestigte sich, der ostfriesische Verein sah seine Wirksamkeit durch die Geringfügigkeit seiner Geldmittel beschränkt, und da man ihm von Bremen aus mit Zugeständnissen an seine freie Bewegung entgegenkam, er¬ klärte er endlich ein Jahr nach dem Kasseler Beschluß,, der die Unterstützung des Partikularismus im Rettungswesen aus Nationalvereinsmitteln ablehnte, seinen Eintritt als Bezirksverein. Daß es vorläufig versuchsweise auf fünf Jahre geschehen sein soll, mag als Beruhigungsphrase für den stark aus¬ geprägten Provinzialpartikularismus der Ostfriesen gut sein, hat aber auf das Verhältniß zu der Gesellschaft keinen Einfluß. So bleibt denn nur noch Hamburg zurück, das niemals auch nur die Elbmündung mit Rettungsanstalten hinlänglich hat ausrüsten können, und doch sich noch von der nationalen Organisation abseits hält, welche ihm darin nachgeholfen, die gefährlichen schleswigschen Inseln mit Booten und Ge¬ schützen versehen hat. Ein beschämendes Zeugnis von der Macht der Eifer¬ sucht, welche in Hamburg auf Bremen (als Sitz der Rettungs-Gesellschaft) herrscht, und welcher die dortigen verständigen und patriotischen Geister in dieser Richtung noch nicht haben Herr werden können. Wir sind begierig zu sehen, ob auch auf der nächsten Jahresversammlung, welche im Mai zu Bremen stattfindet, die Vertreter Hamburgs noch nicht ermächtigt sein werden, ihren Eintritt auszusprechen, sondern wiederum nur, die Einzigen und Letzten, als Halb-Fremde theilnehmen werden. Sollte man auf diese Weise glauben, desto sicherer die Führerschaft an sich zu ziehen, so wird der Erfolg der Spekulation schwerlich Recht geben. Ein früherer, rechtzeitiger und eifriger Anschluß würde es vielleicht'von selbst mit sich gebracht haben, daß der Sitz der Gesellschaft jetzt auf Hamburg überginge; so wie die Dinge liegen, könnte ein derartiger Beschluß nur auf Kosten einer gesicherten Fort¬ führung der Sache im hingebenden patriotischen und sachverständigen Geiste gefaßt werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/489>, abgerufen am 28.09.2024.