Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Mördern französisch angeredet worden und daß bei den Szeklern keine Frem¬
den gedient hätten. Dieser Umstand läßt allerdings möglich erscheinen, daß
Emigranten sich als Szekler verkleidet hätten -- schade nur, daß eine That¬
sache von Wichtigkeit dabei mit Stillschweigen übergangen wird. Debry
erzählt in seinem amtlichen Berichte ausdrücklich die Worte
mimstre ^<zg.n Oerdv" seien ihm "so mauvkis krs.nyg.is" zu¬
gerufen worden (Reuß V. x. 298 und nach diesem Hauffer a. a. O.)
Das dürfte von Herrn Mendelssohn unter keinen Umständen unerwähnt
bleiben, denn dadurch ist der zunächststehende der direkten Gründe sür Theil¬
nahme von Emigranten so gut wie zu Boden geworfen.

Wir kommen zu den allgemeinen gegen die Emigranten sprechenden Jn-
dicien. Mit diesen ist es aber ziemlich mager bestellt, von einem Hinweis auf
direkt verdächtige Personen nicht entfernt die Rede. Wir erfahren nur, daß
das unheimliche Emigrantentreiben in und um Rastatt im April 1799 auf
bedenkliche Weise zugenommen habe, daß unter den verdächtigen Privat¬
personen Se. Germain (später östreichischer Obrist). Dugravier, Vauge
und Toulouse genannt worden, und daß Letzterer dem Dugravier am 11. April
geschrieben: "Binnen Kurzem wird sich Etwas ereignen, worüber die Welt
erstaunen muß". Selbst der mißtrauischste Kriminalist wird eingestehen
müssen, daß von dieser Phrase bis zu dem Verdacht der Theilnahme am
Morde ein weiter Weg ist, und daß dieselbe bei dem gänzlichen Mangel
anderer Jnzichten keine Bedeutung hat, zumal, in einer Zeit, da alle Welt
auf große Ereignisse gefaßt war. Daß Graf Toulouse u. f. w. "genannt"
worden, will gleichfalls Nichts sagen -- denn wir erfahren weder, wer
diese Männer genannt hat, noch in welchem Zusammenhang sie genannt
worden. Auch die x. 49 mitgetheilte Geschichte von der Furcht des Gall
vor Vergiftung seiner republikanischen Patienten durch die Emigranten (1795)
entbehrt jeder direkten Beziehung auf die Tragödie, welche vier Jahre spä¬
ter spielte.

Es bleibt noch übrig, die Mittheilungen, welche der Herr Verfasser über
das Verhalten der östreichischen Regierung macht, unter dem Gesichtspunkte
ihrer Beziehung zu der Emigrantentheilnahme am Gesandtenmord zu prüfen.
Wir müssen gestehen, daß diese Mittheilungen die Sache vollends unwahr¬
scheinlich machen und daß wir den von Herrn Mendelssohn aus denselben ge¬
zogenen Schlüssen schlechterdings nicht zuzustimmen vermögen. Das Rescript
des Kaisers, in welchem dieser den Fürsten Colloredo zu einem Kommissions¬
dekret an die Reichsversammlung anweist, thut der-Emigranten eben so wenig
Erwähnung, wie jenes (schon früher bekannt gewordene) Dekret selbst. Auch
daß der Kaiser die Sache "ernst" auffaßte und über die Verleumdungen der
Presse "empört war", vermögen wir aus jenem Aktenstück nicht herauszulesen;


Mördern französisch angeredet worden und daß bei den Szeklern keine Frem¬
den gedient hätten. Dieser Umstand läßt allerdings möglich erscheinen, daß
Emigranten sich als Szekler verkleidet hätten — schade nur, daß eine That¬
sache von Wichtigkeit dabei mit Stillschweigen übergangen wird. Debry
erzählt in seinem amtlichen Berichte ausdrücklich die Worte
mimstre ^<zg.n Oerdv" seien ihm „so mauvkis krs.nyg.is" zu¬
gerufen worden (Reuß V. x. 298 und nach diesem Hauffer a. a. O.)
Das dürfte von Herrn Mendelssohn unter keinen Umständen unerwähnt
bleiben, denn dadurch ist der zunächststehende der direkten Gründe sür Theil¬
nahme von Emigranten so gut wie zu Boden geworfen.

Wir kommen zu den allgemeinen gegen die Emigranten sprechenden Jn-
dicien. Mit diesen ist es aber ziemlich mager bestellt, von einem Hinweis auf
direkt verdächtige Personen nicht entfernt die Rede. Wir erfahren nur, daß
das unheimliche Emigrantentreiben in und um Rastatt im April 1799 auf
bedenkliche Weise zugenommen habe, daß unter den verdächtigen Privat¬
personen Se. Germain (später östreichischer Obrist). Dugravier, Vauge
und Toulouse genannt worden, und daß Letzterer dem Dugravier am 11. April
geschrieben: „Binnen Kurzem wird sich Etwas ereignen, worüber die Welt
erstaunen muß". Selbst der mißtrauischste Kriminalist wird eingestehen
müssen, daß von dieser Phrase bis zu dem Verdacht der Theilnahme am
Morde ein weiter Weg ist, und daß dieselbe bei dem gänzlichen Mangel
anderer Jnzichten keine Bedeutung hat, zumal, in einer Zeit, da alle Welt
auf große Ereignisse gefaßt war. Daß Graf Toulouse u. f. w. „genannt"
worden, will gleichfalls Nichts sagen — denn wir erfahren weder, wer
diese Männer genannt hat, noch in welchem Zusammenhang sie genannt
worden. Auch die x. 49 mitgetheilte Geschichte von der Furcht des Gall
vor Vergiftung seiner republikanischen Patienten durch die Emigranten (1795)
entbehrt jeder direkten Beziehung auf die Tragödie, welche vier Jahre spä¬
ter spielte.

Es bleibt noch übrig, die Mittheilungen, welche der Herr Verfasser über
das Verhalten der östreichischen Regierung macht, unter dem Gesichtspunkte
ihrer Beziehung zu der Emigrantentheilnahme am Gesandtenmord zu prüfen.
Wir müssen gestehen, daß diese Mittheilungen die Sache vollends unwahr¬
scheinlich machen und daß wir den von Herrn Mendelssohn aus denselben ge¬
zogenen Schlüssen schlechterdings nicht zuzustimmen vermögen. Das Rescript
des Kaisers, in welchem dieser den Fürsten Colloredo zu einem Kommissions¬
dekret an die Reichsversammlung anweist, thut der-Emigranten eben so wenig
Erwähnung, wie jenes (schon früher bekannt gewordene) Dekret selbst. Auch
daß der Kaiser die Sache „ernst" auffaßte und über die Verleumdungen der
Presse „empört war", vermögen wir aus jenem Aktenstück nicht herauszulesen;


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120655"/>
          <p xml:id="ID_1371" prev="#ID_1370"> Mördern französisch angeredet worden und daß bei den Szeklern keine Frem¬<lb/>
den gedient hätten. Dieser Umstand läßt allerdings möglich erscheinen, daß<lb/>
Emigranten sich als Szekler verkleidet hätten &#x2014; schade nur, daß eine That¬<lb/>
sache von Wichtigkeit dabei mit Stillschweigen übergangen wird. Debry<lb/>
erzählt in seinem amtlichen Berichte ausdrücklich die Worte<lb/>
mimstre ^&lt;zg.n Oerdv" seien ihm &#x201E;so mauvkis krs.nyg.is" zu¬<lb/>
gerufen worden (Reuß V. x. 298 und nach diesem Hauffer a. a. O.)<lb/>
Das dürfte von Herrn Mendelssohn unter keinen Umständen unerwähnt<lb/>
bleiben, denn dadurch ist der zunächststehende der direkten Gründe sür Theil¬<lb/>
nahme von Emigranten so gut wie zu Boden geworfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1372"> Wir kommen zu den allgemeinen gegen die Emigranten sprechenden Jn-<lb/>
dicien. Mit diesen ist es aber ziemlich mager bestellt, von einem Hinweis auf<lb/>
direkt verdächtige Personen nicht entfernt die Rede. Wir erfahren nur, daß<lb/>
das unheimliche Emigrantentreiben in und um Rastatt im April 1799 auf<lb/>
bedenkliche Weise zugenommen habe, daß unter den verdächtigen Privat¬<lb/>
personen Se. Germain (später östreichischer Obrist). Dugravier, Vauge<lb/>
und Toulouse genannt worden, und daß Letzterer dem Dugravier am 11. April<lb/>
geschrieben: &#x201E;Binnen Kurzem wird sich Etwas ereignen, worüber die Welt<lb/>
erstaunen muß". Selbst der mißtrauischste Kriminalist wird eingestehen<lb/>
müssen, daß von dieser Phrase bis zu dem Verdacht der Theilnahme am<lb/>
Morde ein weiter Weg ist, und daß dieselbe bei dem gänzlichen Mangel<lb/>
anderer Jnzichten keine Bedeutung hat, zumal, in einer Zeit, da alle Welt<lb/>
auf große Ereignisse gefaßt war. Daß Graf Toulouse u. f. w. &#x201E;genannt"<lb/>
worden, will gleichfalls Nichts sagen &#x2014; denn wir erfahren weder, wer<lb/>
diese Männer genannt hat, noch in welchem Zusammenhang sie genannt<lb/>
worden. Auch die x. 49 mitgetheilte Geschichte von der Furcht des Gall<lb/>
vor Vergiftung seiner republikanischen Patienten durch die Emigranten (1795)<lb/>
entbehrt jeder direkten Beziehung auf die Tragödie, welche vier Jahre spä¬<lb/>
ter spielte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1373" next="#ID_1374"> Es bleibt noch übrig, die Mittheilungen, welche der Herr Verfasser über<lb/>
das Verhalten der östreichischen Regierung macht, unter dem Gesichtspunkte<lb/>
ihrer Beziehung zu der Emigrantentheilnahme am Gesandtenmord zu prüfen.<lb/>
Wir müssen gestehen, daß diese Mittheilungen die Sache vollends unwahr¬<lb/>
scheinlich machen und daß wir den von Herrn Mendelssohn aus denselben ge¬<lb/>
zogenen Schlüssen schlechterdings nicht zuzustimmen vermögen. Das Rescript<lb/>
des Kaisers, in welchem dieser den Fürsten Colloredo zu einem Kommissions¬<lb/>
dekret an die Reichsversammlung anweist, thut der-Emigranten eben so wenig<lb/>
Erwähnung, wie jenes (schon früher bekannt gewordene) Dekret selbst. Auch<lb/>
daß der Kaiser die Sache &#x201E;ernst" auffaßte und über die Verleumdungen der<lb/>
Presse &#x201E;empört war", vermögen wir aus jenem Aktenstück nicht herauszulesen;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0466] Mördern französisch angeredet worden und daß bei den Szeklern keine Frem¬ den gedient hätten. Dieser Umstand läßt allerdings möglich erscheinen, daß Emigranten sich als Szekler verkleidet hätten — schade nur, daß eine That¬ sache von Wichtigkeit dabei mit Stillschweigen übergangen wird. Debry erzählt in seinem amtlichen Berichte ausdrücklich die Worte mimstre ^<zg.n Oerdv" seien ihm „so mauvkis krs.nyg.is" zu¬ gerufen worden (Reuß V. x. 298 und nach diesem Hauffer a. a. O.) Das dürfte von Herrn Mendelssohn unter keinen Umständen unerwähnt bleiben, denn dadurch ist der zunächststehende der direkten Gründe sür Theil¬ nahme von Emigranten so gut wie zu Boden geworfen. Wir kommen zu den allgemeinen gegen die Emigranten sprechenden Jn- dicien. Mit diesen ist es aber ziemlich mager bestellt, von einem Hinweis auf direkt verdächtige Personen nicht entfernt die Rede. Wir erfahren nur, daß das unheimliche Emigrantentreiben in und um Rastatt im April 1799 auf bedenkliche Weise zugenommen habe, daß unter den verdächtigen Privat¬ personen Se. Germain (später östreichischer Obrist). Dugravier, Vauge und Toulouse genannt worden, und daß Letzterer dem Dugravier am 11. April geschrieben: „Binnen Kurzem wird sich Etwas ereignen, worüber die Welt erstaunen muß". Selbst der mißtrauischste Kriminalist wird eingestehen müssen, daß von dieser Phrase bis zu dem Verdacht der Theilnahme am Morde ein weiter Weg ist, und daß dieselbe bei dem gänzlichen Mangel anderer Jnzichten keine Bedeutung hat, zumal, in einer Zeit, da alle Welt auf große Ereignisse gefaßt war. Daß Graf Toulouse u. f. w. „genannt" worden, will gleichfalls Nichts sagen — denn wir erfahren weder, wer diese Männer genannt hat, noch in welchem Zusammenhang sie genannt worden. Auch die x. 49 mitgetheilte Geschichte von der Furcht des Gall vor Vergiftung seiner republikanischen Patienten durch die Emigranten (1795) entbehrt jeder direkten Beziehung auf die Tragödie, welche vier Jahre spä¬ ter spielte. Es bleibt noch übrig, die Mittheilungen, welche der Herr Verfasser über das Verhalten der östreichischen Regierung macht, unter dem Gesichtspunkte ihrer Beziehung zu der Emigrantentheilnahme am Gesandtenmord zu prüfen. Wir müssen gestehen, daß diese Mittheilungen die Sache vollends unwahr¬ scheinlich machen und daß wir den von Herrn Mendelssohn aus denselben ge¬ zogenen Schlüssen schlechterdings nicht zuzustimmen vermögen. Das Rescript des Kaisers, in welchem dieser den Fürsten Colloredo zu einem Kommissions¬ dekret an die Reichsversammlung anweist, thut der-Emigranten eben so wenig Erwähnung, wie jenes (schon früher bekannt gewordene) Dekret selbst. Auch daß der Kaiser die Sache „ernst" auffaßte und über die Verleumdungen der Presse „empört war", vermögen wir aus jenem Aktenstück nicht herauszulesen;

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/466
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/466>, abgerufen am 28.09.2024.