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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Darüber, daß Bonnier und Roberjot von Leuten ermordet worden, welche
die Uniform des von Barbaczy gefühlten Szeklerregiments trugen, ist jeder
Zweifel ausgeschlossen; nicht nur der überlebende Minister Debry und die
übrigen anwesenden Franzosen haben das bezeugt, auch der genuesische Ge¬
sandte Bokkardi und die von diesem zu Hilfe gerufenen Personen (Major
Harrant und dessen Leute), haben die Szekler mit eigenen Augen gesehen:
Rittmeister Burkhart und Obrist Barbaczy haben eingeräumt, daß ihre Leute
die Mörder gewesen -- Burkhart hat sogar den Versuch gemacht, die frem¬
den Diplomaten, welche Hilfe verlangten, abzuweisen, und durch verdächtige
Reden die erste Veranlassung zu dem Verdacht gegeben, das Verbrechen könne
auf Geheiß der östreichischen Regierung geschehen sein. Fast ebenso zweifel¬
los erscheint Barbaczy's Mitwissenschast. Wenn Herr Mendelssohn zur
Vertheidigung dieses Offiziers anführt, daß derselbe die Beschwerdeschrift der
Diplomatie mit einem Brief beantwortet habe, "wie er eines Mannes von
Ehre und Gefühl würdig gewesen", so will das, unserer Meinung nach, Nichts
sagen. Das Barbaczysche Schreiben erscheint uns sogar höchst verdächtig:
ein Regimentskommandeur "von Ehre und Gefühl" hätte sich nicht mit
wohlfeilen Phrasen über "innige Wehmuth" u. s. w. begnügt, sondern sofort
die Jaiative zur Bestrafung der Leute ergriffen, welche die Ehre seines Re¬
giments befleckten; es wäre ihm Bedürfniß gewesen, die Geschädigten selbst zu
aufzusuchen, mindestens direkt mit den deutschen Diplomaten über die Sache
"zu verhandeln. Statt dessen weist Barbaczy den preußischen Legations-
sekretair v. Jordan, der sich bei ihm melden läßt, ab (demselben wird gesagt,
"er könne den Obristen nicht sprechen und wenn er von Gott dem Vater und
Gott dem Sohn käme") und begnügt sich damit, in seiner schriftlichen Ant¬
wort zu versprechen, er werde die Mörder unverzüglich einziehen lassen.
Ueber die Personen, welche das Verbrechen verübt, scheint er mithin
schon wenige Stunden nach der That, vor Einziehung und Inquisition der¬
selben nicht mehr in Zweifel gewesen zu sein. An all' diesen, wie
uns scheint, höchst verdächtigen Thatsachen geht Herr Mendelssohn vorüber,
ohne sie abzuwägen; für die Abweisung Jordan's und die erwähnte Stelle
des Briefs hat er keinen Commentar, Barbaczy ist ihm, weil er sein Beileid
überhaupt ausdrückte, ein Mann von Ehre und Gefühl. -- Weiter wird gel¬
tend gemacht, daß die in Baden anwesenden französischen Republikaner selbst
sich sowol 1799 wie im Jahre 1793 vor der Rachsucht der Emigranten ge¬
fürchtet hätten, und daß diese in größerer Anzahl um Rastatt herumgeschwärmt
seien. Dann wird angeführt, daß Erzherzog Karl wenig später die Meinung
ausgesprochen habe, daß Emigranten sich durch Corruption in das Szekler-
commando eingeschlichen haben müßten. Herr Mendelssohn legt, wie es
früher der Erzherzog that, besonderes Gewicht darauf, daß Debry von den


Darüber, daß Bonnier und Roberjot von Leuten ermordet worden, welche
die Uniform des von Barbaczy gefühlten Szeklerregiments trugen, ist jeder
Zweifel ausgeschlossen; nicht nur der überlebende Minister Debry und die
übrigen anwesenden Franzosen haben das bezeugt, auch der genuesische Ge¬
sandte Bokkardi und die von diesem zu Hilfe gerufenen Personen (Major
Harrant und dessen Leute), haben die Szekler mit eigenen Augen gesehen:
Rittmeister Burkhart und Obrist Barbaczy haben eingeräumt, daß ihre Leute
die Mörder gewesen — Burkhart hat sogar den Versuch gemacht, die frem¬
den Diplomaten, welche Hilfe verlangten, abzuweisen, und durch verdächtige
Reden die erste Veranlassung zu dem Verdacht gegeben, das Verbrechen könne
auf Geheiß der östreichischen Regierung geschehen sein. Fast ebenso zweifel¬
los erscheint Barbaczy's Mitwissenschast. Wenn Herr Mendelssohn zur
Vertheidigung dieses Offiziers anführt, daß derselbe die Beschwerdeschrift der
Diplomatie mit einem Brief beantwortet habe, „wie er eines Mannes von
Ehre und Gefühl würdig gewesen", so will das, unserer Meinung nach, Nichts
sagen. Das Barbaczysche Schreiben erscheint uns sogar höchst verdächtig:
ein Regimentskommandeur „von Ehre und Gefühl" hätte sich nicht mit
wohlfeilen Phrasen über „innige Wehmuth" u. s. w. begnügt, sondern sofort
die Jaiative zur Bestrafung der Leute ergriffen, welche die Ehre seines Re¬
giments befleckten; es wäre ihm Bedürfniß gewesen, die Geschädigten selbst zu
aufzusuchen, mindestens direkt mit den deutschen Diplomaten über die Sache
"zu verhandeln. Statt dessen weist Barbaczy den preußischen Legations-
sekretair v. Jordan, der sich bei ihm melden läßt, ab (demselben wird gesagt,
„er könne den Obristen nicht sprechen und wenn er von Gott dem Vater und
Gott dem Sohn käme") und begnügt sich damit, in seiner schriftlichen Ant¬
wort zu versprechen, er werde die Mörder unverzüglich einziehen lassen.
Ueber die Personen, welche das Verbrechen verübt, scheint er mithin
schon wenige Stunden nach der That, vor Einziehung und Inquisition der¬
selben nicht mehr in Zweifel gewesen zu sein. An all' diesen, wie
uns scheint, höchst verdächtigen Thatsachen geht Herr Mendelssohn vorüber,
ohne sie abzuwägen; für die Abweisung Jordan's und die erwähnte Stelle
des Briefs hat er keinen Commentar, Barbaczy ist ihm, weil er sein Beileid
überhaupt ausdrückte, ein Mann von Ehre und Gefühl. — Weiter wird gel¬
tend gemacht, daß die in Baden anwesenden französischen Republikaner selbst
sich sowol 1799 wie im Jahre 1793 vor der Rachsucht der Emigranten ge¬
fürchtet hätten, und daß diese in größerer Anzahl um Rastatt herumgeschwärmt
seien. Dann wird angeführt, daß Erzherzog Karl wenig später die Meinung
ausgesprochen habe, daß Emigranten sich durch Corruption in das Szekler-
commando eingeschlichen haben müßten. Herr Mendelssohn legt, wie es
früher der Erzherzog that, besonderes Gewicht darauf, daß Debry von den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/465>, abgerufen am 28.09.2024.