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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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nach dem Hofe zu ganz offen sind, und hinten das Peristyl mit etwa eben
so viel kleineren und einigen größeren Räumen, die alle nur durch die stets
offene Thür ihr Licht empfangen. Beide Abtheilungen des Hauses sind durch
einen Mittelbau getrennt, welcher das Tablinum enthält, das nach beiden
Höfen offene Zimmer für die Bilder und die Urkunden der Familie. War
Alles offen, so konnte man von der Straßenthür durch das Atrium, das
Tablinum, das Peristyl in das größere Familienzimmer, den Oekus sehen,
der sich im Fond des Peristyls befand. Das Tablinum wurde aber nicht
als Durchgang benutzt (es h^ete g^es oft eine Brüstung nach dem Hinter¬
hause zu), sondern dazu diente ein schmaler Gang neben demselben (die tauees),
wie denn oft, ein solcher Gang auch nach hinten auf die Straße führte.
Weil Horaz erwähnt, daß der Eine und Andere seiner Clienten wol durch
diese Hinterthür gelegentlich entrinne, so hat man geschlossen, sie sei für die¬
sen Zweck angelegt; sie ist aber offenbar für die Sclaven gemacht, welche
die Küche zu versorgen hatten. Diese befindet sich natürlich im Hinterhause
in der Nähe der beiden Eßzimmer, von denen das eine nach Norden, das
andere nach Süden liegt.

Das Atrium nun hat z. B. in dem Hause des Pansa (welches richtiger
das des Parcitus heißen sollte), einer mittelgroßen, sehr normal gebauten
Wohnung, eine Länge von 13, eine Breite von 19 Schritt, ist also schon ein
artiger Saal. Seine Wände tragen zierliche Malereien und Statuen, sein
Plafond ist cassettirt. Dieser Plafond hatte in der Mitte eine Oeffnung
von 3 Schritt Breite und 6 Schritt Länge, so daß etwa von 240 Quadrat¬
schritt Flächenraum 1ö Schritt ungedeckt waren: das war also kein Hof,
sondern ein Saal mit Oberlicht und Oberluft. Jener Oeffnung in der Decke
entsprach ein kleines Marmorbassin im Fußboden zum Auffangen des Regen-
Wassers, das durch vier Wasserspeier von dem nach Innen etwas abgeschräg¬
ten Dache herabfloß. Um dies Compluvium herum ist der Boden mit dem
zierlichsten Mosaik bedeckt. Hier war also der Raum, wo der Vater und die
Söhne sich in der Regel aushielten, wo der Herr mit den ihn Besuchenden
auf- und ab wandelte, wo auch wol die eigentlichen Gelage abgehalten wurden.

Das eben beschriebene Atrium war ein sogenanntes toskanisches; es
unterscheidet sich von den übrigen dadurch, daß seine Decke nicht durch Säu¬
len gestützt ist. Ich glaube nicht, daß der größere oder geringere Reichthum
über die Wahl der einen oder anderen Art entschied, sondern man wird nur
für die zweistöckigen Häuser die Säulen in Anwendung gebracht haben, weil
hier die Decke des Atriums oben begangen werden mußte. Die eine Art,
die toskanische, kommt so häufig vor wie die andere, die man die korinthische
genannt hat. Einige fernere sehr selten vorkommende Varietäten will ich
unerwähnt lassen.


Grenzboten I. 1869. 55

nach dem Hofe zu ganz offen sind, und hinten das Peristyl mit etwa eben
so viel kleineren und einigen größeren Räumen, die alle nur durch die stets
offene Thür ihr Licht empfangen. Beide Abtheilungen des Hauses sind durch
einen Mittelbau getrennt, welcher das Tablinum enthält, das nach beiden
Höfen offene Zimmer für die Bilder und die Urkunden der Familie. War
Alles offen, so konnte man von der Straßenthür durch das Atrium, das
Tablinum, das Peristyl in das größere Familienzimmer, den Oekus sehen,
der sich im Fond des Peristyls befand. Das Tablinum wurde aber nicht
als Durchgang benutzt (es h^ete g^es oft eine Brüstung nach dem Hinter¬
hause zu), sondern dazu diente ein schmaler Gang neben demselben (die tauees),
wie denn oft, ein solcher Gang auch nach hinten auf die Straße führte.
Weil Horaz erwähnt, daß der Eine und Andere seiner Clienten wol durch
diese Hinterthür gelegentlich entrinne, so hat man geschlossen, sie sei für die¬
sen Zweck angelegt; sie ist aber offenbar für die Sclaven gemacht, welche
die Küche zu versorgen hatten. Diese befindet sich natürlich im Hinterhause
in der Nähe der beiden Eßzimmer, von denen das eine nach Norden, das
andere nach Süden liegt.

Das Atrium nun hat z. B. in dem Hause des Pansa (welches richtiger
das des Parcitus heißen sollte), einer mittelgroßen, sehr normal gebauten
Wohnung, eine Länge von 13, eine Breite von 19 Schritt, ist also schon ein
artiger Saal. Seine Wände tragen zierliche Malereien und Statuen, sein
Plafond ist cassettirt. Dieser Plafond hatte in der Mitte eine Oeffnung
von 3 Schritt Breite und 6 Schritt Länge, so daß etwa von 240 Quadrat¬
schritt Flächenraum 1ö Schritt ungedeckt waren: das war also kein Hof,
sondern ein Saal mit Oberlicht und Oberluft. Jener Oeffnung in der Decke
entsprach ein kleines Marmorbassin im Fußboden zum Auffangen des Regen-
Wassers, das durch vier Wasserspeier von dem nach Innen etwas abgeschräg¬
ten Dache herabfloß. Um dies Compluvium herum ist der Boden mit dem
zierlichsten Mosaik bedeckt. Hier war also der Raum, wo der Vater und die
Söhne sich in der Regel aushielten, wo der Herr mit den ihn Besuchenden
auf- und ab wandelte, wo auch wol die eigentlichen Gelage abgehalten wurden.

Das eben beschriebene Atrium war ein sogenanntes toskanisches; es
unterscheidet sich von den übrigen dadurch, daß seine Decke nicht durch Säu¬
len gestützt ist. Ich glaube nicht, daß der größere oder geringere Reichthum
über die Wahl der einen oder anderen Art entschied, sondern man wird nur
für die zweistöckigen Häuser die Säulen in Anwendung gebracht haben, weil
hier die Decke des Atriums oben begangen werden mußte. Die eine Art,
die toskanische, kommt so häufig vor wie die andere, die man die korinthische
genannt hat. Einige fernere sehr selten vorkommende Varietäten will ich
unerwähnt lassen.


Grenzboten I. 1869. 55
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[0445] nach dem Hofe zu ganz offen sind, und hinten das Peristyl mit etwa eben so viel kleineren und einigen größeren Räumen, die alle nur durch die stets offene Thür ihr Licht empfangen. Beide Abtheilungen des Hauses sind durch einen Mittelbau getrennt, welcher das Tablinum enthält, das nach beiden Höfen offene Zimmer für die Bilder und die Urkunden der Familie. War Alles offen, so konnte man von der Straßenthür durch das Atrium, das Tablinum, das Peristyl in das größere Familienzimmer, den Oekus sehen, der sich im Fond des Peristyls befand. Das Tablinum wurde aber nicht als Durchgang benutzt (es h^ete g^es oft eine Brüstung nach dem Hinter¬ hause zu), sondern dazu diente ein schmaler Gang neben demselben (die tauees), wie denn oft, ein solcher Gang auch nach hinten auf die Straße führte. Weil Horaz erwähnt, daß der Eine und Andere seiner Clienten wol durch diese Hinterthür gelegentlich entrinne, so hat man geschlossen, sie sei für die¬ sen Zweck angelegt; sie ist aber offenbar für die Sclaven gemacht, welche die Küche zu versorgen hatten. Diese befindet sich natürlich im Hinterhause in der Nähe der beiden Eßzimmer, von denen das eine nach Norden, das andere nach Süden liegt. Das Atrium nun hat z. B. in dem Hause des Pansa (welches richtiger das des Parcitus heißen sollte), einer mittelgroßen, sehr normal gebauten Wohnung, eine Länge von 13, eine Breite von 19 Schritt, ist also schon ein artiger Saal. Seine Wände tragen zierliche Malereien und Statuen, sein Plafond ist cassettirt. Dieser Plafond hatte in der Mitte eine Oeffnung von 3 Schritt Breite und 6 Schritt Länge, so daß etwa von 240 Quadrat¬ schritt Flächenraum 1ö Schritt ungedeckt waren: das war also kein Hof, sondern ein Saal mit Oberlicht und Oberluft. Jener Oeffnung in der Decke entsprach ein kleines Marmorbassin im Fußboden zum Auffangen des Regen- Wassers, das durch vier Wasserspeier von dem nach Innen etwas abgeschräg¬ ten Dache herabfloß. Um dies Compluvium herum ist der Boden mit dem zierlichsten Mosaik bedeckt. Hier war also der Raum, wo der Vater und die Söhne sich in der Regel aushielten, wo der Herr mit den ihn Besuchenden auf- und ab wandelte, wo auch wol die eigentlichen Gelage abgehalten wurden. Das eben beschriebene Atrium war ein sogenanntes toskanisches; es unterscheidet sich von den übrigen dadurch, daß seine Decke nicht durch Säu¬ len gestützt ist. Ich glaube nicht, daß der größere oder geringere Reichthum über die Wahl der einen oder anderen Art entschied, sondern man wird nur für die zweistöckigen Häuser die Säulen in Anwendung gebracht haben, weil hier die Decke des Atriums oben begangen werden mußte. Die eine Art, die toskanische, kommt so häufig vor wie die andere, die man die korinthische genannt hat. Einige fernere sehr selten vorkommende Varietäten will ich unerwähnt lassen. Grenzboten I. 1869. 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/445>, abgerufen am 20.10.2024.