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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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begünstigten Negereinfuhren, die wohlfeile Arbeiter schafften. Aeußerlich
waren Ruhe und Ordnung da, und wo so viele Leute reich wurden, konnten
auch die Beamten, die sich von Spanien aus rasch ablösten, ihre Taschen
füllen, ohne daß es sehr ausfiel So kam es, daß die Flibustier-Einfälle
von Narciß Lopez und Anderen (1830 und 1861) höchst kläglich ausfielen.
Einzelne unter den Creolen sahen allerdings mit Abscheu die entwürdigende
Behandlung ihrer Heimath an, die von der Regierung auf asiatische Weise
beherrscht und durch felle Richter, corrumpirte Beamte, Mangel an Schulen und
Einfluß der Jesuiten gründlich demoralisirt wurden. Aber der großen Menge
ging es materiell viel zu gut, als daß sie etwas zur Aenderung der Zu¬
stände hätten thun sollen.

Bis zum Schluß des Krieges in den Vereinigten Staaten ging die Insel
stets vorwärts, seit 1866 ist ein Rückschritt bemerklich.

Zuerst hörten die Negereinfuhren auf, denn die Vereinigten Staaten,
welche früher diesem Schmuggel ruhig zugesehen, ja denselben begünstigt
hatten, ließen jetzt sehr deutlich merken, daß sie ihn nicht länger dulden wollten,
und Arete Sam wird in der neuen Welt selbst von Spanien sehr viel mehr
respectirt als John Bull und Johnny Crapaud zusammen.

Mit der Ueberzeugung, daß die Sclaverei nun über kurz oder lang
fallen müsse, hatte sich unter den Creolen etre liberale Partei gebildet, die
zum Theil nur Reformen, zum Theil aber schon damals insgeheim die Un¬
abhängigkeit von Spanien anstrebte.

Die Regierung, um sich den Anschein der Willfährigkeit zu geben, for¬
derte Abgesandte nach Madrid, um mit ihnen über "die nothwendigen Refor¬
men" zu berathen. Es war eine Verhöhnung der schlimmsten Art, denn im
Ernst war an Reformen niemals gedacht worden: über das wichtigste Interesse
der Insel, die Sclavenfrage, durften sich die Abgesandten nicht einmal äußern,
der Plan dafür, den die Deputirten, obgleich sie meistens selbst Pflanzer und
Sclavenhalter waren, in richtiger Einsicht der Lage, zum Zweck allmälige
Abschaffung der Sclaverei eingebracht hatten, wurde gar nicht zur Discussion
zugelassen und die Deputirten mit hohlen Versicherungen abgefertigt. Doch
gelang es einigen von ihnen, der Regierung schließlich noch den Plan für eine
neue Besteuerung einleuchtend zu machen, der die Hauptveranlassung zum
Ausbruch der gegenwärtigen Unruhen gab.

Es war ein verzweifelter Versuch, um Cuba indirect zum Abfall von
Spanien zu bringen, aber die Regierung stets in Geldnoth, verschlang gierig
den Köder.

Die Eingangszölle wurden etwas herabgesetzt, die Ausgangszolle ab¬
geschafft, einige indirecte Abgaben erlassen, und dagegen eine directe Steuer
eingeführt.


begünstigten Negereinfuhren, die wohlfeile Arbeiter schafften. Aeußerlich
waren Ruhe und Ordnung da, und wo so viele Leute reich wurden, konnten
auch die Beamten, die sich von Spanien aus rasch ablösten, ihre Taschen
füllen, ohne daß es sehr ausfiel So kam es, daß die Flibustier-Einfälle
von Narciß Lopez und Anderen (1830 und 1861) höchst kläglich ausfielen.
Einzelne unter den Creolen sahen allerdings mit Abscheu die entwürdigende
Behandlung ihrer Heimath an, die von der Regierung auf asiatische Weise
beherrscht und durch felle Richter, corrumpirte Beamte, Mangel an Schulen und
Einfluß der Jesuiten gründlich demoralisirt wurden. Aber der großen Menge
ging es materiell viel zu gut, als daß sie etwas zur Aenderung der Zu¬
stände hätten thun sollen.

Bis zum Schluß des Krieges in den Vereinigten Staaten ging die Insel
stets vorwärts, seit 1866 ist ein Rückschritt bemerklich.

Zuerst hörten die Negereinfuhren auf, denn die Vereinigten Staaten,
welche früher diesem Schmuggel ruhig zugesehen, ja denselben begünstigt
hatten, ließen jetzt sehr deutlich merken, daß sie ihn nicht länger dulden wollten,
und Arete Sam wird in der neuen Welt selbst von Spanien sehr viel mehr
respectirt als John Bull und Johnny Crapaud zusammen.

Mit der Ueberzeugung, daß die Sclaverei nun über kurz oder lang
fallen müsse, hatte sich unter den Creolen etre liberale Partei gebildet, die
zum Theil nur Reformen, zum Theil aber schon damals insgeheim die Un¬
abhängigkeit von Spanien anstrebte.

Die Regierung, um sich den Anschein der Willfährigkeit zu geben, for¬
derte Abgesandte nach Madrid, um mit ihnen über „die nothwendigen Refor¬
men" zu berathen. Es war eine Verhöhnung der schlimmsten Art, denn im
Ernst war an Reformen niemals gedacht worden: über das wichtigste Interesse
der Insel, die Sclavenfrage, durften sich die Abgesandten nicht einmal äußern,
der Plan dafür, den die Deputirten, obgleich sie meistens selbst Pflanzer und
Sclavenhalter waren, in richtiger Einsicht der Lage, zum Zweck allmälige
Abschaffung der Sclaverei eingebracht hatten, wurde gar nicht zur Discussion
zugelassen und die Deputirten mit hohlen Versicherungen abgefertigt. Doch
gelang es einigen von ihnen, der Regierung schließlich noch den Plan für eine
neue Besteuerung einleuchtend zu machen, der die Hauptveranlassung zum
Ausbruch der gegenwärtigen Unruhen gab.

Es war ein verzweifelter Versuch, um Cuba indirect zum Abfall von
Spanien zu bringen, aber die Regierung stets in Geldnoth, verschlang gierig
den Köder.

Die Eingangszölle wurden etwas herabgesetzt, die Ausgangszolle ab¬
geschafft, einige indirecte Abgaben erlassen, und dagegen eine directe Steuer
eingeführt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/366>, abgerufen am 28.09.2024.