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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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dere Anzahl der Bevölkerung rührt, die wiederum einen entsprechenden Unter¬
schied in den Exporten zur Folge hat. Im westlichen Departement dagegen
wird der bei Weitem größte Theil des wichtigsten Stapelartikels, Zucker produ-
cirt. Man schätzt diese Production auf ca. 600,000 Tons für 1868. und nur
l0 bis 12 o/o davon fallen auf das östliche Departement. Zucker ist der Artikel,
von welchem Cuba lebt, weit mehr als vom Tabak, und insofern ist aller-
dings die Sclaverei, resp, deren Aushebung und Ersetzung, sei es durch freie
Arbeit der Schwarzen, sei es durch Chinesen oder durch weiße Arbeiter (die
theilweise schon jetzt angefangen hat), eine Lebensfrage für die Insel.
Ich sage für die Insel.

Nicht für Spanien. Für dieses gibt es nur Eine Frage, nämlich, ob
es seine Herrschaft gegen die Creolen noch überhaupt halten kann.

Wenn der oben berührte Artikel der "Grenzboten" behauptet, die Creolen
befänden sich in verschwindender Minderzahl, so müssen wir dem auf Grund
eigener Anschauung widersprechen. Kaum ein Drittel der weißen Bevölke¬
rung ist außerhalb der Insel geboren, und im Allgemeinen kann man be¬
haupten, gerade die Söhne von Altspaniern, die hier geboren werden, sind
die heftigsten Feinde der Regierung.

Cuba zeigt recht klar, welche Folgen eine Colonialregierung im Style
des vorigen Jahrhunderts hat.

Die Blüthe der Insel fing mit dem Jahre 1818 an, in welchem zuerst
fremde Schiffe zugelassen wurden. Die Zölle auf nichtspanische Waaren blie¬
ben aber immer noch doppelt so hoch als die auf spanische Artikel, und
wuchsen, wenn unter fremder Flagge importirt wurde, auf das Dreifache.
Es mußten noch andere Gründe dazu kommen, um die Insel so weit zu
heben, daß sie in den letzten Jahren allein so viel an Rohrzucker produciren
konnte, wie ganz Frankreich, Rußland, Oestreich und der Zollverein zusam¬
mengenommen, an Rübenzucker.

Von Hapel waren französische Pflanzer eingewandert, die dort Alles
verloren hatten und auf Cuba ihre Kenntnisse und Erfahrungen verwerthe¬
ten. Von Mexico, das sich eben losriß, kamen flüchtige Spanier mit theil-
weise bedeutenden Capitalien hinüber, die englischen Colonien wurden gleich¬
zeitig durch die Selavenemancipation gründlich ruinirt, und schließlich eignete
sich die geographische Configuratton der Insel, welche im westlichen Departe-
ment nirgend über 80 Kilometer Breite hat, wie keine andere zur Ver¬
schiffung der Producte. Dazu kamen ein vorzüglicher Boden, der ohne neue
Anpflanzung S bis 10 Jahre nacheinander das Rohr treibt, und ein für
die Tropen verhältnißmäßig gesundes Klima. Auf diese Weise machte sich
der schädliche Einfluß der Regierung wenig bemerklich, die Production wuchs
fortwährend, zum großen Theil freilich durch die heimlich von der Regierung


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dere Anzahl der Bevölkerung rührt, die wiederum einen entsprechenden Unter¬
schied in den Exporten zur Folge hat. Im westlichen Departement dagegen
wird der bei Weitem größte Theil des wichtigsten Stapelartikels, Zucker produ-
cirt. Man schätzt diese Production auf ca. 600,000 Tons für 1868. und nur
l0 bis 12 o/o davon fallen auf das östliche Departement. Zucker ist der Artikel,
von welchem Cuba lebt, weit mehr als vom Tabak, und insofern ist aller-
dings die Sclaverei, resp, deren Aushebung und Ersetzung, sei es durch freie
Arbeit der Schwarzen, sei es durch Chinesen oder durch weiße Arbeiter (die
theilweise schon jetzt angefangen hat), eine Lebensfrage für die Insel.
Ich sage für die Insel.

Nicht für Spanien. Für dieses gibt es nur Eine Frage, nämlich, ob
es seine Herrschaft gegen die Creolen noch überhaupt halten kann.

Wenn der oben berührte Artikel der „Grenzboten" behauptet, die Creolen
befänden sich in verschwindender Minderzahl, so müssen wir dem auf Grund
eigener Anschauung widersprechen. Kaum ein Drittel der weißen Bevölke¬
rung ist außerhalb der Insel geboren, und im Allgemeinen kann man be¬
haupten, gerade die Söhne von Altspaniern, die hier geboren werden, sind
die heftigsten Feinde der Regierung.

Cuba zeigt recht klar, welche Folgen eine Colonialregierung im Style
des vorigen Jahrhunderts hat.

Die Blüthe der Insel fing mit dem Jahre 1818 an, in welchem zuerst
fremde Schiffe zugelassen wurden. Die Zölle auf nichtspanische Waaren blie¬
ben aber immer noch doppelt so hoch als die auf spanische Artikel, und
wuchsen, wenn unter fremder Flagge importirt wurde, auf das Dreifache.
Es mußten noch andere Gründe dazu kommen, um die Insel so weit zu
heben, daß sie in den letzten Jahren allein so viel an Rohrzucker produciren
konnte, wie ganz Frankreich, Rußland, Oestreich und der Zollverein zusam¬
mengenommen, an Rübenzucker.

Von Hapel waren französische Pflanzer eingewandert, die dort Alles
verloren hatten und auf Cuba ihre Kenntnisse und Erfahrungen verwerthe¬
ten. Von Mexico, das sich eben losriß, kamen flüchtige Spanier mit theil-
weise bedeutenden Capitalien hinüber, die englischen Colonien wurden gleich¬
zeitig durch die Selavenemancipation gründlich ruinirt, und schließlich eignete
sich die geographische Configuratton der Insel, welche im westlichen Departe-
ment nirgend über 80 Kilometer Breite hat, wie keine andere zur Ver¬
schiffung der Producte. Dazu kamen ein vorzüglicher Boden, der ohne neue
Anpflanzung S bis 10 Jahre nacheinander das Rohr treibt, und ein für
die Tropen verhältnißmäßig gesundes Klima. Auf diese Weise machte sich
der schädliche Einfluß der Regierung wenig bemerklich, die Production wuchs
fortwährend, zum großen Theil freilich durch die heimlich von der Regierung


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[0365] dere Anzahl der Bevölkerung rührt, die wiederum einen entsprechenden Unter¬ schied in den Exporten zur Folge hat. Im westlichen Departement dagegen wird der bei Weitem größte Theil des wichtigsten Stapelartikels, Zucker produ- cirt. Man schätzt diese Production auf ca. 600,000 Tons für 1868. und nur l0 bis 12 o/o davon fallen auf das östliche Departement. Zucker ist der Artikel, von welchem Cuba lebt, weit mehr als vom Tabak, und insofern ist aller- dings die Sclaverei, resp, deren Aushebung und Ersetzung, sei es durch freie Arbeit der Schwarzen, sei es durch Chinesen oder durch weiße Arbeiter (die theilweise schon jetzt angefangen hat), eine Lebensfrage für die Insel. Ich sage für die Insel. Nicht für Spanien. Für dieses gibt es nur Eine Frage, nämlich, ob es seine Herrschaft gegen die Creolen noch überhaupt halten kann. Wenn der oben berührte Artikel der „Grenzboten" behauptet, die Creolen befänden sich in verschwindender Minderzahl, so müssen wir dem auf Grund eigener Anschauung widersprechen. Kaum ein Drittel der weißen Bevölke¬ rung ist außerhalb der Insel geboren, und im Allgemeinen kann man be¬ haupten, gerade die Söhne von Altspaniern, die hier geboren werden, sind die heftigsten Feinde der Regierung. Cuba zeigt recht klar, welche Folgen eine Colonialregierung im Style des vorigen Jahrhunderts hat. Die Blüthe der Insel fing mit dem Jahre 1818 an, in welchem zuerst fremde Schiffe zugelassen wurden. Die Zölle auf nichtspanische Waaren blie¬ ben aber immer noch doppelt so hoch als die auf spanische Artikel, und wuchsen, wenn unter fremder Flagge importirt wurde, auf das Dreifache. Es mußten noch andere Gründe dazu kommen, um die Insel so weit zu heben, daß sie in den letzten Jahren allein so viel an Rohrzucker produciren konnte, wie ganz Frankreich, Rußland, Oestreich und der Zollverein zusam¬ mengenommen, an Rübenzucker. Von Hapel waren französische Pflanzer eingewandert, die dort Alles verloren hatten und auf Cuba ihre Kenntnisse und Erfahrungen verwerthe¬ ten. Von Mexico, das sich eben losriß, kamen flüchtige Spanier mit theil- weise bedeutenden Capitalien hinüber, die englischen Colonien wurden gleich¬ zeitig durch die Selavenemancipation gründlich ruinirt, und schließlich eignete sich die geographische Configuratton der Insel, welche im westlichen Departe- ment nirgend über 80 Kilometer Breite hat, wie keine andere zur Ver¬ schiffung der Producte. Dazu kamen ein vorzüglicher Boden, der ohne neue Anpflanzung S bis 10 Jahre nacheinander das Rohr treibt, und ein für die Tropen verhältnißmäßig gesundes Klima. Auf diese Weise machte sich der schädliche Einfluß der Regierung wenig bemerklich, die Production wuchs fortwährend, zum großen Theil freilich durch die heimlich von der Regierung Grenzboten I. 18K9. 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/365>, abgerufen am 28.09.2024.