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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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versteht sich von selbst. Und darin liegt das Nachtheilige eines solchen Verkaufs-
systems überhaupt. Es bedingt einen Ausfall der regelmäßigen Staatsein¬
nahmen, der anderweitig gedeckt werden muß; der Verkauf hilft momentan,
schadet aber für die Zukunft selbst dann, wenn der Erlös nicht für laufende
Bedürfnisse, sondern zur Zahlung von Schulden verwendet wird. Denn die
Schulden und die Höhe ihrer Zinsen bleiben constant, der Werth der Güter
aber und ihre Erträge steigen. Eher ließe sich der Verkauf von Industrie-
Unternehmungen rechtfertigen, da abgesehen von Anderem, der Gewinn hier kein
sicherer ist. Aber lassen wir diese Fragen bei Seite und fragen wir nur, was hat
der Verkauf genützt? Hat er den Volkswohlstand gehoben, die Stadtschulden
vermindert? Keines von beiden, es war ein zu verschiedenen Zeiten angewen¬
detes Palliativ, weil man momentan nichts besseres wußte. Wenn man
auch sofort den letzten Rest der Staatsgüter verkaufen wollte, es würde
nichts nützen, wenn man nicht gleichzeitig bedacht wäre, da Ersparungen
eintreten zu lassen, wo sie möglich und angebracht sind, um die Productions-
kraft. oder wie man hier gewöhnlich sagt, die Steuerkraft zu heben. Seit
1811 haben die sämmtlichen directen Jahressteuern nur fünf Mal hinge¬
reicht, um das Militärbudget zu decken, nämlich 1819. 182S. 1826. 1827.
1830. Sonst mußte also stets zu den indirecten Steuern gegriffen
werden, wodurch trotz aller mitunter selbst die Sache schädigenden Be¬
schränkungen die Gesa mentem nahmen des Staates in diesem Jahr¬
hundert nur ein Mal (1817) hinreichten, um die Gesammtauslagen zu
decken. Sonst schloß man stets mit einem Deficit. Und mit welchem? 1809
^ 167 Millionen (ich führe nur die Millionen an); 1810 -- 215 Millionen;
1849 - 153 Millionen; 1855 -- 158 Millionen. Darauf die argen Jahre
mit den Rüstungskosten des orientalischen, italienischen, schleswigschen, end¬
lich des deutschen Krieges. Wenn trotzdem das Deficit jetzt unter 100 Mil¬
lionen gesunken ist, und in diesem Jahr 60 Millionen nicht erreichen soll,
so haben wir alle Ursache uns über die natürlichen Hilfsquellen des Staates
und die enorme Steigerung der Production zu freuen. Darin aber liegt auch eine
Mahnung für die Steigerung, den Schatz ihrer Domänen sorglich zu conserviren.




II.

In den ersten Januartagen besuchten wir auf die Einladung des Grasen
Monte Se. Angelo seine über der Stadt gelegene Villa Floridiana. Wir


versteht sich von selbst. Und darin liegt das Nachtheilige eines solchen Verkaufs-
systems überhaupt. Es bedingt einen Ausfall der regelmäßigen Staatsein¬
nahmen, der anderweitig gedeckt werden muß; der Verkauf hilft momentan,
schadet aber für die Zukunft selbst dann, wenn der Erlös nicht für laufende
Bedürfnisse, sondern zur Zahlung von Schulden verwendet wird. Denn die
Schulden und die Höhe ihrer Zinsen bleiben constant, der Werth der Güter
aber und ihre Erträge steigen. Eher ließe sich der Verkauf von Industrie-
Unternehmungen rechtfertigen, da abgesehen von Anderem, der Gewinn hier kein
sicherer ist. Aber lassen wir diese Fragen bei Seite und fragen wir nur, was hat
der Verkauf genützt? Hat er den Volkswohlstand gehoben, die Stadtschulden
vermindert? Keines von beiden, es war ein zu verschiedenen Zeiten angewen¬
detes Palliativ, weil man momentan nichts besseres wußte. Wenn man
auch sofort den letzten Rest der Staatsgüter verkaufen wollte, es würde
nichts nützen, wenn man nicht gleichzeitig bedacht wäre, da Ersparungen
eintreten zu lassen, wo sie möglich und angebracht sind, um die Productions-
kraft. oder wie man hier gewöhnlich sagt, die Steuerkraft zu heben. Seit
1811 haben die sämmtlichen directen Jahressteuern nur fünf Mal hinge¬
reicht, um das Militärbudget zu decken, nämlich 1819. 182S. 1826. 1827.
1830. Sonst mußte also stets zu den indirecten Steuern gegriffen
werden, wodurch trotz aller mitunter selbst die Sache schädigenden Be¬
schränkungen die Gesa mentem nahmen des Staates in diesem Jahr¬
hundert nur ein Mal (1817) hinreichten, um die Gesammtauslagen zu
decken. Sonst schloß man stets mit einem Deficit. Und mit welchem? 1809
^ 167 Millionen (ich führe nur die Millionen an); 1810 — 215 Millionen;
1849 - 153 Millionen; 1855 — 158 Millionen. Darauf die argen Jahre
mit den Rüstungskosten des orientalischen, italienischen, schleswigschen, end¬
lich des deutschen Krieges. Wenn trotzdem das Deficit jetzt unter 100 Mil¬
lionen gesunken ist, und in diesem Jahr 60 Millionen nicht erreichen soll,
so haben wir alle Ursache uns über die natürlichen Hilfsquellen des Staates
und die enorme Steigerung der Production zu freuen. Darin aber liegt auch eine
Mahnung für die Steigerung, den Schatz ihrer Domänen sorglich zu conserviren.




II.

In den ersten Januartagen besuchten wir auf die Einladung des Grasen
Monte Se. Angelo seine über der Stadt gelegene Villa Floridiana. Wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/353>, abgerufen am 28.09.2024.