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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Anstatt daß es zum Kriege zwischen Maximilian und Ludwig kam,
schlossen beide das Bündniß mit dem Papst und Ferdinand dem Katholischen
zum Verderb Venedigs, jene Verschwörung, deren Fäden sich seit dem Tage
zusammengezogen, da Venedig durch die Erwerbung einiger Städte in Apu"
lien, im Mailändischen, in der Romagna und durch die Beschützung Pisas
seinen Entschluß gezeigt, nicht zu dulden, daß eine andere Macht ihre Herr¬
schaft über ganz Italien aufrichte. Mit dem Ruf "Italien und Freiheit"
nahm die Marcusrepublik diesen ungleichen Krieg, auf. der vernichtend für
sie hätte ausfallen müssen, wenn nicht gleich durch die ersten Erfolge der
Franzosen die Liga gesprengt worden wäre. Von da an betrieb der Papst
eine neue Liga, die gegen Frankreich gerichtet, sich besonders auf die Schweiz
und auf England stützen sollte. Doch nahm erst im Jahre 1312 der Krieg
eine solche Wendung, daß die Franzosen, von den Heeren der Venetianer
und Schweizer gedrängt, Italien verlassen mußten. In Mailand ergriffen
die Behörden und Senatoren der französischen Partei die Flucht, die Schweizer
riefen Maximilian Sforza, den Sohn Ludwig Moros, zum Herzog aus.

Morone sah den fluchtähnlichen Abzug der Franzosen sehr ungern und
tadelte die Senatoren welche unrühmlich die Waffen zu früh weggeworfen.
Indessen blieb er in der Stadt, nahm einen hervorragenden Antheil an der
Bildung der Zwischenregierung und vollzog nunmehr seinen Rücktritt von
der französischen Partei. "Wenn ich dem König von Frankreich viel ver¬
danke", schrieb er an Olivieri, den Kanzler des Senats "so verdanke ich doch
ebenso viel und noch mehr meinem Vaterlande." Doch glaubte er sich seiner
Pflichten gegen die Franzosen nicht eher enthoben bis er von ihnen förmliche
Dispensation erhalten. Der Cardinal Schimmer, Bischof von Sitten, der an
der Spitze der Schweizer in Mailand eingezogen war, bot ihm sofort neue
Würden an. Er zeigte sich aber zunächst spröde. -- Jetzt war der Congreß
zu Mantua eröffnet worden, auf welchem über das eroberte Mailand ent¬
schieden werden sollte. Natürlich geriethen die Theilnehmer der heiligen Liga
sofort in heftigen Streit unter einander. Die Schweizer, der Papst, die
Venetianer begehrten einzelne Stücke, während der Kaiser und Spanien die
Lombardei ganz für sich in Anspruch nahmen. Das erste Wort aber führten
die Schweizer, welche im Besitz Mailands waren und die Wiedereinsetzung
des Sforza verlangten, weil sie wußten, daß Maximilian Sforza ohne ihre
Hilfe sich nicht behaupten könne. Auch machten sie sich sofort von den Mai¬
ländern bezahlt, weil, wie Morone schreibt, die Alliirten über die Bezahlung
derselben ebenso uneins waren wie über die Vertheilung der Beute. Gerade
die Zwietracht der Verbündeten aber gab Morone Hoffnung, ihnen die Beute
gänzlich zu entreißen. Er ließ sich vom Mailänder Rath der 900 zu einem
der 12 Abgeordneten wählen, welche Maximilian Sforza in Pavia den Treu-


Anstatt daß es zum Kriege zwischen Maximilian und Ludwig kam,
schlossen beide das Bündniß mit dem Papst und Ferdinand dem Katholischen
zum Verderb Venedigs, jene Verschwörung, deren Fäden sich seit dem Tage
zusammengezogen, da Venedig durch die Erwerbung einiger Städte in Apu»
lien, im Mailändischen, in der Romagna und durch die Beschützung Pisas
seinen Entschluß gezeigt, nicht zu dulden, daß eine andere Macht ihre Herr¬
schaft über ganz Italien aufrichte. Mit dem Ruf „Italien und Freiheit"
nahm die Marcusrepublik diesen ungleichen Krieg, auf. der vernichtend für
sie hätte ausfallen müssen, wenn nicht gleich durch die ersten Erfolge der
Franzosen die Liga gesprengt worden wäre. Von da an betrieb der Papst
eine neue Liga, die gegen Frankreich gerichtet, sich besonders auf die Schweiz
und auf England stützen sollte. Doch nahm erst im Jahre 1312 der Krieg
eine solche Wendung, daß die Franzosen, von den Heeren der Venetianer
und Schweizer gedrängt, Italien verlassen mußten. In Mailand ergriffen
die Behörden und Senatoren der französischen Partei die Flucht, die Schweizer
riefen Maximilian Sforza, den Sohn Ludwig Moros, zum Herzog aus.

Morone sah den fluchtähnlichen Abzug der Franzosen sehr ungern und
tadelte die Senatoren welche unrühmlich die Waffen zu früh weggeworfen.
Indessen blieb er in der Stadt, nahm einen hervorragenden Antheil an der
Bildung der Zwischenregierung und vollzog nunmehr seinen Rücktritt von
der französischen Partei. „Wenn ich dem König von Frankreich viel ver¬
danke", schrieb er an Olivieri, den Kanzler des Senats „so verdanke ich doch
ebenso viel und noch mehr meinem Vaterlande." Doch glaubte er sich seiner
Pflichten gegen die Franzosen nicht eher enthoben bis er von ihnen förmliche
Dispensation erhalten. Der Cardinal Schimmer, Bischof von Sitten, der an
der Spitze der Schweizer in Mailand eingezogen war, bot ihm sofort neue
Würden an. Er zeigte sich aber zunächst spröde. — Jetzt war der Congreß
zu Mantua eröffnet worden, auf welchem über das eroberte Mailand ent¬
schieden werden sollte. Natürlich geriethen die Theilnehmer der heiligen Liga
sofort in heftigen Streit unter einander. Die Schweizer, der Papst, die
Venetianer begehrten einzelne Stücke, während der Kaiser und Spanien die
Lombardei ganz für sich in Anspruch nahmen. Das erste Wort aber führten
die Schweizer, welche im Besitz Mailands waren und die Wiedereinsetzung
des Sforza verlangten, weil sie wußten, daß Maximilian Sforza ohne ihre
Hilfe sich nicht behaupten könne. Auch machten sie sich sofort von den Mai¬
ländern bezahlt, weil, wie Morone schreibt, die Alliirten über die Bezahlung
derselben ebenso uneins waren wie über die Vertheilung der Beute. Gerade
die Zwietracht der Verbündeten aber gab Morone Hoffnung, ihnen die Beute
gänzlich zu entreißen. Er ließ sich vom Mailänder Rath der 900 zu einem
der 12 Abgeordneten wählen, welche Maximilian Sforza in Pavia den Treu-


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[0305] Anstatt daß es zum Kriege zwischen Maximilian und Ludwig kam, schlossen beide das Bündniß mit dem Papst und Ferdinand dem Katholischen zum Verderb Venedigs, jene Verschwörung, deren Fäden sich seit dem Tage zusammengezogen, da Venedig durch die Erwerbung einiger Städte in Apu» lien, im Mailändischen, in der Romagna und durch die Beschützung Pisas seinen Entschluß gezeigt, nicht zu dulden, daß eine andere Macht ihre Herr¬ schaft über ganz Italien aufrichte. Mit dem Ruf „Italien und Freiheit" nahm die Marcusrepublik diesen ungleichen Krieg, auf. der vernichtend für sie hätte ausfallen müssen, wenn nicht gleich durch die ersten Erfolge der Franzosen die Liga gesprengt worden wäre. Von da an betrieb der Papst eine neue Liga, die gegen Frankreich gerichtet, sich besonders auf die Schweiz und auf England stützen sollte. Doch nahm erst im Jahre 1312 der Krieg eine solche Wendung, daß die Franzosen, von den Heeren der Venetianer und Schweizer gedrängt, Italien verlassen mußten. In Mailand ergriffen die Behörden und Senatoren der französischen Partei die Flucht, die Schweizer riefen Maximilian Sforza, den Sohn Ludwig Moros, zum Herzog aus. Morone sah den fluchtähnlichen Abzug der Franzosen sehr ungern und tadelte die Senatoren welche unrühmlich die Waffen zu früh weggeworfen. Indessen blieb er in der Stadt, nahm einen hervorragenden Antheil an der Bildung der Zwischenregierung und vollzog nunmehr seinen Rücktritt von der französischen Partei. „Wenn ich dem König von Frankreich viel ver¬ danke", schrieb er an Olivieri, den Kanzler des Senats „so verdanke ich doch ebenso viel und noch mehr meinem Vaterlande." Doch glaubte er sich seiner Pflichten gegen die Franzosen nicht eher enthoben bis er von ihnen förmliche Dispensation erhalten. Der Cardinal Schimmer, Bischof von Sitten, der an der Spitze der Schweizer in Mailand eingezogen war, bot ihm sofort neue Würden an. Er zeigte sich aber zunächst spröde. — Jetzt war der Congreß zu Mantua eröffnet worden, auf welchem über das eroberte Mailand ent¬ schieden werden sollte. Natürlich geriethen die Theilnehmer der heiligen Liga sofort in heftigen Streit unter einander. Die Schweizer, der Papst, die Venetianer begehrten einzelne Stücke, während der Kaiser und Spanien die Lombardei ganz für sich in Anspruch nahmen. Das erste Wort aber führten die Schweizer, welche im Besitz Mailands waren und die Wiedereinsetzung des Sforza verlangten, weil sie wußten, daß Maximilian Sforza ohne ihre Hilfe sich nicht behaupten könne. Auch machten sie sich sofort von den Mai¬ ländern bezahlt, weil, wie Morone schreibt, die Alliirten über die Bezahlung derselben ebenso uneins waren wie über die Vertheilung der Beute. Gerade die Zwietracht der Verbündeten aber gab Morone Hoffnung, ihnen die Beute gänzlich zu entreißen. Er ließ sich vom Mailänder Rath der 900 zu einem der 12 Abgeordneten wählen, welche Maximilian Sforza in Pavia den Treu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/305>, abgerufen am 28.09.2024.