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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Doch blieb er auch später, soweit die Geschäfte es erlaubten, ein Freund der
Musen. Man hat Gedichte von ihm, die er aus seinem Gesandtschaftsposten
in der Schweiz verfaßte, wie er selbst in einem Brief an einen Freund
schreibt: "um nicht ganz zu verwildern unter diesem Schweizervolk, das so
hart und rauh ist wie seine Berge." Verhängnißvoll genug war der erste
Schritt, den er ins öffentliche Leben that. Als nämlich Ludwig XII.. damals
im Bund mit den Venetianern, im Jahre 1499 Mailand eroberte, setzte er
zu seinem Statthalter Man Gtaeomo Trivulzio und den jungen Morone
zum Fisealadvoeaten ein. Mit den besten Vorsätzen tritt er dieses Amt an,
wacht streng über den Bedingungen, unter welchen sich Mailand den Fran¬
zosen ergeben hatte, und bald genug hatte er diesen mit der Unzufriedenheit
der Mailänder, ja mit einem Aufstand zu drohen, obwol er schon im Januar
1600 es aussprach, daß es vergeblich wäre, auf die Erhebung eines Volkes
zu hoffen, das längst gewöhnt sei, nur an seine Privatinteressen nicht an das
öffentliche Wohl zu denken. Schon ließ sich die Rückkehr des Sforza voraus¬
sehen. Dennoch weigerte sich Morone, den Bitten seiner Verwandten und
Freunde nachzugeben, bei Zeiten sich mit den Sforza auszusöhnen; es schien
ihm dies mit der Ehre unvereinbar. "Welch schrecklicher Schandfleck", rief er
in seiner eiceronianischen Sprache aus, "will mir da angeheftet werden und
welcher Sieg der Sforza könnte mir aus dem Grund des Herzens die Ge¬
wissensbisse reißen, welche die Frucht des Verbrechens sind!" Auch als im
Februar 1500 Ludwig der Mohr mit Hilfe der Schweizer wirklich zurück¬
kehrte, weigerte sich Morone, in dessen Dienste zu treten. Er erklärt dem
Fürsten, es sei ihm unmöglich, irgend etwas zum Nachtheil dessen zu thun,
dem er Treue geschworen. Er mochte freilich zugleich voraussehen, daß Lud¬
wigs Herrschaft nur eine kurze Weile dauern werde. Die Franzosen kehrten
nach Mailand zurück und Morone blieb ihnen dienstbar. Im Jahr 1507
ist er Gesandter des Königs in der Schweiz, um die Schweizer von der
Allianz mit dem Kaiser Maximilian abzubringen. Gegen das Versprechen,
vom Reichskammergericht ausgenommen zu sein, hatten sie dem Kaiser ihre
Hilfe zugesagt. Morone schrieb damals an König Ludwig folgendes Urtheil
über die Schweizer: "Leichter als die Luft, beweglicher als das Wasser ist
ihr Sinn, er wechselt mit jeder Stunde, so daß ich zu immer neuen Argu¬
menten Zuflucht nehmen muß. Unter diesen Argumenten das vornehmste
ist das Geld, da es Jedermann bekannt ist. daß sie nicht die Partei wechseln
außer aus Begierde nach Gewinn." Dieses Mittel schlug auch diesmal vor¬
trefflich an. Nachdem sie noch eben dem Kaiser beträchtliche Hilfskräfte ver¬
sprochen, konnte Morone im August 1507 melden, daß sie beschlossen hätten,
dem Kaiser blos 1000 Mann Fußvolk zum Römerzug zu stellen, dem König
von Frankreich dagegen soviel er zur Vertheidigung Mailands begehre.


Doch blieb er auch später, soweit die Geschäfte es erlaubten, ein Freund der
Musen. Man hat Gedichte von ihm, die er aus seinem Gesandtschaftsposten
in der Schweiz verfaßte, wie er selbst in einem Brief an einen Freund
schreibt: „um nicht ganz zu verwildern unter diesem Schweizervolk, das so
hart und rauh ist wie seine Berge." Verhängnißvoll genug war der erste
Schritt, den er ins öffentliche Leben that. Als nämlich Ludwig XII.. damals
im Bund mit den Venetianern, im Jahre 1499 Mailand eroberte, setzte er
zu seinem Statthalter Man Gtaeomo Trivulzio und den jungen Morone
zum Fisealadvoeaten ein. Mit den besten Vorsätzen tritt er dieses Amt an,
wacht streng über den Bedingungen, unter welchen sich Mailand den Fran¬
zosen ergeben hatte, und bald genug hatte er diesen mit der Unzufriedenheit
der Mailänder, ja mit einem Aufstand zu drohen, obwol er schon im Januar
1600 es aussprach, daß es vergeblich wäre, auf die Erhebung eines Volkes
zu hoffen, das längst gewöhnt sei, nur an seine Privatinteressen nicht an das
öffentliche Wohl zu denken. Schon ließ sich die Rückkehr des Sforza voraus¬
sehen. Dennoch weigerte sich Morone, den Bitten seiner Verwandten und
Freunde nachzugeben, bei Zeiten sich mit den Sforza auszusöhnen; es schien
ihm dies mit der Ehre unvereinbar. „Welch schrecklicher Schandfleck", rief er
in seiner eiceronianischen Sprache aus, „will mir da angeheftet werden und
welcher Sieg der Sforza könnte mir aus dem Grund des Herzens die Ge¬
wissensbisse reißen, welche die Frucht des Verbrechens sind!" Auch als im
Februar 1500 Ludwig der Mohr mit Hilfe der Schweizer wirklich zurück¬
kehrte, weigerte sich Morone, in dessen Dienste zu treten. Er erklärt dem
Fürsten, es sei ihm unmöglich, irgend etwas zum Nachtheil dessen zu thun,
dem er Treue geschworen. Er mochte freilich zugleich voraussehen, daß Lud¬
wigs Herrschaft nur eine kurze Weile dauern werde. Die Franzosen kehrten
nach Mailand zurück und Morone blieb ihnen dienstbar. Im Jahr 1507
ist er Gesandter des Königs in der Schweiz, um die Schweizer von der
Allianz mit dem Kaiser Maximilian abzubringen. Gegen das Versprechen,
vom Reichskammergericht ausgenommen zu sein, hatten sie dem Kaiser ihre
Hilfe zugesagt. Morone schrieb damals an König Ludwig folgendes Urtheil
über die Schweizer: „Leichter als die Luft, beweglicher als das Wasser ist
ihr Sinn, er wechselt mit jeder Stunde, so daß ich zu immer neuen Argu¬
menten Zuflucht nehmen muß. Unter diesen Argumenten das vornehmste
ist das Geld, da es Jedermann bekannt ist. daß sie nicht die Partei wechseln
außer aus Begierde nach Gewinn." Dieses Mittel schlug auch diesmal vor¬
trefflich an. Nachdem sie noch eben dem Kaiser beträchtliche Hilfskräfte ver¬
sprochen, konnte Morone im August 1507 melden, daß sie beschlossen hätten,
dem Kaiser blos 1000 Mann Fußvolk zum Römerzug zu stellen, dem König
von Frankreich dagegen soviel er zur Vertheidigung Mailands begehre.


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[0304] Doch blieb er auch später, soweit die Geschäfte es erlaubten, ein Freund der Musen. Man hat Gedichte von ihm, die er aus seinem Gesandtschaftsposten in der Schweiz verfaßte, wie er selbst in einem Brief an einen Freund schreibt: „um nicht ganz zu verwildern unter diesem Schweizervolk, das so hart und rauh ist wie seine Berge." Verhängnißvoll genug war der erste Schritt, den er ins öffentliche Leben that. Als nämlich Ludwig XII.. damals im Bund mit den Venetianern, im Jahre 1499 Mailand eroberte, setzte er zu seinem Statthalter Man Gtaeomo Trivulzio und den jungen Morone zum Fisealadvoeaten ein. Mit den besten Vorsätzen tritt er dieses Amt an, wacht streng über den Bedingungen, unter welchen sich Mailand den Fran¬ zosen ergeben hatte, und bald genug hatte er diesen mit der Unzufriedenheit der Mailänder, ja mit einem Aufstand zu drohen, obwol er schon im Januar 1600 es aussprach, daß es vergeblich wäre, auf die Erhebung eines Volkes zu hoffen, das längst gewöhnt sei, nur an seine Privatinteressen nicht an das öffentliche Wohl zu denken. Schon ließ sich die Rückkehr des Sforza voraus¬ sehen. Dennoch weigerte sich Morone, den Bitten seiner Verwandten und Freunde nachzugeben, bei Zeiten sich mit den Sforza auszusöhnen; es schien ihm dies mit der Ehre unvereinbar. „Welch schrecklicher Schandfleck", rief er in seiner eiceronianischen Sprache aus, „will mir da angeheftet werden und welcher Sieg der Sforza könnte mir aus dem Grund des Herzens die Ge¬ wissensbisse reißen, welche die Frucht des Verbrechens sind!" Auch als im Februar 1500 Ludwig der Mohr mit Hilfe der Schweizer wirklich zurück¬ kehrte, weigerte sich Morone, in dessen Dienste zu treten. Er erklärt dem Fürsten, es sei ihm unmöglich, irgend etwas zum Nachtheil dessen zu thun, dem er Treue geschworen. Er mochte freilich zugleich voraussehen, daß Lud¬ wigs Herrschaft nur eine kurze Weile dauern werde. Die Franzosen kehrten nach Mailand zurück und Morone blieb ihnen dienstbar. Im Jahr 1507 ist er Gesandter des Königs in der Schweiz, um die Schweizer von der Allianz mit dem Kaiser Maximilian abzubringen. Gegen das Versprechen, vom Reichskammergericht ausgenommen zu sein, hatten sie dem Kaiser ihre Hilfe zugesagt. Morone schrieb damals an König Ludwig folgendes Urtheil über die Schweizer: „Leichter als die Luft, beweglicher als das Wasser ist ihr Sinn, er wechselt mit jeder Stunde, so daß ich zu immer neuen Argu¬ menten Zuflucht nehmen muß. Unter diesen Argumenten das vornehmste ist das Geld, da es Jedermann bekannt ist. daß sie nicht die Partei wechseln außer aus Begierde nach Gewinn." Dieses Mittel schlug auch diesmal vor¬ trefflich an. Nachdem sie noch eben dem Kaiser beträchtliche Hilfskräfte ver¬ sprochen, konnte Morone im August 1507 melden, daß sie beschlossen hätten, dem Kaiser blos 1000 Mann Fußvolk zum Römerzug zu stellen, dem König von Frankreich dagegen soviel er zur Vertheidigung Mailands begehre.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/304>, abgerufen am 20.10.2024.