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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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lichen Gruft zu ruhen, als Regel schon im alten Italien bestanden zu haben scheint.
Wenigstens finden wir sogar Sclaven in Familienbegräbnisse aufgenommen,
und es muß schlechterdings als Ausnahme gelten, wenn auf der Höhe
zwischen Albano und Arricia im Albanergebirge die Peperinsarkophage der
von Lsxtimius Levörus gegründeten lössio seeunäg. MrtKieg, unmittelbar in
der Erde stehen. Geschehen konnte dies selbstverständlich nur mit schmucklosen
Särgen. Was wir im engern Sinn als römische Sarkophage bezeichnen,
entbehrt des Schmuckes nicht und findet sich daher auch nur in Räumen,
worin die Verzierung einigermaßen zur Geltung kommen kann. Häufig be¬
nutzte man Sarkophage von einiger Größe zu mehrern Bestallungen. Ein
solcher, welcher zwei Leichname enthielt, hieß bisomum; doch hat man öfters
vier und mehr Gerippe vereinigt vorgefunden. Auf diese Weise wurde
wieder eingebracht, was man bei so prächtiger Art der Beerdigung, gegenüber
der bescheidenen Beisetzung der Asche, an Bestattungsraum verschwendet
hatte. Selten steht ein Sarkophag allein in einer Grabkammer; meist ist
diese so gefüllt, daß eine freie Bewegung in ihr beschwerlich erscheint. Offen¬
bar mit Rücksicht hierauf und in der richtigen Schätzung des spärlichen
Oberlichtes, welches die Gruft nur halb zu erhellen pflegte, sind die Re¬
liefs der Sarkophage meist ohne genauere Ausführung der Einzelformen und
in einer Höhe behandelt, daß sich die Figuren mit scharfen Schatten über¬
sichtlich von einander abheben. Wenn die Särge, wie es als Regel erscheint,
mit ihrer hintern Seite dicht gegen die Wand gerückt sind, so ist der Haupt¬
schmuck auf ihrer vordern Seite vereinigt, und die Nebenseiten Pflegen nur
leicht, in einem viel flacheren Relief bearbeitet zu sein, welches dann eben
weil es vom Lichte nur gestreift wird, wie die Schriftzüge eines Papier¬
abklatsches bei seitlicher Beleuchtung seinen Umriß verständlich und deutlich
in die Augen fallen läßt. Durch diese Berechnung der Arbeit für den Ort
der Aufstellung, worin die alte Kunst zu allen Zeiten ihren meisterhaften
Tact bekundet, erklärt sich auch befriedigend die oft beklagte Thatsache, daß
die Reliefs von Sarkophagen, in das volle Licht großer Museen versetzt, das sie
nicht vertragen, fast durchweg ungünstige Eindrücke hervorrufen. Denn nur in
vereinzelten Beispielen bieten sie noch einen leisen wohlthuenden Anklang an
die strengere griechische Kunstweise, deren Adel über alle Beeinträchtigung des
Zufalls spottet; vielmehr haben sie für denjenigen, welcher augenblickliche Freude
an der Form und eine wohlthätige Wirkung des Ganzen sucht, in ihrer Mehr¬
zahl nur geringe Anziehungskraft. Mit einer gewissen Ueberwindung sucht der
Künstler in ihnen Anregung zu neuen Schöpfungen, der Archäolog bildliche
Erläuterung der Alterthümer und mythologischen Erzählungen, die große
Menge zieht an ihnen vorüber, zuweilen wohl mit einem gelinden Schauer
über die "mustergiltige" Antike. Sind sie doch eben nicht Werke von großen


lichen Gruft zu ruhen, als Regel schon im alten Italien bestanden zu haben scheint.
Wenigstens finden wir sogar Sclaven in Familienbegräbnisse aufgenommen,
und es muß schlechterdings als Ausnahme gelten, wenn auf der Höhe
zwischen Albano und Arricia im Albanergebirge die Peperinsarkophage der
von Lsxtimius Levörus gegründeten lössio seeunäg. MrtKieg, unmittelbar in
der Erde stehen. Geschehen konnte dies selbstverständlich nur mit schmucklosen
Särgen. Was wir im engern Sinn als römische Sarkophage bezeichnen,
entbehrt des Schmuckes nicht und findet sich daher auch nur in Räumen,
worin die Verzierung einigermaßen zur Geltung kommen kann. Häufig be¬
nutzte man Sarkophage von einiger Größe zu mehrern Bestallungen. Ein
solcher, welcher zwei Leichname enthielt, hieß bisomum; doch hat man öfters
vier und mehr Gerippe vereinigt vorgefunden. Auf diese Weise wurde
wieder eingebracht, was man bei so prächtiger Art der Beerdigung, gegenüber
der bescheidenen Beisetzung der Asche, an Bestattungsraum verschwendet
hatte. Selten steht ein Sarkophag allein in einer Grabkammer; meist ist
diese so gefüllt, daß eine freie Bewegung in ihr beschwerlich erscheint. Offen¬
bar mit Rücksicht hierauf und in der richtigen Schätzung des spärlichen
Oberlichtes, welches die Gruft nur halb zu erhellen pflegte, sind die Re¬
liefs der Sarkophage meist ohne genauere Ausführung der Einzelformen und
in einer Höhe behandelt, daß sich die Figuren mit scharfen Schatten über¬
sichtlich von einander abheben. Wenn die Särge, wie es als Regel erscheint,
mit ihrer hintern Seite dicht gegen die Wand gerückt sind, so ist der Haupt¬
schmuck auf ihrer vordern Seite vereinigt, und die Nebenseiten Pflegen nur
leicht, in einem viel flacheren Relief bearbeitet zu sein, welches dann eben
weil es vom Lichte nur gestreift wird, wie die Schriftzüge eines Papier¬
abklatsches bei seitlicher Beleuchtung seinen Umriß verständlich und deutlich
in die Augen fallen läßt. Durch diese Berechnung der Arbeit für den Ort
der Aufstellung, worin die alte Kunst zu allen Zeiten ihren meisterhaften
Tact bekundet, erklärt sich auch befriedigend die oft beklagte Thatsache, daß
die Reliefs von Sarkophagen, in das volle Licht großer Museen versetzt, das sie
nicht vertragen, fast durchweg ungünstige Eindrücke hervorrufen. Denn nur in
vereinzelten Beispielen bieten sie noch einen leisen wohlthuenden Anklang an
die strengere griechische Kunstweise, deren Adel über alle Beeinträchtigung des
Zufalls spottet; vielmehr haben sie für denjenigen, welcher augenblickliche Freude
an der Form und eine wohlthätige Wirkung des Ganzen sucht, in ihrer Mehr¬
zahl nur geringe Anziehungskraft. Mit einer gewissen Ueberwindung sucht der
Künstler in ihnen Anregung zu neuen Schöpfungen, der Archäolog bildliche
Erläuterung der Alterthümer und mythologischen Erzählungen, die große
Menge zieht an ihnen vorüber, zuweilen wohl mit einem gelinden Schauer
über die „mustergiltige" Antike. Sind sie doch eben nicht Werke von großen


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[0256] lichen Gruft zu ruhen, als Regel schon im alten Italien bestanden zu haben scheint. Wenigstens finden wir sogar Sclaven in Familienbegräbnisse aufgenommen, und es muß schlechterdings als Ausnahme gelten, wenn auf der Höhe zwischen Albano und Arricia im Albanergebirge die Peperinsarkophage der von Lsxtimius Levörus gegründeten lössio seeunäg. MrtKieg, unmittelbar in der Erde stehen. Geschehen konnte dies selbstverständlich nur mit schmucklosen Särgen. Was wir im engern Sinn als römische Sarkophage bezeichnen, entbehrt des Schmuckes nicht und findet sich daher auch nur in Räumen, worin die Verzierung einigermaßen zur Geltung kommen kann. Häufig be¬ nutzte man Sarkophage von einiger Größe zu mehrern Bestallungen. Ein solcher, welcher zwei Leichname enthielt, hieß bisomum; doch hat man öfters vier und mehr Gerippe vereinigt vorgefunden. Auf diese Weise wurde wieder eingebracht, was man bei so prächtiger Art der Beerdigung, gegenüber der bescheidenen Beisetzung der Asche, an Bestattungsraum verschwendet hatte. Selten steht ein Sarkophag allein in einer Grabkammer; meist ist diese so gefüllt, daß eine freie Bewegung in ihr beschwerlich erscheint. Offen¬ bar mit Rücksicht hierauf und in der richtigen Schätzung des spärlichen Oberlichtes, welches die Gruft nur halb zu erhellen pflegte, sind die Re¬ liefs der Sarkophage meist ohne genauere Ausführung der Einzelformen und in einer Höhe behandelt, daß sich die Figuren mit scharfen Schatten über¬ sichtlich von einander abheben. Wenn die Särge, wie es als Regel erscheint, mit ihrer hintern Seite dicht gegen die Wand gerückt sind, so ist der Haupt¬ schmuck auf ihrer vordern Seite vereinigt, und die Nebenseiten Pflegen nur leicht, in einem viel flacheren Relief bearbeitet zu sein, welches dann eben weil es vom Lichte nur gestreift wird, wie die Schriftzüge eines Papier¬ abklatsches bei seitlicher Beleuchtung seinen Umriß verständlich und deutlich in die Augen fallen läßt. Durch diese Berechnung der Arbeit für den Ort der Aufstellung, worin die alte Kunst zu allen Zeiten ihren meisterhaften Tact bekundet, erklärt sich auch befriedigend die oft beklagte Thatsache, daß die Reliefs von Sarkophagen, in das volle Licht großer Museen versetzt, das sie nicht vertragen, fast durchweg ungünstige Eindrücke hervorrufen. Denn nur in vereinzelten Beispielen bieten sie noch einen leisen wohlthuenden Anklang an die strengere griechische Kunstweise, deren Adel über alle Beeinträchtigung des Zufalls spottet; vielmehr haben sie für denjenigen, welcher augenblickliche Freude an der Form und eine wohlthätige Wirkung des Ganzen sucht, in ihrer Mehr¬ zahl nur geringe Anziehungskraft. Mit einer gewissen Ueberwindung sucht der Künstler in ihnen Anregung zu neuen Schöpfungen, der Archäolog bildliche Erläuterung der Alterthümer und mythologischen Erzählungen, die große Menge zieht an ihnen vorüber, zuweilen wohl mit einem gelinden Schauer über die „mustergiltige" Antike. Sind sie doch eben nicht Werke von großen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/256>, abgerufen am 20.10.2024.