Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.licher Weise der Sargkasten als Bettgestell (Iclino) aufzufassen, das ja recht Wo dieser- Schutz bis in die jüngste Zeit fortwährte und ein günstiges 31"
licher Weise der Sargkasten als Bettgestell (Iclino) aufzufassen, das ja recht Wo dieser- Schutz bis in die jüngste Zeit fortwährte und ein günstiges 31"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/120444"/> <p xml:id="ID_736" prev="#ID_735"> licher Weise der Sargkasten als Bettgestell (Iclino) aufzufassen, das ja recht<lb/> eigentlich als Ruhebahre des Leichnams nicht blos bei der feierlichen Ausstellung<lb/> im Hause sondern im öffentlichen Leichenzuge selbst diente. Wir besitzen ferner<lb/> eine bedeutende Anzahl römischer Marmorsärge, welche mehr oder minder deutlich<lb/> in ihrer tectonischen Form an die Stätten und Geräthe des religiösen Cultus<lb/> erinnern. Wie die zahlreichen sepulcralen Cippi, welche entweder selbst die<lb/> Asche des Verstorbenen enthalten oder den Ort der Beisetzung bezeichnen,<lb/> der Gestalt der Altäre durchaus entsprechen, so daß inschriftlich für eippus<lb/> nicht selten geradezu in-a vorkommt: so kehrt z. B. der einzige aus alt¬<lb/> römischer Zeit uns erhaltene verzierte Steinsarg, der berühmte Scipionen-<lb/> sarkvphag im Vatican, mit unbedeutenden Veränderungen genau als Altar<lb/> im Vorhof eines kleinen Tempels in Pompei wieder. Und wenn die Deckel<lb/> von so vielen Sarkophagen auf das Treuste die Form eines Tempeldachs mit<lb/> seiner Ziegelbedeckung, seinen Akroterien und Giebclschmuck zeigen, wenn an<lb/> den vier Ecken des Sargkastens selbst Karyatiden oder Atlanten auftreten,<lb/> an seinem obern, umlaufenden Rande zuweilen ein dem dorischen Tempel¬<lb/> schmuck entlehntes Blätterornament, welches das Tragen einer ausruhenden<lb/> Last veranschaulicht, ringsum aber friesartige Compositionen angebracht sind,<lb/> so wird augenfällig, daß mit alle dem eine zwar nur äußerlich verständliche<lb/> aber eben doch verständliche Uebertragung von Tempelformen auf Grabmonu¬<lb/> mente ausgesprochen ist. Auch hat der zu Grund liegende Gedanke an sich<lb/> nichts befremdliches. Schon früh verehrte man in Griechenland ausgezeichnete<lb/> Todte als Heroen und erbaute ihnen Capellen. In der Kaiserzeit ist Nichts ge¬<lb/> wöhnlicher, als Grabmonumente mit dem äußern Schmuck von Tempeln zu<lb/> bekleiden. Als weitverbreitet tritt uns die Gewohnheit entgegen den Statuen<lb/> der Verstorbenen die Form von Götterbildern, den Typus des Dionysos oder<lb/> Hermes, der Demeter oder der mediceischen Venus zu geben. Sonach kann es<lb/> nur für folgerichtig gelten, wenn auch das unmittelbare Haus des Todten<lb/> selbst als eine Art Tempel auftritt. Wie die katholische Kirche die Gebeine<lb/> der Märtyrer in die Altäre überträgt, um diesen dadurch größere Heiligkeit<lb/> zu geben, so dient umgekehrt im Alterthum Altar und Tempel dem Todten<lb/> sinnbildlich als Schutz gegen Entweihung.</p><lb/> <p xml:id="ID_737" next="#ID_738"> Wo dieser- Schutz bis in die jüngste Zeit fortwährte und ein günstiges<lb/> Geschick es gefügt hat, daß Sarkophage in ihren Grabmonumenten selbst<lb/> an der Stelle erhalten werden konnten, wo sie seit Jahrhunderten gestanden<lb/> haben, da stellt sich wie von selbst für viele einschlagende Fragen reichere Be¬<lb/> lehrung ein, als das eifrigste Studium der größten Museen zu bieten vermag.<lb/> Zunächst mag auffallen, wie dieselbe Auffassung, nach welcher noch heutzutag in<lb/> ganz Italien ein Begräbniß unmittelbar in die Erde für unwürdig gilt, so daß<lb/> selbst der Aermste es vorzieht, mit hundert andern in einer großen gemeinschaft-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 31"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0255]
licher Weise der Sargkasten als Bettgestell (Iclino) aufzufassen, das ja recht
eigentlich als Ruhebahre des Leichnams nicht blos bei der feierlichen Ausstellung
im Hause sondern im öffentlichen Leichenzuge selbst diente. Wir besitzen ferner
eine bedeutende Anzahl römischer Marmorsärge, welche mehr oder minder deutlich
in ihrer tectonischen Form an die Stätten und Geräthe des religiösen Cultus
erinnern. Wie die zahlreichen sepulcralen Cippi, welche entweder selbst die
Asche des Verstorbenen enthalten oder den Ort der Beisetzung bezeichnen,
der Gestalt der Altäre durchaus entsprechen, so daß inschriftlich für eippus
nicht selten geradezu in-a vorkommt: so kehrt z. B. der einzige aus alt¬
römischer Zeit uns erhaltene verzierte Steinsarg, der berühmte Scipionen-
sarkvphag im Vatican, mit unbedeutenden Veränderungen genau als Altar
im Vorhof eines kleinen Tempels in Pompei wieder. Und wenn die Deckel
von so vielen Sarkophagen auf das Treuste die Form eines Tempeldachs mit
seiner Ziegelbedeckung, seinen Akroterien und Giebclschmuck zeigen, wenn an
den vier Ecken des Sargkastens selbst Karyatiden oder Atlanten auftreten,
an seinem obern, umlaufenden Rande zuweilen ein dem dorischen Tempel¬
schmuck entlehntes Blätterornament, welches das Tragen einer ausruhenden
Last veranschaulicht, ringsum aber friesartige Compositionen angebracht sind,
so wird augenfällig, daß mit alle dem eine zwar nur äußerlich verständliche
aber eben doch verständliche Uebertragung von Tempelformen auf Grabmonu¬
mente ausgesprochen ist. Auch hat der zu Grund liegende Gedanke an sich
nichts befremdliches. Schon früh verehrte man in Griechenland ausgezeichnete
Todte als Heroen und erbaute ihnen Capellen. In der Kaiserzeit ist Nichts ge¬
wöhnlicher, als Grabmonumente mit dem äußern Schmuck von Tempeln zu
bekleiden. Als weitverbreitet tritt uns die Gewohnheit entgegen den Statuen
der Verstorbenen die Form von Götterbildern, den Typus des Dionysos oder
Hermes, der Demeter oder der mediceischen Venus zu geben. Sonach kann es
nur für folgerichtig gelten, wenn auch das unmittelbare Haus des Todten
selbst als eine Art Tempel auftritt. Wie die katholische Kirche die Gebeine
der Märtyrer in die Altäre überträgt, um diesen dadurch größere Heiligkeit
zu geben, so dient umgekehrt im Alterthum Altar und Tempel dem Todten
sinnbildlich als Schutz gegen Entweihung.
Wo dieser- Schutz bis in die jüngste Zeit fortwährte und ein günstiges
Geschick es gefügt hat, daß Sarkophage in ihren Grabmonumenten selbst
an der Stelle erhalten werden konnten, wo sie seit Jahrhunderten gestanden
haben, da stellt sich wie von selbst für viele einschlagende Fragen reichere Be¬
lehrung ein, als das eifrigste Studium der größten Museen zu bieten vermag.
Zunächst mag auffallen, wie dieselbe Auffassung, nach welcher noch heutzutag in
ganz Italien ein Begräbniß unmittelbar in die Erde für unwürdig gilt, so daß
selbst der Aermste es vorzieht, mit hundert andern in einer großen gemeinschaft-
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