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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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verletzen und die Behörden in die bis jetzt nicht gekannte Lage bringen,
gegen dasselbe nöthigenfalls mit Zwangsmaßregeln vorzugehen."

Indessen ließ sich die Landschaft, deren Deputation bereits bedeutet
worden war, daß diese Rechtsanschauung höchsten Ortes keinen Anklang finde,
auf dem Landtage gar bald eines Anderen belehren. Von ihrem Rechts¬
standpunkte herabtretend bot sie dem Großherzog SO Proc. des letztjährigen
Ertrages der genannten Steuern (nach Abrechnung der schon hinweggefalle¬
nen Quote der Brau- und der Mahlsteuer) unter der Voraussetzung der Be¬
steuerung der betreffenden ländlichen Betriebe an. Nach einigem Sträuben
der Regierung wurde auf Grund dieser Vorschläge die Einigung erzielt.

Nicht minder leicht wickelte sich eine andere Differenz ab. Auf Grund
einer Vereinbarung der mecklenburgischen Staatsregierungen mit dem Zoll¬
bundesrath war im der Vollziehung des Anschlusses Mecklenburgs an den
Zollverein eine Nachverzollung angeordnet worden, deren Nettoertrag zur
Hälfte in die landesherrliche Casse fließen und als Entschädigung für den
mit dem Eintritt in den Zollverein wegfallenden Transitzoll auf der Berlin-
Hamburger Eisenbahn dienen sollte. Die Verordnung litt an zahlreichen
Härten, und erregte dadurch, namentlich im Handelsstande große Unzufrieden¬
heit. Die anhaltende Bestürmung des Großherzogs und des Finanzministers
mit Petitionen und Deputationen rief endlich das Versprechen hervor, daß
den Benachteiligten, soweit nicht der großherzoglichen Regierung in dieser
Beziehung die Hände gebunden seien, eine Entschädigung gewährt werden
solle. Zum Entschädigungsfond wurde die Hälfte der großherzoglichen Ein¬
nahme aus der Nachsteuer bestimmt, und, als die Besorgniß entstand, daß
dies nicht ausreichen möchte, um alle berechtigten Reclamattonen zu befrie¬
digen, noch ein Theil des auf 780,000 Thlr. sich belaufenden Restes der alten
Zollcasse, falls dieser Rest dem Antrage gemäß dem Großherzog zur Ver¬
fügung gestellt würde. In dieser Gestalt kam die Sache vor den Landtag
mit der Aufforderung, daß die Stände durch Deputirte bei der Feststellung
der Entschädigung mitwirken möchten. Die Stände wiesen anfangs diese
Vorschläge entschieden zurück und machten den Versuch, die Rechtsgiltigkeit
der Nachsteuerverordnung anzufechten. Die Landschaft erklärte sogar den
Vertrag vom 23. Juli 1868 mit dem Zollbundesrath wegen der Nachver¬
zollung nicht für zu Recht bestehend, und wollte ihr ferneres Verhalten in
dieser Angelegenheit von dem Resultat einer Verhandlung über die Höhe der
zu gewährenden Entschädigung abhängig machen. Als aber ein großherzog¬
liches Rescript den Ständen vorhielt, daß nothwendige Ausführungsver¬
ordnungen nicht von ihrer Zustimmung abhängig gemacht werden könnten
und daß eine rasche Erledigung sich um so mehr empfehle, als der Gro߬
herzog dem Bunde gegenüber nicht in der Lage sei, die Beitreibung der


verletzen und die Behörden in die bis jetzt nicht gekannte Lage bringen,
gegen dasselbe nöthigenfalls mit Zwangsmaßregeln vorzugehen."

Indessen ließ sich die Landschaft, deren Deputation bereits bedeutet
worden war, daß diese Rechtsanschauung höchsten Ortes keinen Anklang finde,
auf dem Landtage gar bald eines Anderen belehren. Von ihrem Rechts¬
standpunkte herabtretend bot sie dem Großherzog SO Proc. des letztjährigen
Ertrages der genannten Steuern (nach Abrechnung der schon hinweggefalle¬
nen Quote der Brau- und der Mahlsteuer) unter der Voraussetzung der Be¬
steuerung der betreffenden ländlichen Betriebe an. Nach einigem Sträuben
der Regierung wurde auf Grund dieser Vorschläge die Einigung erzielt.

Nicht minder leicht wickelte sich eine andere Differenz ab. Auf Grund
einer Vereinbarung der mecklenburgischen Staatsregierungen mit dem Zoll¬
bundesrath war im der Vollziehung des Anschlusses Mecklenburgs an den
Zollverein eine Nachverzollung angeordnet worden, deren Nettoertrag zur
Hälfte in die landesherrliche Casse fließen und als Entschädigung für den
mit dem Eintritt in den Zollverein wegfallenden Transitzoll auf der Berlin-
Hamburger Eisenbahn dienen sollte. Die Verordnung litt an zahlreichen
Härten, und erregte dadurch, namentlich im Handelsstande große Unzufrieden¬
heit. Die anhaltende Bestürmung des Großherzogs und des Finanzministers
mit Petitionen und Deputationen rief endlich das Versprechen hervor, daß
den Benachteiligten, soweit nicht der großherzoglichen Regierung in dieser
Beziehung die Hände gebunden seien, eine Entschädigung gewährt werden
solle. Zum Entschädigungsfond wurde die Hälfte der großherzoglichen Ein¬
nahme aus der Nachsteuer bestimmt, und, als die Besorgniß entstand, daß
dies nicht ausreichen möchte, um alle berechtigten Reclamattonen zu befrie¬
digen, noch ein Theil des auf 780,000 Thlr. sich belaufenden Restes der alten
Zollcasse, falls dieser Rest dem Antrage gemäß dem Großherzog zur Ver¬
fügung gestellt würde. In dieser Gestalt kam die Sache vor den Landtag
mit der Aufforderung, daß die Stände durch Deputirte bei der Feststellung
der Entschädigung mitwirken möchten. Die Stände wiesen anfangs diese
Vorschläge entschieden zurück und machten den Versuch, die Rechtsgiltigkeit
der Nachsteuerverordnung anzufechten. Die Landschaft erklärte sogar den
Vertrag vom 23. Juli 1868 mit dem Zollbundesrath wegen der Nachver¬
zollung nicht für zu Recht bestehend, und wollte ihr ferneres Verhalten in
dieser Angelegenheit von dem Resultat einer Verhandlung über die Höhe der
zu gewährenden Entschädigung abhängig machen. Als aber ein großherzog¬
liches Rescript den Ständen vorhielt, daß nothwendige Ausführungsver¬
ordnungen nicht von ihrer Zustimmung abhängig gemacht werden könnten
und daß eine rasche Erledigung sich um so mehr empfehle, als der Gro߬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/228>, abgerufen am 28.09.2024.