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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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beim Beginn des Krieges kein volles Zutrauen zu seiner Armee gehabt zu
haben; er gab jetzt sein Spiel verloren und bat den Kaiser durch ein lakonisches
Telegramm, welches seine verzweifelte Stimmung sehr deutlich verräth, Frieden
zuschließen, die Armee sei zerrüttet. Seine geworfenen Corps waren jetzt
dicht gesammelt und wenig zu einem Angriff fähig, dazu die Nähe des Feindes.
Die Mahnungen aus Wien und einige Ruhetage, welche die Preußen dem
kaiserlichen Heere gönnten, hoben das östreichische Hauptquartier zu dem
Entschluß einer Desenfivschlacht.

Man hat die Wahl des Schlachtfeldes hinter der Bistritz durch Feld¬
zeugmeister Benedek getadelt, sehr streng und überlegen thut dies die östrei¬
chische officielle Schrift. Uns scheint dieses Urtheil wenig Berechtigung zu
haben, weil sie Eins außer Acht läßt: der Feldzeugmeister hatte auch darin
keine Wahl mehr. Die Corps der Armee, in der Mehrzahl einzeln geschlagen
und auf einen Haufen disponirt in den Tagen, wo man noch keine Kennt¬
niß von der Größe der Verluste hatte, waren nach einem Ruhetage wieder
befestigt, Soldaten und Führer fühlten sich zum ersten Mal als Theile eines
großen Heeres; muthete man den Corps jetzt sofort weiteren Rückzug, das
schwierige Auseinanderziehen und Marschgefechte mit einem energischen Feinde
zu, so ging nicht nur das wiederauflebende Selbstgefühl verloren, sondern
zuverlässig Zusammenhang und Kriegstüchtigkeit der Truppen, und es wurde
aus dem Rückzüge eine wüste Flucht, eine Schmach ohne Entscheidungsschlacht.

Erst am 2. Juli im Laufe des Tages erhielt die erste preußische Armee
vereinzelte Nachrichten, daß ein großer Theil des kaiserlichen Heeres in Ent¬
fernung von nicht viel mehr als einer Meile ihr gegenüber lag. Es war
das große Verdienst des Prinzen Friedrich Karl, daß er sogleich den Angriff
beschloß und dafür im Hauptquartier des Königs, welcher jetzt mit dem großen
Generalstabe bei der Armee angekommen war und den Oberbefehl übernom¬
men hatte, Genehmigung nachsuchte. Im Hauptquartier erkannte man
die volle Bedeutung des Moments und disponirte in den Abendstunden des
2. Juli die Schlacht für den nächsten Morgen. Die erste Armee sollte den
Feind in der Front beschäftigen, bis die zweite in der rechten Flanke und
im Rücken desselben erschienen sei, die Elbarmee die linke feindliche Flanke
ausrotte. Nach dieser Disposition wurde die Schlacht geschlagen. Und dieser
blutigeTag, so ruhmvoll für die Kämpfenden, war zugleich ein Tag des
Triumphes für den preußischen Generalstab, die letzte Vollendung des Feld¬
zugsplans. Auf dem Schlachtfelde zu Königgrätz wurde die thatsächliche Ver¬
einigung der preußischen Armeen bewirkt, und als am Abend der schweren
Schlacht die Fürsten des Hauses Hohenzollern, Vater und Sohn, und die Führer
der beiden Armeen einander auf dem Schlachtfelde begrüßten und ihre Heere
diesen Moment als einen großen in der preußischen Geschichte empfanden, da


beim Beginn des Krieges kein volles Zutrauen zu seiner Armee gehabt zu
haben; er gab jetzt sein Spiel verloren und bat den Kaiser durch ein lakonisches
Telegramm, welches seine verzweifelte Stimmung sehr deutlich verräth, Frieden
zuschließen, die Armee sei zerrüttet. Seine geworfenen Corps waren jetzt
dicht gesammelt und wenig zu einem Angriff fähig, dazu die Nähe des Feindes.
Die Mahnungen aus Wien und einige Ruhetage, welche die Preußen dem
kaiserlichen Heere gönnten, hoben das östreichische Hauptquartier zu dem
Entschluß einer Desenfivschlacht.

Man hat die Wahl des Schlachtfeldes hinter der Bistritz durch Feld¬
zeugmeister Benedek getadelt, sehr streng und überlegen thut dies die östrei¬
chische officielle Schrift. Uns scheint dieses Urtheil wenig Berechtigung zu
haben, weil sie Eins außer Acht läßt: der Feldzeugmeister hatte auch darin
keine Wahl mehr. Die Corps der Armee, in der Mehrzahl einzeln geschlagen
und auf einen Haufen disponirt in den Tagen, wo man noch keine Kennt¬
niß von der Größe der Verluste hatte, waren nach einem Ruhetage wieder
befestigt, Soldaten und Führer fühlten sich zum ersten Mal als Theile eines
großen Heeres; muthete man den Corps jetzt sofort weiteren Rückzug, das
schwierige Auseinanderziehen und Marschgefechte mit einem energischen Feinde
zu, so ging nicht nur das wiederauflebende Selbstgefühl verloren, sondern
zuverlässig Zusammenhang und Kriegstüchtigkeit der Truppen, und es wurde
aus dem Rückzüge eine wüste Flucht, eine Schmach ohne Entscheidungsschlacht.

Erst am 2. Juli im Laufe des Tages erhielt die erste preußische Armee
vereinzelte Nachrichten, daß ein großer Theil des kaiserlichen Heeres in Ent¬
fernung von nicht viel mehr als einer Meile ihr gegenüber lag. Es war
das große Verdienst des Prinzen Friedrich Karl, daß er sogleich den Angriff
beschloß und dafür im Hauptquartier des Königs, welcher jetzt mit dem großen
Generalstabe bei der Armee angekommen war und den Oberbefehl übernom¬
men hatte, Genehmigung nachsuchte. Im Hauptquartier erkannte man
die volle Bedeutung des Moments und disponirte in den Abendstunden des
2. Juli die Schlacht für den nächsten Morgen. Die erste Armee sollte den
Feind in der Front beschäftigen, bis die zweite in der rechten Flanke und
im Rücken desselben erschienen sei, die Elbarmee die linke feindliche Flanke
ausrotte. Nach dieser Disposition wurde die Schlacht geschlagen. Und dieser
blutigeTag, so ruhmvoll für die Kämpfenden, war zugleich ein Tag des
Triumphes für den preußischen Generalstab, die letzte Vollendung des Feld¬
zugsplans. Auf dem Schlachtfelde zu Königgrätz wurde die thatsächliche Ver¬
einigung der preußischen Armeen bewirkt, und als am Abend der schweren
Schlacht die Fürsten des Hauses Hohenzollern, Vater und Sohn, und die Führer
der beiden Armeen einander auf dem Schlachtfelde begrüßten und ihre Heere
diesen Moment als einen großen in der preußischen Geschichte empfanden, da


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/18>, abgerufen am 28.09.2024.