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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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preußische Armeecorps war zurückgeschlagen, das Lee zwar hatte sich nach hart¬
näckigem Treffen behauptet, aber der Erfolg des toten östreichischen Corps er¬
schien im Hauptquartier größer, als die Einbuße des 6ten, und man wußte
noch nicht, daß der östreichische Verlust sogar in dem siegreichen Kampf bei
Trautenau zum preußischen wie 4: 1 gewesen war.

Die Stunden vom 27. zum 28. Juni waren die verhängnißvollste Zeit
für den militärischen Ruf des Feldzeugmeisters v. Benedek. Der größte Theil
seines Heeres war herangekommen, fünf östreichische Armeecorps standen von
Skalitz bis Trautenau gegen zwei preußische. Denn das Iste preußische war
ohne Noth bis in die Grafschaft Glatz zurückgewichen und am 28. zu einem
Angriff nicht verwendbar; das 6te war mit Ausnahme der Brigade Hoffmann
noch einen schwachen Tagemarsch zurück, die Garde und das Corps Steinmetz
hätten am 28. einen combinirten Angriff gegen mehr als doppelte Uebermacht
allein aushalten müssen. Es soll nicht behauptet werden, daß das Endresultat
des ganzen Krieges dadurch ein wesentlich anderes geworden wäre, denn im
Ganzen betrachtet sind die Zusammenstöße im modernen Kriege ein gegen¬
seitiges langsames Abbrennen der militärischen Kraft, und da dieser Ver-
nichtungsproeeß das kaiserliche Heer bei allen größern Zusammenstößen drei,
ja fast fünf Mal stärker beschädigte, als das preußische, so ist die Annahme
wohl erlaubt, daß Steinmetz und die Garden am 28ten Juni bei anderer Dispo¬
sition des kaiserlichen Feldzeugmeisters dieselbe Arbeit gethan hätten, welche der
7. preußischen Division Fransecky einige Tage darauf bei Königgrätz zufiel.
Aber es ist wohl möglich, daß die politische Wirkung eines so disponirten
Angriffs für Oestreich günstiger ausgefallen wäre. Die mangelhaften Dispo¬
sitionen des östreichischen Generalstabs in jenen entscheidenden Stunden ver¬
ursachten am 28ten die unglücklichen Gefechte bei Skalitz und Soor; dadurch
wurde der siegreiche Einmarsch der 2. Armee gesichert. Auch die erste preußische
Armee hatte an diesem Tage ihr erstes großes Gefecht mit Clam-Gallas und
den Sachsen vor Gitschin, in welchem preußischerseits nach Concentrirungen
und Umgehungsversuchen zuletzt nur zwei Divisionen den Kampf gegen die
feindliche Streitmacht durchzufechten hatten. Beide Divisionsgeneräle, Tümp-
ling und Werber, thaten in ausgezeichneter Weise ihre Pflicht. Aber die
Vereinigung des 1. Corps und der Sachsen mit der östreichischen Hauptarmee
wurde nicht gehindert.

Am 29ten war, nachdem General Steinmetz noch ein kleineres, aber meister¬
haft disponirtes Treffen bei Schweinschädel bestanden hatte, die Elblinie in
Besitz der zweiten Armee, ihre Vereinigung mit der ersten gesichert; das
kaiserliche Heer hatte in wenigen Tagen 30,000 Mann verloren, 6 Corps
desselben waren stark erschüttert und Feldzeugmeister v. Benedek hatte guten
Grund, diesen Verlust einer verlorenen Schlacht gleichzustellen: er scheint schon


Grenzboten I. 18K9. 2

preußische Armeecorps war zurückgeschlagen, das Lee zwar hatte sich nach hart¬
näckigem Treffen behauptet, aber der Erfolg des toten östreichischen Corps er¬
schien im Hauptquartier größer, als die Einbuße des 6ten, und man wußte
noch nicht, daß der östreichische Verlust sogar in dem siegreichen Kampf bei
Trautenau zum preußischen wie 4: 1 gewesen war.

Die Stunden vom 27. zum 28. Juni waren die verhängnißvollste Zeit
für den militärischen Ruf des Feldzeugmeisters v. Benedek. Der größte Theil
seines Heeres war herangekommen, fünf östreichische Armeecorps standen von
Skalitz bis Trautenau gegen zwei preußische. Denn das Iste preußische war
ohne Noth bis in die Grafschaft Glatz zurückgewichen und am 28. zu einem
Angriff nicht verwendbar; das 6te war mit Ausnahme der Brigade Hoffmann
noch einen schwachen Tagemarsch zurück, die Garde und das Corps Steinmetz
hätten am 28. einen combinirten Angriff gegen mehr als doppelte Uebermacht
allein aushalten müssen. Es soll nicht behauptet werden, daß das Endresultat
des ganzen Krieges dadurch ein wesentlich anderes geworden wäre, denn im
Ganzen betrachtet sind die Zusammenstöße im modernen Kriege ein gegen¬
seitiges langsames Abbrennen der militärischen Kraft, und da dieser Ver-
nichtungsproeeß das kaiserliche Heer bei allen größern Zusammenstößen drei,
ja fast fünf Mal stärker beschädigte, als das preußische, so ist die Annahme
wohl erlaubt, daß Steinmetz und die Garden am 28ten Juni bei anderer Dispo¬
sition des kaiserlichen Feldzeugmeisters dieselbe Arbeit gethan hätten, welche der
7. preußischen Division Fransecky einige Tage darauf bei Königgrätz zufiel.
Aber es ist wohl möglich, daß die politische Wirkung eines so disponirten
Angriffs für Oestreich günstiger ausgefallen wäre. Die mangelhaften Dispo¬
sitionen des östreichischen Generalstabs in jenen entscheidenden Stunden ver¬
ursachten am 28ten die unglücklichen Gefechte bei Skalitz und Soor; dadurch
wurde der siegreiche Einmarsch der 2. Armee gesichert. Auch die erste preußische
Armee hatte an diesem Tage ihr erstes großes Gefecht mit Clam-Gallas und
den Sachsen vor Gitschin, in welchem preußischerseits nach Concentrirungen
und Umgehungsversuchen zuletzt nur zwei Divisionen den Kampf gegen die
feindliche Streitmacht durchzufechten hatten. Beide Divisionsgeneräle, Tümp-
ling und Werber, thaten in ausgezeichneter Weise ihre Pflicht. Aber die
Vereinigung des 1. Corps und der Sachsen mit der östreichischen Hauptarmee
wurde nicht gehindert.

Am 29ten war, nachdem General Steinmetz noch ein kleineres, aber meister¬
haft disponirtes Treffen bei Schweinschädel bestanden hatte, die Elblinie in
Besitz der zweiten Armee, ihre Vereinigung mit der ersten gesichert; das
kaiserliche Heer hatte in wenigen Tagen 30,000 Mann verloren, 6 Corps
desselben waren stark erschüttert und Feldzeugmeister v. Benedek hatte guten
Grund, diesen Verlust einer verlorenen Schlacht gleichzustellen: er scheint schon


Grenzboten I. 18K9. 2
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/17>, abgerufen am 28.09.2024.