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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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durfte General Moltke sich in der Stille sagen, daß er der Reisemarschall
gewesen war, welcher dieses Zusammentreffen und fast genau dieselbe Stelle
schon vor Wochen erschaut und die Etappen dafür allseitig richtig deponirt hatte.

Freilich in der Ausführung wurden die Dispositionen dieses Tages
wieder in sehr merkwürdiger Weise modificirt. Da die Armee des Kron¬
prinzen weit--zu weit --zurückstand, wurde das entscheidende Eingreifen der¬
selben im Hauptquartiere erst gegen Mittag erwartet, immer noch zu früh.
Bei den wenigen Stunden, welche vor der Schlacht für die Befehle blieben, und
bei den regendurchweichten Wegen und dem unwegsamen Terrain vermochte
die Armee nur sehr allmälig heranzukommen, ihre Corps hätten nicht vor
den späten Nachmittagsstunden einen regelmäßigen, und combinirten Angriff
auf die feste Stellung der östreichischen Armee erfolgreich machen können,
auch günstige Entscheidung wäre spät eingetreten und hätte der zweiten Armee
ungleich größere Opfer gekostet. Da geschah es, daß durch ein Ereigniß,
welches von dem Obercommando nicht beabsichtigt war, der rechte Flügel
des östreichischen Heeres schon in den Morgenstunden durch einen ganz außer¬
ordentlichen Kampf zum großen Theil verbraucht wurde.

Die Oestreicher hatten sür ihre Defensive die Höhen hinter dem sumpfigen
Grunde der Bistritz in einem flachen Kreisbogen von etwa IV" Meile Länge
besetzt, zum Theil verschanzt, sie beherrschten das Vorterrain durch ein furcht¬
bares Artilleriefeuer, ihre Stellung war in der Front sehr stark und fast
nicht zu erstürmen. Da die erste Armee die Aufgabe hatte, den Feind fest¬
zuhalten, so überschritten die Divisionen ihres ersten Treffens kurz vor
8 Uhr die Bistritz und oeeupirten das Vorterrain; sie hatten schon bei diesem
Vordringen massenhafte Verluste, welche allerdings durch den Eiser einzelner
Commandos und der Truppen, die zu weit vorbrachen, noch über das Un¬
vermeidliche gesteigert wurden. Während so auf der ganzen Linie der Kampf
bis in die ersten Nachmittagsstunden mit kleinem Terrain-Gewinn und
Verlust hingehalten wurde, hatte sich der Commandeur der 7. preußischen
Division, General Fransecky, auf dem äußersten rechten Flügel des Frontal¬
angriffs der ersten Armee sofort nach dem Befehl zum Angriff in den Wald
von Maslowed geworfen, welcher nahe vor den stärksten Punkten der öst¬
reichischen Stellung lag, hatte dort allein mit seiner Division, nur von
einigen Bataillonen der 8. Division unterstützt, den Kampf gegen eine
immer gesteigerte feindliche Uebermacht aufgenommen und mit einer Zähigkeit
und Tapferkeit durchgeführt, welche in der neuen Kriegsgeschichte wenig
Seitenstücke findet. Durch 6 Stunden behauptete er dies Terrain mit etwa
14 Bataillonen gegen 3 östreichische Armeecorps, circa 80 Bataillone; die
Verluste seiner Division waren ungeheuer, aber er zerrieb auch die Kraft
der östreichischen Streitmacht, welcher die Aufgabe hätte zufallen müssen,


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durfte General Moltke sich in der Stille sagen, daß er der Reisemarschall
gewesen war, welcher dieses Zusammentreffen und fast genau dieselbe Stelle
schon vor Wochen erschaut und die Etappen dafür allseitig richtig deponirt hatte.

Freilich in der Ausführung wurden die Dispositionen dieses Tages
wieder in sehr merkwürdiger Weise modificirt. Da die Armee des Kron¬
prinzen weit—zu weit —zurückstand, wurde das entscheidende Eingreifen der¬
selben im Hauptquartiere erst gegen Mittag erwartet, immer noch zu früh.
Bei den wenigen Stunden, welche vor der Schlacht für die Befehle blieben, und
bei den regendurchweichten Wegen und dem unwegsamen Terrain vermochte
die Armee nur sehr allmälig heranzukommen, ihre Corps hätten nicht vor
den späten Nachmittagsstunden einen regelmäßigen, und combinirten Angriff
auf die feste Stellung der östreichischen Armee erfolgreich machen können,
auch günstige Entscheidung wäre spät eingetreten und hätte der zweiten Armee
ungleich größere Opfer gekostet. Da geschah es, daß durch ein Ereigniß,
welches von dem Obercommando nicht beabsichtigt war, der rechte Flügel
des östreichischen Heeres schon in den Morgenstunden durch einen ganz außer¬
ordentlichen Kampf zum großen Theil verbraucht wurde.

Die Oestreicher hatten sür ihre Defensive die Höhen hinter dem sumpfigen
Grunde der Bistritz in einem flachen Kreisbogen von etwa IV» Meile Länge
besetzt, zum Theil verschanzt, sie beherrschten das Vorterrain durch ein furcht¬
bares Artilleriefeuer, ihre Stellung war in der Front sehr stark und fast
nicht zu erstürmen. Da die erste Armee die Aufgabe hatte, den Feind fest¬
zuhalten, so überschritten die Divisionen ihres ersten Treffens kurz vor
8 Uhr die Bistritz und oeeupirten das Vorterrain; sie hatten schon bei diesem
Vordringen massenhafte Verluste, welche allerdings durch den Eiser einzelner
Commandos und der Truppen, die zu weit vorbrachen, noch über das Un¬
vermeidliche gesteigert wurden. Während so auf der ganzen Linie der Kampf
bis in die ersten Nachmittagsstunden mit kleinem Terrain-Gewinn und
Verlust hingehalten wurde, hatte sich der Commandeur der 7. preußischen
Division, General Fransecky, auf dem äußersten rechten Flügel des Frontal¬
angriffs der ersten Armee sofort nach dem Befehl zum Angriff in den Wald
von Maslowed geworfen, welcher nahe vor den stärksten Punkten der öst¬
reichischen Stellung lag, hatte dort allein mit seiner Division, nur von
einigen Bataillonen der 8. Division unterstützt, den Kampf gegen eine
immer gesteigerte feindliche Uebermacht aufgenommen und mit einer Zähigkeit
und Tapferkeit durchgeführt, welche in der neuen Kriegsgeschichte wenig
Seitenstücke findet. Durch 6 Stunden behauptete er dies Terrain mit etwa
14 Bataillonen gegen 3 östreichische Armeecorps, circa 80 Bataillone; die
Verluste seiner Division waren ungeheuer, aber er zerrieb auch die Kraft
der östreichischen Streitmacht, welcher die Aufgabe hätte zufallen müssen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/19>, abgerufen am 28.09.2024.