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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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africanischen Helden. Jetzt nach der Schlacht ritt Masinissa dem Lälius
voraus nach Cirta. der Hauptstadt des Syphax. Als er zum Königspalast
kam. trat ihm Sophoniba entgegen, sank zu seinen Füßen und beschwor mit
schmeichelnder Innigkeit, nur er, der Sohn des Landes, möge über ihr
Leben verfügen, sie aber nimmer der hochmüthigen Feindschaft der Römer
ausliefern. Auch Masinissa wurde von plötzlicher Leidenschaft für die Un¬
widerstehliche ergriffen, er versprach, ihren Wunsch zu erfüllen, und ver¬
mählte sich auf der Stelle mit ihr, weil er sie nur als seine Gemahlin
retten könne. Als Lälius dies erfuhr, verlangte er unwillig die Auslieferung
der Sophoniba. überließ endlich auf das Bitten des Massinissa die Ent¬
scheidung dem Scipio. Diesem aber erschien die hastige Vermählung als ge¬
fährlich. Denn als er den gefangenen Syphax, der einst auch sein Gastfreund
gewesen war, vor sich führen ließ und wegen der Feindschaft gegen die Römer
schalt, da legte Syphax, von Zorn und Eifersucht gestachelt, die ganze
Schuld seiner Feindschaft auf das Haupt des dämonischen Weibes und warnte
den Scipio. sie werde den Masinissa ebenso bethören, wie ihn selbst. Als
nun Masinissa im Lager erschien, empfing ihn Scipio gütig, mahnte ihn
in vertrauter Unterredung eindringlich an die hohen Zielpunkte seines eigenen
Lebens und an die Treue und Selbstüberwindung, die er ihm oft bewährt,
und forderte von ihm die Auslieferung der gefährlichen Feindin. Masinissa
brach in Thränen aus und suchte vergebens den Willen Scipio's zu beugen.
Der Römer blieb fest. Da that Masinissa das Letzte, um der Geliebten sein
Wort zu halten: er übersandte ihr das Gift, welches er sich selbst für den
äußersten Fall durch einen vertrauten Sclaven verwahren ließ, und dazu die
Botschaft, nur dadurch könne er ihr seine Treue erweisen, daß er sie nicht lebend
in die Hände der Römer kommen lasse. Stolz empfing die Frau den Becher.
"Ich nehme das Hochzeitsgeschenk an. und mit Dank, wenn der Gemahl
Anderes nicht zu senden vermochte; nur das melde ihm, ich würde besser
sterben, wenn ich nicht bei meiner Leichenfeier mich vermählt hätte." So
leerte sie den Becher.

Das ist der Bericht des Livius, welchem man ansieht, daß bereits die
Sage und vielleicht die Kunst an der Ausmalung der Anekdote gearbeitet hatte.
Andere Erzähler bringen die Einzelheiten dieser Geschichte durch kleine poe¬
tische Zusätze in festere Verbindung: Masinissa sei schon früher als Jüngling
der Sophoniba verlobt gewesen; ferner, sie habe ihm, da er als Steger der
Hauptstadt Cirta nahte, einen Boten entgegensandt, der die Vermählung
mit Syphax durch Zwang entschuldigte; dann. Masinissa habe ihr selbst im
Geheimen auf fliegendem Rosse das Gift gebracht und die Wahl gelassen,
ob sie lieber trinken wolle, oder aus freiem Willen sich den Römern über¬
liefern. Nur diese Worte habe er gesprochen, dann sei er davon gejagt, sie


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africanischen Helden. Jetzt nach der Schlacht ritt Masinissa dem Lälius
voraus nach Cirta. der Hauptstadt des Syphax. Als er zum Königspalast
kam. trat ihm Sophoniba entgegen, sank zu seinen Füßen und beschwor mit
schmeichelnder Innigkeit, nur er, der Sohn des Landes, möge über ihr
Leben verfügen, sie aber nimmer der hochmüthigen Feindschaft der Römer
ausliefern. Auch Masinissa wurde von plötzlicher Leidenschaft für die Un¬
widerstehliche ergriffen, er versprach, ihren Wunsch zu erfüllen, und ver¬
mählte sich auf der Stelle mit ihr, weil er sie nur als seine Gemahlin
retten könne. Als Lälius dies erfuhr, verlangte er unwillig die Auslieferung
der Sophoniba. überließ endlich auf das Bitten des Massinissa die Ent¬
scheidung dem Scipio. Diesem aber erschien die hastige Vermählung als ge¬
fährlich. Denn als er den gefangenen Syphax, der einst auch sein Gastfreund
gewesen war, vor sich führen ließ und wegen der Feindschaft gegen die Römer
schalt, da legte Syphax, von Zorn und Eifersucht gestachelt, die ganze
Schuld seiner Feindschaft auf das Haupt des dämonischen Weibes und warnte
den Scipio. sie werde den Masinissa ebenso bethören, wie ihn selbst. Als
nun Masinissa im Lager erschien, empfing ihn Scipio gütig, mahnte ihn
in vertrauter Unterredung eindringlich an die hohen Zielpunkte seines eigenen
Lebens und an die Treue und Selbstüberwindung, die er ihm oft bewährt,
und forderte von ihm die Auslieferung der gefährlichen Feindin. Masinissa
brach in Thränen aus und suchte vergebens den Willen Scipio's zu beugen.
Der Römer blieb fest. Da that Masinissa das Letzte, um der Geliebten sein
Wort zu halten: er übersandte ihr das Gift, welches er sich selbst für den
äußersten Fall durch einen vertrauten Sclaven verwahren ließ, und dazu die
Botschaft, nur dadurch könne er ihr seine Treue erweisen, daß er sie nicht lebend
in die Hände der Römer kommen lasse. Stolz empfing die Frau den Becher.
„Ich nehme das Hochzeitsgeschenk an. und mit Dank, wenn der Gemahl
Anderes nicht zu senden vermochte; nur das melde ihm, ich würde besser
sterben, wenn ich nicht bei meiner Leichenfeier mich vermählt hätte." So
leerte sie den Becher.

Das ist der Bericht des Livius, welchem man ansieht, daß bereits die
Sage und vielleicht die Kunst an der Ausmalung der Anekdote gearbeitet hatte.
Andere Erzähler bringen die Einzelheiten dieser Geschichte durch kleine poe¬
tische Zusätze in festere Verbindung: Masinissa sei schon früher als Jüngling
der Sophoniba verlobt gewesen; ferner, sie habe ihm, da er als Steger der
Hauptstadt Cirta nahte, einen Boten entgegensandt, der die Vermählung
mit Syphax durch Zwang entschuldigte; dann. Masinissa habe ihr selbst im
Geheimen auf fliegendem Rosse das Gift gebracht und die Wahl gelassen,
ob sie lieber trinken wolle, oder aus freiem Willen sich den Römern über¬
liefern. Nur diese Worte habe er gesprochen, dann sei er davon gejagt, sie


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[0175] africanischen Helden. Jetzt nach der Schlacht ritt Masinissa dem Lälius voraus nach Cirta. der Hauptstadt des Syphax. Als er zum Königspalast kam. trat ihm Sophoniba entgegen, sank zu seinen Füßen und beschwor mit schmeichelnder Innigkeit, nur er, der Sohn des Landes, möge über ihr Leben verfügen, sie aber nimmer der hochmüthigen Feindschaft der Römer ausliefern. Auch Masinissa wurde von plötzlicher Leidenschaft für die Un¬ widerstehliche ergriffen, er versprach, ihren Wunsch zu erfüllen, und ver¬ mählte sich auf der Stelle mit ihr, weil er sie nur als seine Gemahlin retten könne. Als Lälius dies erfuhr, verlangte er unwillig die Auslieferung der Sophoniba. überließ endlich auf das Bitten des Massinissa die Ent¬ scheidung dem Scipio. Diesem aber erschien die hastige Vermählung als ge¬ fährlich. Denn als er den gefangenen Syphax, der einst auch sein Gastfreund gewesen war, vor sich führen ließ und wegen der Feindschaft gegen die Römer schalt, da legte Syphax, von Zorn und Eifersucht gestachelt, die ganze Schuld seiner Feindschaft auf das Haupt des dämonischen Weibes und warnte den Scipio. sie werde den Masinissa ebenso bethören, wie ihn selbst. Als nun Masinissa im Lager erschien, empfing ihn Scipio gütig, mahnte ihn in vertrauter Unterredung eindringlich an die hohen Zielpunkte seines eigenen Lebens und an die Treue und Selbstüberwindung, die er ihm oft bewährt, und forderte von ihm die Auslieferung der gefährlichen Feindin. Masinissa brach in Thränen aus und suchte vergebens den Willen Scipio's zu beugen. Der Römer blieb fest. Da that Masinissa das Letzte, um der Geliebten sein Wort zu halten: er übersandte ihr das Gift, welches er sich selbst für den äußersten Fall durch einen vertrauten Sclaven verwahren ließ, und dazu die Botschaft, nur dadurch könne er ihr seine Treue erweisen, daß er sie nicht lebend in die Hände der Römer kommen lasse. Stolz empfing die Frau den Becher. „Ich nehme das Hochzeitsgeschenk an. und mit Dank, wenn der Gemahl Anderes nicht zu senden vermochte; nur das melde ihm, ich würde besser sterben, wenn ich nicht bei meiner Leichenfeier mich vermählt hätte." So leerte sie den Becher. Das ist der Bericht des Livius, welchem man ansieht, daß bereits die Sage und vielleicht die Kunst an der Ausmalung der Anekdote gearbeitet hatte. Andere Erzähler bringen die Einzelheiten dieser Geschichte durch kleine poe¬ tische Zusätze in festere Verbindung: Masinissa sei schon früher als Jüngling der Sophoniba verlobt gewesen; ferner, sie habe ihm, da er als Steger der Hauptstadt Cirta nahte, einen Boten entgegensandt, der die Vermählung mit Syphax durch Zwang entschuldigte; dann. Masinissa habe ihr selbst im Geheimen auf fliegendem Rosse das Gift gebracht und die Wahl gelassen, ob sie lieber trinken wolle, oder aus freiem Willen sich den Römern über¬ liefern. Nur diese Worte habe er gesprochen, dann sei er davon gejagt, sie 21*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/175>, abgerufen am 28.09.2024.