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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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Moltke, die Waffenstreckung der hannöverschen Armee zu verlangen, weil sie
von allen Seiten umstellt sei. Man wies die Verhandlung zurück und be¬
hielt den Parlamentär wegen mangelnder Legitimation im hannöverschen
Hauptquartier, sandte aber in der Absicht. Erkundigungen einzuziehen und
Verhandlungen anzuknüpfen, den Major von Jacobi nach Gotha, um mit
dem General von Moltke in Berlin in Communication zu treten. Der Major
von Jacobi hatte von Gotha aus direct an denselben telegraphirt und für
die hannöversche Armee freien Weg nach Süddeutschland, wo sie längere Zeit
den Feindseligkeiten fern bleiben könnte, gefordert. Ohne die Antwort ab¬
zuwarten war derselbe in der Frühe des 24. nach Langensalza zurückgekehrt.
Eine beim König von Hannover alsbald stattgefundene Berathung hatte zu
dem Resultate geführt, daß die angefangenen Unterhandlungen fortgesetzt und,
um dieselben nicht zu compromittiren, Feindseligkeiten vermieden werden
sollten. Aus diesem Grunde unterließ man, nach der Angabe des officiellen
hannöverschen Berichts, den nahezu offnen Weg über Eisenach zu betreten."

Dies war der kurze Verlauf der Beziehungen zwischen Gotha und dem Heer
des Königs von Hannover bis zum 24. Juni. Jene erste Aufforderung Herrn
v. Moltke's an den König von Hannover vom 23. Juni, die Waffen zu
strecken, nahm eine Sachlage an, welche zur Zeit nicht bestand: um die
hannöversche Armee zog sich von drei Seiten das Netz zusammen, der Ab¬
marsch nach Süden war noch offen. Ob man in Berlin die Einschließung
in Wahrheit als genügend betrachtete, oder ob man nur Zeit gewinnen
wollte, um sie zu vollenden, wissen wir nicht. Soviel aber ist klar, daß
die Hannoveraner in der Hoffnung, die bairische Armee werde zu ihrer
Degagirung herankommen, ebenfalls Zeit gewinnen und zu diesem Zweck
den Gegner Hinhalten wollten. Major v. Jacobi brachte am 23. aus Gotha,
wo er mit dem Herzog in keinerlei Verbindung gewesen war, die Ansicht
in das hannöversche Hauptquartier zurück, daß die Armee bereits umstellt sei.
Oberst von Dämmers, am 24. mit Jacobi nach Gotha zur Fortsetzung der
Verhandlungen gesendet, gewann auf dem Wege nach Gotha die entgegen¬
gesetzte Ansicht; er erfuhr von dem preußischen Obersten v. Fabeck, daß
der Herzog von Gotha nicht das Commando über die Truppen habe, setzte,
obgleich sein Austrag an den commandirenden General lautete, dennoch
seinen Weg fort, ließ sich bei dem Herzog melden und trat in Verhandlun-
gen mit demselben ein, sandte aber während derselben den Hauptmann v.
Krause mit dem Rathe in sein Hauptquartier, sogleich zwei Brigaden in
Eisenach einrücken zu lassen. Während der Herzog von Gotha mit bester
Meinung und aller Treue die Vermittelung übernahm und während Oberst
v. Dämmers in einem Telegramme nach Berlin Abmarsch der hannöverschen
Armee nach dem Süden und Neutralität derselben für ein Jahr anbot und


Moltke, die Waffenstreckung der hannöverschen Armee zu verlangen, weil sie
von allen Seiten umstellt sei. Man wies die Verhandlung zurück und be¬
hielt den Parlamentär wegen mangelnder Legitimation im hannöverschen
Hauptquartier, sandte aber in der Absicht. Erkundigungen einzuziehen und
Verhandlungen anzuknüpfen, den Major von Jacobi nach Gotha, um mit
dem General von Moltke in Berlin in Communication zu treten. Der Major
von Jacobi hatte von Gotha aus direct an denselben telegraphirt und für
die hannöversche Armee freien Weg nach Süddeutschland, wo sie längere Zeit
den Feindseligkeiten fern bleiben könnte, gefordert. Ohne die Antwort ab¬
zuwarten war derselbe in der Frühe des 24. nach Langensalza zurückgekehrt.
Eine beim König von Hannover alsbald stattgefundene Berathung hatte zu
dem Resultate geführt, daß die angefangenen Unterhandlungen fortgesetzt und,
um dieselben nicht zu compromittiren, Feindseligkeiten vermieden werden
sollten. Aus diesem Grunde unterließ man, nach der Angabe des officiellen
hannöverschen Berichts, den nahezu offnen Weg über Eisenach zu betreten."

Dies war der kurze Verlauf der Beziehungen zwischen Gotha und dem Heer
des Königs von Hannover bis zum 24. Juni. Jene erste Aufforderung Herrn
v. Moltke's an den König von Hannover vom 23. Juni, die Waffen zu
strecken, nahm eine Sachlage an, welche zur Zeit nicht bestand: um die
hannöversche Armee zog sich von drei Seiten das Netz zusammen, der Ab¬
marsch nach Süden war noch offen. Ob man in Berlin die Einschließung
in Wahrheit als genügend betrachtete, oder ob man nur Zeit gewinnen
wollte, um sie zu vollenden, wissen wir nicht. Soviel aber ist klar, daß
die Hannoveraner in der Hoffnung, die bairische Armee werde zu ihrer
Degagirung herankommen, ebenfalls Zeit gewinnen und zu diesem Zweck
den Gegner Hinhalten wollten. Major v. Jacobi brachte am 23. aus Gotha,
wo er mit dem Herzog in keinerlei Verbindung gewesen war, die Ansicht
in das hannöversche Hauptquartier zurück, daß die Armee bereits umstellt sei.
Oberst von Dämmers, am 24. mit Jacobi nach Gotha zur Fortsetzung der
Verhandlungen gesendet, gewann auf dem Wege nach Gotha die entgegen¬
gesetzte Ansicht; er erfuhr von dem preußischen Obersten v. Fabeck, daß
der Herzog von Gotha nicht das Commando über die Truppen habe, setzte,
obgleich sein Austrag an den commandirenden General lautete, dennoch
seinen Weg fort, ließ sich bei dem Herzog melden und trat in Verhandlun-
gen mit demselben ein, sandte aber während derselben den Hauptmann v.
Krause mit dem Rathe in sein Hauptquartier, sogleich zwei Brigaden in
Eisenach einrücken zu lassen. Während der Herzog von Gotha mit bester
Meinung und aller Treue die Vermittelung übernahm und während Oberst
v. Dämmers in einem Telegramme nach Berlin Abmarsch der hannöverschen
Armee nach dem Süden und Neutralität derselben für ein Jahr anbot und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/169>, abgerufen am 28.09.2024.