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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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starke Meile von der thüringischen Eisenbahn bei Mechterstedt, dem Ueber-
gangspunkte nach Waltershausen, und von Eisenach wie von Gotha etwa
zwei Meilen entfernt liegen. Eine Patrouille der Avantgarde ritt noch am
Nachmittage in die Stadt Eisenach hinein und fand dieselbe völlig unbesetzt.
Ein Detachement von Reiterei und Pionieren machte in der Nacht einen
Versuch, die Eisenbahn bei Mechterstedt zu zerstören. Die hannöversche Armee
hätte, wenn sie von Mühlhausen geradewegs auf Eisenach rückte, schon am
Mittage des 23., ohne einen Schuß zu thun, diese Stadt besetzen können.
Trotz des Umwegs, den sie über Langensalza gemacht hatte, konnte sie ohne
erhebliche Anstrengung am Vormittage des 24. die Defileen des thüringer
Waldes entweder über Mechterstedt bei Waltershausen, oder unmittelbar bei
Eisenach besetzen. Bei Mechterstedt standen 1^ preußische Compagnien, bei
Eisenach am Morgen des 24. zwei von Berlin geschickte Bataillone, von
denen jene Abtheilung detachirt war.

Die hannöversche Armee konnte gleichfalls am 24. den Weg über Gotha
einschlagen. Da der Herzog von Coburg und Gotha schon vor dem 21. Juni
sein Regiment dem König von Preußen zur Verfügung gestellt hatte, so
durfte man erwarten, hier auf feindliche Truppen, wenn auch nicht in be¬
deutender Stärke, zu stoßen. Etwa 2250 Mann, theils coburg-gothaische, theils
preußische Mannschaften, standen vor Gotha. Man mußte auf allen Punkten
am 24. auf Widerstand gefaßt sein. Ueber den Ausgang desselben konnte für
Jemand, der die Zahl und die Tüchtigkeit der hannöverschen Armee kannte,
kein Zweifel sein. In der That hatte man am Nachmittage des 23. im
hannöverschen Hauptquartiere den bestimmten Entschluß gefaßt, am folgenden
Tage die Besitznahme von Gotha zu erzwingen. Die Disposition dafür war
ausgegeben. Auf die Nachricht hin, daß Eisenach ganz unbesetzt sei, gab
man diesen Plan in der Frühe des 24. auf und beschloß die Avantgarde
nach Eisenach zu werfen, die übrigen Truppen derselben folgen und nur eine
Brigade nach Gotha demonstriren zu lassen. Das Gros stellte sich am Mor¬
gen des 24., in Folge des Befehls vom vorigen Tage, südlich von Langen¬
salza auf und die Avantgarde leitete in Folge des neuesten Entschlusses die
Bewegung gegen Eisenach ein. In wenigen Stunden konnten die Defileen
des thüringer Waldes bei Eisenach besetzt sein -- als etwa um ?Vü Uhr
Morgens jede Bewegung sistirt und sowohl das Gros, als auch die Avant¬
garde in die Cantvnnements vom vorigen Tage entlassen wurdet

Die Ursache dieses Gegenbefehls lag in dem Wunsche zu unterhandeln.
Tags zuvor, am Vormittage des 23., war, als sich die hannöversche Armee
auf dem Marsche nach Langensalza befand, ein preußischer Parlamentär,
Hauptmann von Zielberg, von Eisenach aus bei derselben eingetroffen, um
im Auftrage des Chefs des preußischen Generalstabes, Generals von


starke Meile von der thüringischen Eisenbahn bei Mechterstedt, dem Ueber-
gangspunkte nach Waltershausen, und von Eisenach wie von Gotha etwa
zwei Meilen entfernt liegen. Eine Patrouille der Avantgarde ritt noch am
Nachmittage in die Stadt Eisenach hinein und fand dieselbe völlig unbesetzt.
Ein Detachement von Reiterei und Pionieren machte in der Nacht einen
Versuch, die Eisenbahn bei Mechterstedt zu zerstören. Die hannöversche Armee
hätte, wenn sie von Mühlhausen geradewegs auf Eisenach rückte, schon am
Mittage des 23., ohne einen Schuß zu thun, diese Stadt besetzen können.
Trotz des Umwegs, den sie über Langensalza gemacht hatte, konnte sie ohne
erhebliche Anstrengung am Vormittage des 24. die Defileen des thüringer
Waldes entweder über Mechterstedt bei Waltershausen, oder unmittelbar bei
Eisenach besetzen. Bei Mechterstedt standen 1^ preußische Compagnien, bei
Eisenach am Morgen des 24. zwei von Berlin geschickte Bataillone, von
denen jene Abtheilung detachirt war.

Die hannöversche Armee konnte gleichfalls am 24. den Weg über Gotha
einschlagen. Da der Herzog von Coburg und Gotha schon vor dem 21. Juni
sein Regiment dem König von Preußen zur Verfügung gestellt hatte, so
durfte man erwarten, hier auf feindliche Truppen, wenn auch nicht in be¬
deutender Stärke, zu stoßen. Etwa 2250 Mann, theils coburg-gothaische, theils
preußische Mannschaften, standen vor Gotha. Man mußte auf allen Punkten
am 24. auf Widerstand gefaßt sein. Ueber den Ausgang desselben konnte für
Jemand, der die Zahl und die Tüchtigkeit der hannöverschen Armee kannte,
kein Zweifel sein. In der That hatte man am Nachmittage des 23. im
hannöverschen Hauptquartiere den bestimmten Entschluß gefaßt, am folgenden
Tage die Besitznahme von Gotha zu erzwingen. Die Disposition dafür war
ausgegeben. Auf die Nachricht hin, daß Eisenach ganz unbesetzt sei, gab
man diesen Plan in der Frühe des 24. auf und beschloß die Avantgarde
nach Eisenach zu werfen, die übrigen Truppen derselben folgen und nur eine
Brigade nach Gotha demonstriren zu lassen. Das Gros stellte sich am Mor¬
gen des 24., in Folge des Befehls vom vorigen Tage, südlich von Langen¬
salza auf und die Avantgarde leitete in Folge des neuesten Entschlusses die
Bewegung gegen Eisenach ein. In wenigen Stunden konnten die Defileen
des thüringer Waldes bei Eisenach besetzt sein — als etwa um ?Vü Uhr
Morgens jede Bewegung sistirt und sowohl das Gros, als auch die Avant¬
garde in die Cantvnnements vom vorigen Tage entlassen wurdet

Die Ursache dieses Gegenbefehls lag in dem Wunsche zu unterhandeln.
Tags zuvor, am Vormittage des 23., war, als sich die hannöversche Armee
auf dem Marsche nach Langensalza befand, ein preußischer Parlamentär,
Hauptmann von Zielberg, von Eisenach aus bei derselben eingetroffen, um
im Auftrage des Chefs des preußischen Generalstabes, Generals von


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[0168] starke Meile von der thüringischen Eisenbahn bei Mechterstedt, dem Ueber- gangspunkte nach Waltershausen, und von Eisenach wie von Gotha etwa zwei Meilen entfernt liegen. Eine Patrouille der Avantgarde ritt noch am Nachmittage in die Stadt Eisenach hinein und fand dieselbe völlig unbesetzt. Ein Detachement von Reiterei und Pionieren machte in der Nacht einen Versuch, die Eisenbahn bei Mechterstedt zu zerstören. Die hannöversche Armee hätte, wenn sie von Mühlhausen geradewegs auf Eisenach rückte, schon am Mittage des 23., ohne einen Schuß zu thun, diese Stadt besetzen können. Trotz des Umwegs, den sie über Langensalza gemacht hatte, konnte sie ohne erhebliche Anstrengung am Vormittage des 24. die Defileen des thüringer Waldes entweder über Mechterstedt bei Waltershausen, oder unmittelbar bei Eisenach besetzen. Bei Mechterstedt standen 1^ preußische Compagnien, bei Eisenach am Morgen des 24. zwei von Berlin geschickte Bataillone, von denen jene Abtheilung detachirt war. Die hannöversche Armee konnte gleichfalls am 24. den Weg über Gotha einschlagen. Da der Herzog von Coburg und Gotha schon vor dem 21. Juni sein Regiment dem König von Preußen zur Verfügung gestellt hatte, so durfte man erwarten, hier auf feindliche Truppen, wenn auch nicht in be¬ deutender Stärke, zu stoßen. Etwa 2250 Mann, theils coburg-gothaische, theils preußische Mannschaften, standen vor Gotha. Man mußte auf allen Punkten am 24. auf Widerstand gefaßt sein. Ueber den Ausgang desselben konnte für Jemand, der die Zahl und die Tüchtigkeit der hannöverschen Armee kannte, kein Zweifel sein. In der That hatte man am Nachmittage des 23. im hannöverschen Hauptquartiere den bestimmten Entschluß gefaßt, am folgenden Tage die Besitznahme von Gotha zu erzwingen. Die Disposition dafür war ausgegeben. Auf die Nachricht hin, daß Eisenach ganz unbesetzt sei, gab man diesen Plan in der Frühe des 24. auf und beschloß die Avantgarde nach Eisenach zu werfen, die übrigen Truppen derselben folgen und nur eine Brigade nach Gotha demonstriren zu lassen. Das Gros stellte sich am Mor¬ gen des 24., in Folge des Befehls vom vorigen Tage, südlich von Langen¬ salza auf und die Avantgarde leitete in Folge des neuesten Entschlusses die Bewegung gegen Eisenach ein. In wenigen Stunden konnten die Defileen des thüringer Waldes bei Eisenach besetzt sein — als etwa um ?Vü Uhr Morgens jede Bewegung sistirt und sowohl das Gros, als auch die Avant¬ garde in die Cantvnnements vom vorigen Tage entlassen wurdet Die Ursache dieses Gegenbefehls lag in dem Wunsche zu unterhandeln. Tags zuvor, am Vormittage des 23., war, als sich die hannöversche Armee auf dem Marsche nach Langensalza befand, ein preußischer Parlamentär, Hauptmann von Zielberg, von Eisenach aus bei derselben eingetroffen, um im Auftrage des Chefs des preußischen Generalstabes, Generals von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/168>, abgerufen am 28.09.2024.