Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

cipat über Deutschland wieder zu gewinnen. Während in Berlin der König
und ein großer Theil der Militärpartei den Frieden aufrichtig erhalten
wünschte und den Schritten des Grafen Bismarck die größte Vorsicht auf¬
erlegte, bestand in Wien das umgekehrte Verhältniß; dort täuschte sich der
damalige Minister Graf Mensdorff durchaus nicht über die Gefahren eines
Krieges für Oestreich und über die Beschaffenheit des Heeres, aber der Kaiser
selbst, ein Theil der Familie und die Generalität des Hofes hofften von einem
Kriege günstige Entscheidung der deutschen Frage, völliges Niederwerfen des
norddeutschen Rivalen.

Und doch wurde man in Wien und an den deutschen Höfen durch die
realen Verhältnisse schon vor dem Kriege gezwungen, die größere Schlag¬
fertigkeit Preußens anzuerkennen. Man mußte trotz der höchst ungünstigen
Configuration des preußischen Landes sich auf die Defensive stellen; überall
wurde als selbstverständlich angenommen, daß Preußen angreifen werde: schon
acht Tage vor dem 14. hatte man, wie aus dem Bericht des östreichischen
Generalstabs hervorgeht, in Dresden den Rückzug der sächsischen Armee nach
Böhmen verabredet, ebenso war den Baiern die von ihnen zurückgewiesene
Zumuthung gestellt worden, ihr Heer, welches mit etwas mehr als der
Stärke eines Armeecorps schlagfertig wurde, nach Böhmen zur Unterstützung
der kaiserlichen Armee hineinzuschieben.

Die beim Beginn des Kriegs für den böhmischen Feldzug disponiblen
Streitkräfte waren, im Ganzen betrachtet, der Zahl nach in beiden Parteien
fast genau gleich. In Böhmen standen sieben Zehntel der östreichischen
Heeresstärke, dazu die Sachsen -- acht Armeecorps und eine Division gegen
acht und ein halb preußische Corps, denen die Divisionen und Regimenter
fehlten, welche die Mainarmee bildeten.

Sachsen, Hannover, der größere Theil von Kurhessen werden von den
Preußen in schnellem Anlauf in Besitz genommen, sogar die Bewältigung
der hannöverschen Armee kleineren zerstreuten Truppenkörpern überlassen,
welche unter Commando des General Falkenstein gestellt sind, die ganze
Kraft der preußischen Armee wird für den Einmarsch nach Böhmen bestimmt.
Der große Plan des preußischen Generalstabes, viel bewundert und viel
kritisirt, geht von der Voraussetzung aus, daß die östreichische Armee sich in
Mähren gesammelt habe und im Vormarsch nach Böhmen sei; gegen dieselbe
sollen sich die drei preußischen Heere in Böhmen selbst vereinigen.

Fernere Annahme war. daß die erste preußische Armee unter Prinz Friedrich
Karl bei ihrem Einmarsch aus der Lausitz sofort die Vereinigung mit der
Elbarmee (Herwarth) bewirken werde. Dann, daß ihr nur schwache Kräfte des
Feindes an der Grenze entgegentreten, und drittens, daß sie in energischem
Bordringen dieselben ohne Aufenthalt zurückwerfen werde, um rechtzeitig an


cipat über Deutschland wieder zu gewinnen. Während in Berlin der König
und ein großer Theil der Militärpartei den Frieden aufrichtig erhalten
wünschte und den Schritten des Grafen Bismarck die größte Vorsicht auf¬
erlegte, bestand in Wien das umgekehrte Verhältniß; dort täuschte sich der
damalige Minister Graf Mensdorff durchaus nicht über die Gefahren eines
Krieges für Oestreich und über die Beschaffenheit des Heeres, aber der Kaiser
selbst, ein Theil der Familie und die Generalität des Hofes hofften von einem
Kriege günstige Entscheidung der deutschen Frage, völliges Niederwerfen des
norddeutschen Rivalen.

Und doch wurde man in Wien und an den deutschen Höfen durch die
realen Verhältnisse schon vor dem Kriege gezwungen, die größere Schlag¬
fertigkeit Preußens anzuerkennen. Man mußte trotz der höchst ungünstigen
Configuration des preußischen Landes sich auf die Defensive stellen; überall
wurde als selbstverständlich angenommen, daß Preußen angreifen werde: schon
acht Tage vor dem 14. hatte man, wie aus dem Bericht des östreichischen
Generalstabs hervorgeht, in Dresden den Rückzug der sächsischen Armee nach
Böhmen verabredet, ebenso war den Baiern die von ihnen zurückgewiesene
Zumuthung gestellt worden, ihr Heer, welches mit etwas mehr als der
Stärke eines Armeecorps schlagfertig wurde, nach Böhmen zur Unterstützung
der kaiserlichen Armee hineinzuschieben.

Die beim Beginn des Kriegs für den böhmischen Feldzug disponiblen
Streitkräfte waren, im Ganzen betrachtet, der Zahl nach in beiden Parteien
fast genau gleich. In Böhmen standen sieben Zehntel der östreichischen
Heeresstärke, dazu die Sachsen — acht Armeecorps und eine Division gegen
acht und ein halb preußische Corps, denen die Divisionen und Regimenter
fehlten, welche die Mainarmee bildeten.

Sachsen, Hannover, der größere Theil von Kurhessen werden von den
Preußen in schnellem Anlauf in Besitz genommen, sogar die Bewältigung
der hannöverschen Armee kleineren zerstreuten Truppenkörpern überlassen,
welche unter Commando des General Falkenstein gestellt sind, die ganze
Kraft der preußischen Armee wird für den Einmarsch nach Böhmen bestimmt.
Der große Plan des preußischen Generalstabes, viel bewundert und viel
kritisirt, geht von der Voraussetzung aus, daß die östreichische Armee sich in
Mähren gesammelt habe und im Vormarsch nach Böhmen sei; gegen dieselbe
sollen sich die drei preußischen Heere in Böhmen selbst vereinigen.

Fernere Annahme war. daß die erste preußische Armee unter Prinz Friedrich
Karl bei ihrem Einmarsch aus der Lausitz sofort die Vereinigung mit der
Elbarmee (Herwarth) bewirken werde. Dann, daß ihr nur schwache Kräfte des
Feindes an der Grenze entgegentreten, und drittens, daß sie in energischem
Bordringen dieselben ohne Aufenthalt zurückwerfen werde, um rechtzeitig an


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/355325"/>
          <p xml:id="ID_19" prev="#ID_18"> cipat über Deutschland wieder zu gewinnen. Während in Berlin der König<lb/>
und ein großer Theil der Militärpartei den Frieden aufrichtig erhalten<lb/>
wünschte und den Schritten des Grafen Bismarck die größte Vorsicht auf¬<lb/>
erlegte, bestand in Wien das umgekehrte Verhältniß; dort täuschte sich der<lb/>
damalige Minister Graf Mensdorff durchaus nicht über die Gefahren eines<lb/>
Krieges für Oestreich und über die Beschaffenheit des Heeres, aber der Kaiser<lb/>
selbst, ein Theil der Familie und die Generalität des Hofes hofften von einem<lb/>
Kriege günstige Entscheidung der deutschen Frage, völliges Niederwerfen des<lb/>
norddeutschen Rivalen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_20"> Und doch wurde man in Wien und an den deutschen Höfen durch die<lb/>
realen Verhältnisse schon vor dem Kriege gezwungen, die größere Schlag¬<lb/>
fertigkeit Preußens anzuerkennen. Man mußte trotz der höchst ungünstigen<lb/>
Configuration des preußischen Landes sich auf die Defensive stellen; überall<lb/>
wurde als selbstverständlich angenommen, daß Preußen angreifen werde: schon<lb/>
acht Tage vor dem 14. hatte man, wie aus dem Bericht des östreichischen<lb/>
Generalstabs hervorgeht, in Dresden den Rückzug der sächsischen Armee nach<lb/>
Böhmen verabredet, ebenso war den Baiern die von ihnen zurückgewiesene<lb/>
Zumuthung gestellt worden, ihr Heer, welches mit etwas mehr als der<lb/>
Stärke eines Armeecorps schlagfertig wurde, nach Böhmen zur Unterstützung<lb/>
der kaiserlichen Armee hineinzuschieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_21"> Die beim Beginn des Kriegs für den böhmischen Feldzug disponiblen<lb/>
Streitkräfte waren, im Ganzen betrachtet, der Zahl nach in beiden Parteien<lb/>
fast genau gleich. In Böhmen standen sieben Zehntel der östreichischen<lb/>
Heeresstärke, dazu die Sachsen &#x2014; acht Armeecorps und eine Division gegen<lb/>
acht und ein halb preußische Corps, denen die Divisionen und Regimenter<lb/>
fehlten, welche die Mainarmee bildeten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_22"> Sachsen, Hannover, der größere Theil von Kurhessen werden von den<lb/>
Preußen in schnellem Anlauf in Besitz genommen, sogar die Bewältigung<lb/>
der hannöverschen Armee kleineren zerstreuten Truppenkörpern überlassen,<lb/>
welche unter Commando des General Falkenstein gestellt sind, die ganze<lb/>
Kraft der preußischen Armee wird für den Einmarsch nach Böhmen bestimmt.<lb/>
Der große Plan des preußischen Generalstabes, viel bewundert und viel<lb/>
kritisirt, geht von der Voraussetzung aus, daß die östreichische Armee sich in<lb/>
Mähren gesammelt habe und im Vormarsch nach Böhmen sei; gegen dieselbe<lb/>
sollen sich die drei preußischen Heere in Böhmen selbst vereinigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_23" next="#ID_24"> Fernere Annahme war. daß die erste preußische Armee unter Prinz Friedrich<lb/>
Karl bei ihrem Einmarsch aus der Lausitz sofort die Vereinigung mit der<lb/>
Elbarmee (Herwarth) bewirken werde. Dann, daß ihr nur schwache Kräfte des<lb/>
Feindes an der Grenze entgegentreten, und drittens, daß sie in energischem<lb/>
Bordringen dieselben ohne Aufenthalt zurückwerfen werde, um rechtzeitig an</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0014] cipat über Deutschland wieder zu gewinnen. Während in Berlin der König und ein großer Theil der Militärpartei den Frieden aufrichtig erhalten wünschte und den Schritten des Grafen Bismarck die größte Vorsicht auf¬ erlegte, bestand in Wien das umgekehrte Verhältniß; dort täuschte sich der damalige Minister Graf Mensdorff durchaus nicht über die Gefahren eines Krieges für Oestreich und über die Beschaffenheit des Heeres, aber der Kaiser selbst, ein Theil der Familie und die Generalität des Hofes hofften von einem Kriege günstige Entscheidung der deutschen Frage, völliges Niederwerfen des norddeutschen Rivalen. Und doch wurde man in Wien und an den deutschen Höfen durch die realen Verhältnisse schon vor dem Kriege gezwungen, die größere Schlag¬ fertigkeit Preußens anzuerkennen. Man mußte trotz der höchst ungünstigen Configuration des preußischen Landes sich auf die Defensive stellen; überall wurde als selbstverständlich angenommen, daß Preußen angreifen werde: schon acht Tage vor dem 14. hatte man, wie aus dem Bericht des östreichischen Generalstabs hervorgeht, in Dresden den Rückzug der sächsischen Armee nach Böhmen verabredet, ebenso war den Baiern die von ihnen zurückgewiesene Zumuthung gestellt worden, ihr Heer, welches mit etwas mehr als der Stärke eines Armeecorps schlagfertig wurde, nach Böhmen zur Unterstützung der kaiserlichen Armee hineinzuschieben. Die beim Beginn des Kriegs für den böhmischen Feldzug disponiblen Streitkräfte waren, im Ganzen betrachtet, der Zahl nach in beiden Parteien fast genau gleich. In Böhmen standen sieben Zehntel der östreichischen Heeresstärke, dazu die Sachsen — acht Armeecorps und eine Division gegen acht und ein halb preußische Corps, denen die Divisionen und Regimenter fehlten, welche die Mainarmee bildeten. Sachsen, Hannover, der größere Theil von Kurhessen werden von den Preußen in schnellem Anlauf in Besitz genommen, sogar die Bewältigung der hannöverschen Armee kleineren zerstreuten Truppenkörpern überlassen, welche unter Commando des General Falkenstein gestellt sind, die ganze Kraft der preußischen Armee wird für den Einmarsch nach Böhmen bestimmt. Der große Plan des preußischen Generalstabes, viel bewundert und viel kritisirt, geht von der Voraussetzung aus, daß die östreichische Armee sich in Mähren gesammelt habe und im Vormarsch nach Böhmen sei; gegen dieselbe sollen sich die drei preußischen Heere in Böhmen selbst vereinigen. Fernere Annahme war. daß die erste preußische Armee unter Prinz Friedrich Karl bei ihrem Einmarsch aus der Lausitz sofort die Vereinigung mit der Elbarmee (Herwarth) bewirken werde. Dann, daß ihr nur schwache Kräfte des Feindes an der Grenze entgegentreten, und drittens, daß sie in energischem Bordringen dieselben ohne Aufenthalt zurückwerfen werde, um rechtzeitig an

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/14
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/14>, abgerufen am 28.09.2024.