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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band.

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dem zur Vereinigung mit der zweiten Armee profectüten Punkt -- etwa
Gitschin -- anzukommen und die zweite Armee bei ihrem gefährlichen Vor¬
marsch aus den Gebirgsdesile'en der Grafschaft Glatz vor den Stößen des
übermächtigen Feindes zu schützen. Da der Weg der ersten und der Elbarmee
von der böhmischen Grenze bis Gitschin zwei Märsche länger war, als der
Weg der zweiten Armee, so sollte der Einmarsch der ersten und Elbarmee
um mehrere Tage früher stattfinden; die erste Armee überschritt am 22--24ten
die Grenze, vereinigte sich gleichzeitig mit der Elbarmee und stand so um das
Doppelte überlegen dem Corps Clam-Gallas und den Sachsen gegenüber. Der
zweiten Armee, Kronprinz, war für die beiden am meisten erponirten Flanken¬
corps, das erste und fünfte, der 27te Juni als Tag des Einmarsches festgesetzt.
Wohl blieb auch bei solcher Disposition der Angriff in zwei getrennten Ar¬
meen, welche ihre Vereinigung im Vormarsch gegen ein concentrirtes feind¬
liches Heer durchzusetzen hatten, ein kühnes Unternehmen; aber es war Alles
geschehen, um die Gefahren des Wagnisfes zu vermindern. Gelang es den
Oestreichern wider Erwarten, durch beschleunigte Concentration ihres Heeres
gegen die erste und Elbarmee diese mit Uebermacht anzugreifen, fo mußte
das Vorbrechen der zweiten in die rechte Flanke und den Rücken des Geg¬
ners eine entscheidende Diversion hervorbringen. War, wie zu erwarten
stand, der preußische Einbruch von dem Elbthale und Görlitz her nur durch
ungenügende Heereskraft des Feindes verlegt, fo verhinderte die Nähe der
ersten und Elbarmee wieder den Feldzeugmeister Benedek, seine ganze Kraft
gegen die zweite Armee zu concentriren und dieselbe in die Gebirgspässe
zurückzuwerfen. Und es war die Annahme erlaubt, daß die Armee des Kron¬
prinzen unter diesen Umständen die Hindernisse, welche sich ihrem Heraus¬
treten aus den Gebirgspässen entgegenstellten, überwinden werde.

Es ist sehr merkwürdig, wie dieser Plan, so gut combtnirt und auf ganz
richtigen Voraussetzungen beruhend, in der Ausführung durch die Ereignisse
modificirt wurde und daß zu seinem glänzenden Gelingen ein großer Fehler
des Feindes beitragen mußte.

Zunächst war das Heranziehen der zweiten preußischen Armee an die
Gebirgspässe der Grafschaft Glatz den Oestreichern nicht so unbekannt geblie¬
ben, als man preußischerseits anzunehmen geneigt war. Bereits am 17. Juli,
zehn Tage vor dem Einmärsche, wurde dem Feldzeugmeister v. Benedek von
Wien die Mittheilung, daß die mit Ostentation vorbereiteten Bewegungen
der Preußischen Corps unter dem Kronprinzen gegen die Reiße nur eine De-
monstration sein dürften, um den Einbruch derselben in Böhmen zu verdecken.
Bald darauf meldeten östreichische Kundschasterberichte den Rechtsabmarsch
preußischer Corps nach der Grafschaft Glatz; am 20. Juni gelang den Oest¬
reichern sogar, die Telegramme einer preußischen Station zwischen Görlitz und


dem zur Vereinigung mit der zweiten Armee profectüten Punkt — etwa
Gitschin — anzukommen und die zweite Armee bei ihrem gefährlichen Vor¬
marsch aus den Gebirgsdesile'en der Grafschaft Glatz vor den Stößen des
übermächtigen Feindes zu schützen. Da der Weg der ersten und der Elbarmee
von der böhmischen Grenze bis Gitschin zwei Märsche länger war, als der
Weg der zweiten Armee, so sollte der Einmarsch der ersten und Elbarmee
um mehrere Tage früher stattfinden; die erste Armee überschritt am 22—24ten
die Grenze, vereinigte sich gleichzeitig mit der Elbarmee und stand so um das
Doppelte überlegen dem Corps Clam-Gallas und den Sachsen gegenüber. Der
zweiten Armee, Kronprinz, war für die beiden am meisten erponirten Flanken¬
corps, das erste und fünfte, der 27te Juni als Tag des Einmarsches festgesetzt.
Wohl blieb auch bei solcher Disposition der Angriff in zwei getrennten Ar¬
meen, welche ihre Vereinigung im Vormarsch gegen ein concentrirtes feind¬
liches Heer durchzusetzen hatten, ein kühnes Unternehmen; aber es war Alles
geschehen, um die Gefahren des Wagnisfes zu vermindern. Gelang es den
Oestreichern wider Erwarten, durch beschleunigte Concentration ihres Heeres
gegen die erste und Elbarmee diese mit Uebermacht anzugreifen, fo mußte
das Vorbrechen der zweiten in die rechte Flanke und den Rücken des Geg¬
ners eine entscheidende Diversion hervorbringen. War, wie zu erwarten
stand, der preußische Einbruch von dem Elbthale und Görlitz her nur durch
ungenügende Heereskraft des Feindes verlegt, fo verhinderte die Nähe der
ersten und Elbarmee wieder den Feldzeugmeister Benedek, seine ganze Kraft
gegen die zweite Armee zu concentriren und dieselbe in die Gebirgspässe
zurückzuwerfen. Und es war die Annahme erlaubt, daß die Armee des Kron¬
prinzen unter diesen Umständen die Hindernisse, welche sich ihrem Heraus¬
treten aus den Gebirgspässen entgegenstellten, überwinden werde.

Es ist sehr merkwürdig, wie dieser Plan, so gut combtnirt und auf ganz
richtigen Voraussetzungen beruhend, in der Ausführung durch die Ereignisse
modificirt wurde und daß zu seinem glänzenden Gelingen ein großer Fehler
des Feindes beitragen mußte.

Zunächst war das Heranziehen der zweiten preußischen Armee an die
Gebirgspässe der Grafschaft Glatz den Oestreichern nicht so unbekannt geblie¬
ben, als man preußischerseits anzunehmen geneigt war. Bereits am 17. Juli,
zehn Tage vor dem Einmärsche, wurde dem Feldzeugmeister v. Benedek von
Wien die Mittheilung, daß die mit Ostentation vorbereiteten Bewegungen
der Preußischen Corps unter dem Kronprinzen gegen die Reiße nur eine De-
monstration sein dürften, um den Einbruch derselben in Böhmen zu verdecken.
Bald darauf meldeten östreichische Kundschasterberichte den Rechtsabmarsch
preußischer Corps nach der Grafschaft Glatz; am 20. Juni gelang den Oest¬
reichern sogar, die Telegramme einer preußischen Station zwischen Görlitz und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_120192/15>, abgerufen am 28.09.2024.