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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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attischen Vorstellungen und der Umstand, daß der einzige hier vorgekommene
Künstler eines Prachtgesäßes sich einen Athenienser nennt; auch findet sich
dieselbe Technik in bescheideneren Verhältnissen bei attischen Gefäßen ange¬
wendet. Münzen, in denselben Gräbern gefunden, gehören Fürsten aus der
Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. an, wo ein lebhafter Verkehr zwi¬
schen Athen und dem Pontus bestand. Genau dieselben Erscheinungen wie¬
derholen sich in der Ehren alla; auch hier finden sich Vasen, die den am Bos¬
porus gefundenen der Technik und dem Stil nach vollkommen entsprechen.
Die schon erwähnten panathenäischen Preisgefäße zeigen hier nicht blos den
attischen Ursprung deutlich, sondern sie geben auch durch ihre Datirung die
zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts als Ursprungszeit an.

Sieilien ist ein Hauptstapelort der bemalten Vasen; an allen irgend
namhaften Plätzen alter Cultur sind dort solche zum Vorschein gekommen;
wiewohl auch hier systematische Nachforschungen und genaue Fnndberichte
noch sehr mangeln, steht doch fest, daß auf Sicilien die griechische Vasen¬
malerei in den wesentlichen Erscheinungen und ihrem ganzen Entwickelungs¬
gange vertreten ist.

In Unteritalien fehlen an den alten Sitzen der griechischen Coloni-
sation, wie Tarent, Metapont, Locri, nirgends bemalte Vasen. Daß
hier nur vereinzelte Funde gemacht worden sind. ist wohl zum Theil durch
die gründliche Zerstörung und Verwüstung zu erklären, welche diese Orte be¬
troffen hat, doch tritt auch hier jene maßhaltende Sparsamkeit hervor, welche
bei griechischer Bevölkerung nicht leicht vermißt wird. Einen unglaublichen
Reichthum an bemalten Vasen zeigen aber die Gegenden von Unteritalien
mit ungriechischer Bevölkerung, Calabrien, Apulien, Lucanien und
Campanien, wo dann wieder einzelne griechische Colonien auch auf
diesen Verkehrszweig nicht ohne Einfluß geblieben sind - Ruvo. Canosa,
Anzi, Nola, Capua. Se. Agata sind wahre Metropolen der Vasen¬
funde. Im eigentlichen Mittelitalien, im nördlichsten Theil von Cam¬
panien, in Samnium. Placunen, Latium sind gar keine Vasen
entdeckt; in Rom scheinen sie nie Eingang gefunden zu haben; wo römi¬
sche Cultur herrscht sind die bemalten Vasen ausgeschlossen. Zwar findet
man wohl in gewissen kleinen Privatsammlungen "etruskische Vasen aus Pom¬
peji und römischen Gräbern", größere Merkwürdigkeiten, als die glücklichen
Besitzer sich träumen lassen, wenn sie wirklich daher stammten, in der That aber
nur Zeugnisse harmloser Unwissenheit touristischer Sammler. Nördlich von
der Tiber beginnt wieder die Herrschaft der bemalten Vasen. So weit etrus-
Nscher Einfluß reichte, im eigentlichen Etrurien, in Umbrien^ bis nach
Adtia hinauf, überall finden sich, zum Theil in colossaler Menge, be¬
malte Vasen als die durchgehende Ausstattung der Gräber.


attischen Vorstellungen und der Umstand, daß der einzige hier vorgekommene
Künstler eines Prachtgesäßes sich einen Athenienser nennt; auch findet sich
dieselbe Technik in bescheideneren Verhältnissen bei attischen Gefäßen ange¬
wendet. Münzen, in denselben Gräbern gefunden, gehören Fürsten aus der
Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. an, wo ein lebhafter Verkehr zwi¬
schen Athen und dem Pontus bestand. Genau dieselben Erscheinungen wie¬
derholen sich in der Ehren alla; auch hier finden sich Vasen, die den am Bos¬
porus gefundenen der Technik und dem Stil nach vollkommen entsprechen.
Die schon erwähnten panathenäischen Preisgefäße zeigen hier nicht blos den
attischen Ursprung deutlich, sondern sie geben auch durch ihre Datirung die
zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts als Ursprungszeit an.

Sieilien ist ein Hauptstapelort der bemalten Vasen; an allen irgend
namhaften Plätzen alter Cultur sind dort solche zum Vorschein gekommen;
wiewohl auch hier systematische Nachforschungen und genaue Fnndberichte
noch sehr mangeln, steht doch fest, daß auf Sicilien die griechische Vasen¬
malerei in den wesentlichen Erscheinungen und ihrem ganzen Entwickelungs¬
gange vertreten ist.

In Unteritalien fehlen an den alten Sitzen der griechischen Coloni-
sation, wie Tarent, Metapont, Locri, nirgends bemalte Vasen. Daß
hier nur vereinzelte Funde gemacht worden sind. ist wohl zum Theil durch
die gründliche Zerstörung und Verwüstung zu erklären, welche diese Orte be¬
troffen hat, doch tritt auch hier jene maßhaltende Sparsamkeit hervor, welche
bei griechischer Bevölkerung nicht leicht vermißt wird. Einen unglaublichen
Reichthum an bemalten Vasen zeigen aber die Gegenden von Unteritalien
mit ungriechischer Bevölkerung, Calabrien, Apulien, Lucanien und
Campanien, wo dann wieder einzelne griechische Colonien auch auf
diesen Verkehrszweig nicht ohne Einfluß geblieben sind - Ruvo. Canosa,
Anzi, Nola, Capua. Se. Agata sind wahre Metropolen der Vasen¬
funde. Im eigentlichen Mittelitalien, im nördlichsten Theil von Cam¬
panien, in Samnium. Placunen, Latium sind gar keine Vasen
entdeckt; in Rom scheinen sie nie Eingang gefunden zu haben; wo römi¬
sche Cultur herrscht sind die bemalten Vasen ausgeschlossen. Zwar findet
man wohl in gewissen kleinen Privatsammlungen „etruskische Vasen aus Pom¬
peji und römischen Gräbern", größere Merkwürdigkeiten, als die glücklichen
Besitzer sich träumen lassen, wenn sie wirklich daher stammten, in der That aber
nur Zeugnisse harmloser Unwissenheit touristischer Sammler. Nördlich von
der Tiber beginnt wieder die Herrschaft der bemalten Vasen. So weit etrus-
Nscher Einfluß reichte, im eigentlichen Etrurien, in Umbrien^ bis nach
Adtia hinauf, überall finden sich, zum Theil in colossaler Menge, be¬
malte Vasen als die durchgehende Ausstattung der Gräber.


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[0499] attischen Vorstellungen und der Umstand, daß der einzige hier vorgekommene Künstler eines Prachtgesäßes sich einen Athenienser nennt; auch findet sich dieselbe Technik in bescheideneren Verhältnissen bei attischen Gefäßen ange¬ wendet. Münzen, in denselben Gräbern gefunden, gehören Fürsten aus der Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr. an, wo ein lebhafter Verkehr zwi¬ schen Athen und dem Pontus bestand. Genau dieselben Erscheinungen wie¬ derholen sich in der Ehren alla; auch hier finden sich Vasen, die den am Bos¬ porus gefundenen der Technik und dem Stil nach vollkommen entsprechen. Die schon erwähnten panathenäischen Preisgefäße zeigen hier nicht blos den attischen Ursprung deutlich, sondern sie geben auch durch ihre Datirung die zweite Hälfte des vierten Jahrhunderts als Ursprungszeit an. Sieilien ist ein Hauptstapelort der bemalten Vasen; an allen irgend namhaften Plätzen alter Cultur sind dort solche zum Vorschein gekommen; wiewohl auch hier systematische Nachforschungen und genaue Fnndberichte noch sehr mangeln, steht doch fest, daß auf Sicilien die griechische Vasen¬ malerei in den wesentlichen Erscheinungen und ihrem ganzen Entwickelungs¬ gange vertreten ist. In Unteritalien fehlen an den alten Sitzen der griechischen Coloni- sation, wie Tarent, Metapont, Locri, nirgends bemalte Vasen. Daß hier nur vereinzelte Funde gemacht worden sind. ist wohl zum Theil durch die gründliche Zerstörung und Verwüstung zu erklären, welche diese Orte be¬ troffen hat, doch tritt auch hier jene maßhaltende Sparsamkeit hervor, welche bei griechischer Bevölkerung nicht leicht vermißt wird. Einen unglaublichen Reichthum an bemalten Vasen zeigen aber die Gegenden von Unteritalien mit ungriechischer Bevölkerung, Calabrien, Apulien, Lucanien und Campanien, wo dann wieder einzelne griechische Colonien auch auf diesen Verkehrszweig nicht ohne Einfluß geblieben sind - Ruvo. Canosa, Anzi, Nola, Capua. Se. Agata sind wahre Metropolen der Vasen¬ funde. Im eigentlichen Mittelitalien, im nördlichsten Theil von Cam¬ panien, in Samnium. Placunen, Latium sind gar keine Vasen entdeckt; in Rom scheinen sie nie Eingang gefunden zu haben; wo römi¬ sche Cultur herrscht sind die bemalten Vasen ausgeschlossen. Zwar findet man wohl in gewissen kleinen Privatsammlungen „etruskische Vasen aus Pom¬ peji und römischen Gräbern", größere Merkwürdigkeiten, als die glücklichen Besitzer sich träumen lassen, wenn sie wirklich daher stammten, in der That aber nur Zeugnisse harmloser Unwissenheit touristischer Sammler. Nördlich von der Tiber beginnt wieder die Herrschaft der bemalten Vasen. So weit etrus- Nscher Einfluß reichte, im eigentlichen Etrurien, in Umbrien^ bis nach Adtia hinauf, überall finden sich, zum Theil in colossaler Menge, be¬ malte Vasen als die durchgehende Ausstattung der Gräber.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/499>, abgerufen am 15.01.2025.