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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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neben der Hauptquelle der griechischen Architektur wesentliche Ergänzungen
darbieten. Auf den schon mehrfach erkannten ältesten Vasen ist das Orna¬
ment der einzige Schmuck, und unverkennbar ist das Bestreben, dieselben
damit so reich wie möglich auszustatten. Einfache kleine Ornamente aus
graden und krummen Linien, kreuz- und kreisförmig gebildet. Sterne,
Blumen. Rosetten sind überall wie auf einem gemusterten Zeugstoff ausge-
streut; größere Flächen sind wie mit einem durch sich kreuzende oder Zickzack-
linien gemusterten Zeuge überzogen. Daneben aber treten auch selbständig
entwickelte, nach Analogien der vegetabilischen Natur gebildete Ornamente
hervor, aneinander gereihte Blumen und Blätter als Bänder um das Gefäß
gelegt, und eigenthümliche wie zum Knoten geschürzte complicirte Pflanzen¬
gewinde. Größere Gefäße werden durch parallel laufende Streifen getheilt
und gegliedert, diese Streifen werden durch phantastisch gebildete, rein orna¬
mental gehaltene, symmetrisch neben einander geordnete Thiergestalten,
Löwen, Panther, Stiere. Steinböcke, Vögel ausgefüllt, denen sich Wunder¬
thiere, Greife. Sphinxe. Sirenen, endlich geflügelte, in Schlangen und Fische
auslaufende.Menschenfiguren gesellen. Der fremdartige Eindrucks welchen
diese Gefäße neben griechischen Kunstwerken machen, hat sich nie verleugnet;
die neuesten Entdeckungen in Assyrien haben uns alle Elemente dieser Orna¬
mentik, die kleinen Muster, die Pflanzenverzierungen, die phantastischen Thier-
und Mischgestalten dort als in ihrer Heimath gezeigt. Es kann nicht zweifel¬
haft sein, daß diese gesammte Ornamentik von Asien nach Griechenland über¬
tragen, von den griechischen Töpfern orientalischen Mustern nachgebildet wor-
den ist. Damit ist nicht gesagt, daß diese Muster nothwendig asiatisches
Thongeschirr gewesen seien, - dafür liegt wenigstens noch kein Beleg vor -
Metallarbeiten und ganz besonders die gewirkten und gestickten Teppiche
und Zeuge waren dafür ganz geeignet. Die letzteren blieben ein begehrter
Handelsartikel und was wir von ihnen hören, weist zum Theil geradezu aus
ähnliche Ornamentik hin. In diese fremdländischen Zierrathe tritt nun als
griechisches Element die menschliche Gestalt ein. Wie ungeschickt sie sich auch
darstellt, orientalisches Gepräge hat sie nicht, ja gerade die Unbeholfen-
heit in ihrer Wiedergabe neben der vollkommen ausgebildeten Ornamente
bezeugt, daß hier ein neuer Versuch sich neben überkommene Fertigkeit
stellt. Anfangs haben auch die menschlichen Darstellungen einen ganz orna¬
mentalen Charakter. Prozessionen, Kampfseenen ohne individuelle Bedeutung
g^en nur ein Motiv symmetrisch geordneter Reihen ab, die sich mit den
Thier- und Ornamentenreihen verbinden. Aber bald gönnen sie an Aus-
Ahnung wie an Bedeutung das Uebergewicht. Die blos den Raum full n-
den Ornamente neben den menschlichen Gestalten bleiben fort, die Thier¬
streifen werden eingeschränkt, in die abgrenzenden Räume unten und oben


neben der Hauptquelle der griechischen Architektur wesentliche Ergänzungen
darbieten. Auf den schon mehrfach erkannten ältesten Vasen ist das Orna¬
ment der einzige Schmuck, und unverkennbar ist das Bestreben, dieselben
damit so reich wie möglich auszustatten. Einfache kleine Ornamente aus
graden und krummen Linien, kreuz- und kreisförmig gebildet. Sterne,
Blumen. Rosetten sind überall wie auf einem gemusterten Zeugstoff ausge-
streut; größere Flächen sind wie mit einem durch sich kreuzende oder Zickzack-
linien gemusterten Zeuge überzogen. Daneben aber treten auch selbständig
entwickelte, nach Analogien der vegetabilischen Natur gebildete Ornamente
hervor, aneinander gereihte Blumen und Blätter als Bänder um das Gefäß
gelegt, und eigenthümliche wie zum Knoten geschürzte complicirte Pflanzen¬
gewinde. Größere Gefäße werden durch parallel laufende Streifen getheilt
und gegliedert, diese Streifen werden durch phantastisch gebildete, rein orna¬
mental gehaltene, symmetrisch neben einander geordnete Thiergestalten,
Löwen, Panther, Stiere. Steinböcke, Vögel ausgefüllt, denen sich Wunder¬
thiere, Greife. Sphinxe. Sirenen, endlich geflügelte, in Schlangen und Fische
auslaufende.Menschenfiguren gesellen. Der fremdartige Eindrucks welchen
diese Gefäße neben griechischen Kunstwerken machen, hat sich nie verleugnet;
die neuesten Entdeckungen in Assyrien haben uns alle Elemente dieser Orna¬
mentik, die kleinen Muster, die Pflanzenverzierungen, die phantastischen Thier-
und Mischgestalten dort als in ihrer Heimath gezeigt. Es kann nicht zweifel¬
haft sein, daß diese gesammte Ornamentik von Asien nach Griechenland über¬
tragen, von den griechischen Töpfern orientalischen Mustern nachgebildet wor-
den ist. Damit ist nicht gesagt, daß diese Muster nothwendig asiatisches
Thongeschirr gewesen seien, - dafür liegt wenigstens noch kein Beleg vor -
Metallarbeiten und ganz besonders die gewirkten und gestickten Teppiche
und Zeuge waren dafür ganz geeignet. Die letzteren blieben ein begehrter
Handelsartikel und was wir von ihnen hören, weist zum Theil geradezu aus
ähnliche Ornamentik hin. In diese fremdländischen Zierrathe tritt nun als
griechisches Element die menschliche Gestalt ein. Wie ungeschickt sie sich auch
darstellt, orientalisches Gepräge hat sie nicht, ja gerade die Unbeholfen-
heit in ihrer Wiedergabe neben der vollkommen ausgebildeten Ornamente
bezeugt, daß hier ein neuer Versuch sich neben überkommene Fertigkeit
stellt. Anfangs haben auch die menschlichen Darstellungen einen ganz orna¬
mentalen Charakter. Prozessionen, Kampfseenen ohne individuelle Bedeutung
g^en nur ein Motiv symmetrisch geordneter Reihen ab, die sich mit den
Thier- und Ornamentenreihen verbinden. Aber bald gönnen sie an Aus-
Ahnung wie an Bedeutung das Uebergewicht. Die blos den Raum full n-
den Ornamente neben den menschlichen Gestalten bleiben fort, die Thier¬
streifen werden eingeschränkt, in die abgrenzenden Räume unten und oben


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[0491] neben der Hauptquelle der griechischen Architektur wesentliche Ergänzungen darbieten. Auf den schon mehrfach erkannten ältesten Vasen ist das Orna¬ ment der einzige Schmuck, und unverkennbar ist das Bestreben, dieselben damit so reich wie möglich auszustatten. Einfache kleine Ornamente aus graden und krummen Linien, kreuz- und kreisförmig gebildet. Sterne, Blumen. Rosetten sind überall wie auf einem gemusterten Zeugstoff ausge- streut; größere Flächen sind wie mit einem durch sich kreuzende oder Zickzack- linien gemusterten Zeuge überzogen. Daneben aber treten auch selbständig entwickelte, nach Analogien der vegetabilischen Natur gebildete Ornamente hervor, aneinander gereihte Blumen und Blätter als Bänder um das Gefäß gelegt, und eigenthümliche wie zum Knoten geschürzte complicirte Pflanzen¬ gewinde. Größere Gefäße werden durch parallel laufende Streifen getheilt und gegliedert, diese Streifen werden durch phantastisch gebildete, rein orna¬ mental gehaltene, symmetrisch neben einander geordnete Thiergestalten, Löwen, Panther, Stiere. Steinböcke, Vögel ausgefüllt, denen sich Wunder¬ thiere, Greife. Sphinxe. Sirenen, endlich geflügelte, in Schlangen und Fische auslaufende.Menschenfiguren gesellen. Der fremdartige Eindrucks welchen diese Gefäße neben griechischen Kunstwerken machen, hat sich nie verleugnet; die neuesten Entdeckungen in Assyrien haben uns alle Elemente dieser Orna¬ mentik, die kleinen Muster, die Pflanzenverzierungen, die phantastischen Thier- und Mischgestalten dort als in ihrer Heimath gezeigt. Es kann nicht zweifel¬ haft sein, daß diese gesammte Ornamentik von Asien nach Griechenland über¬ tragen, von den griechischen Töpfern orientalischen Mustern nachgebildet wor- den ist. Damit ist nicht gesagt, daß diese Muster nothwendig asiatisches Thongeschirr gewesen seien, - dafür liegt wenigstens noch kein Beleg vor - Metallarbeiten und ganz besonders die gewirkten und gestickten Teppiche und Zeuge waren dafür ganz geeignet. Die letzteren blieben ein begehrter Handelsartikel und was wir von ihnen hören, weist zum Theil geradezu aus ähnliche Ornamentik hin. In diese fremdländischen Zierrathe tritt nun als griechisches Element die menschliche Gestalt ein. Wie ungeschickt sie sich auch darstellt, orientalisches Gepräge hat sie nicht, ja gerade die Unbeholfen- heit in ihrer Wiedergabe neben der vollkommen ausgebildeten Ornamente bezeugt, daß hier ein neuer Versuch sich neben überkommene Fertigkeit stellt. Anfangs haben auch die menschlichen Darstellungen einen ganz orna¬ mentalen Charakter. Prozessionen, Kampfseenen ohne individuelle Bedeutung g^en nur ein Motiv symmetrisch geordneter Reihen ab, die sich mit den Thier- und Ornamentenreihen verbinden. Aber bald gönnen sie an Aus- Ahnung wie an Bedeutung das Uebergewicht. Die blos den Raum full n- den Ornamente neben den menschlichen Gestalten bleiben fort, die Thier¬ streifen werden eingeschränkt, in die abgrenzenden Räume unten und oben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/491>, abgerufen am 15.01.2025.