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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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riß, das uns wieder nach Athen weist. Dort war es Sitte, den Siegern
bei den Wettkämpfen der Panathenäen Oel zur Belohnung zu geben,
das aus Oelpflanzungen gewonnen wurde, die dem Zeus und der Athene
geheiligt, nur für diesen Zweck und den Gebrauch im Cultus verwendet
wurden. Der Betrag war je nach der Bedeutung des Wettkampfs verschie¬
den, er stieg von 6 bis 140 Amphoren (zu 34,40 Quart :c.). Dies Oel galt
für vorzüglich, und es war daher für den Verkauf erwünscht, das Pre-löst
in anerkannten und kenntlichen Krügen zu vertheilen. Nun sagt Pindar von
einem Argiver, der in Athen Sieger gewesen war, durch ihn "sei zu Heras
tüchtigem Volk gekommen des Oelbaums Erzeugniß in bunten Gefäßen ge¬
borgen von gebrannter Erde". In Athen und anderen Orten in Griechen¬
land und außerhalb Griechenlands, wo Vasen sich finden, ist auch eine be¬
trächtliche Anzahl solcher Oelgesäße mit dem unwidersprechlichen Ursprungs-
zeugniß zum Vorschein gekommen. Es sind zweihenklige Amphoren, die auf
der einen Seite alle genau dasselbe alterthümliche Bild der mit Schild und
gezückter Lanze vorschreitendem Athene zeigen, offenbar ein Abbild des ur¬
alten Tempelbildes der eigentlichen Stadtgöttin, der zu Ehren die Panathe¬
näen gefeiert wurden, und auf der Rückseite die mannigfachen Arten der
Kampfspiele, welche an denselben zur Anwendung kamen. Damit kein Zweifel
bleibe, führen manche die Inschrift: "ich bin eins der Preisgefäße von
Athen". Einige Vasen dieser Art, die bis jetzt nur in der Cyrenaika
gefunden sind, verrathen auf den ersten Blick ein sehr unvollkommen ge¬
lungenes Bestreben, den alterthümlichen Stil wiederzugeben, das vielmehr
eine ganz veränderte Art der Kunstübung an den Tag legt. Zur Bestäti¬
gung geben sie in den Inschriften den Archonten an, unter dem die Preis¬
vertheilung Statt fand, und diese fallen sämmtlich in die Jahre 340--316
v. Chr. So haben wir hier wohlbeglaubigte Zeugnisse für die durchgehende
Erscheinung, daß man im Dienst des Cultus zwar die einmal eingeführte
Form festzuhalten suchte, unwillkürlich aber die veränderte Richtung der Zeit
sich geltend machte. Uebrigens haben diese Gefäße verschiedenes Caliber,
repräsentiren aber die Theile eines und desselben, offenbar attischen Maßes,
sodaß sie, wiewohl nicht genau normirt, doch ein Hilfsmittel der Metrologie
bilden.

Mit der Form der Vasen hängt unmittelbar die Ornamentik zusam¬
men. Die Gefäße einer vollkommen entwickelten Technik zeigen eine Eleganz
und bei aller Einfachheit einen Reichthum der Ornamente, welche mit Form,
Farbe und Firniß im besten Einklange stehen. Auch hier gewährt aber die
Beobachtung der Verschiedenheiten besonderes Interesse; man darf sagen,
daß für die geschichtliche Entwickelung der griechischen Ornamentik die be¬
malten Vasen nicht allein reichhaltiges und mannigfaltiges Material, sondern


riß, das uns wieder nach Athen weist. Dort war es Sitte, den Siegern
bei den Wettkämpfen der Panathenäen Oel zur Belohnung zu geben,
das aus Oelpflanzungen gewonnen wurde, die dem Zeus und der Athene
geheiligt, nur für diesen Zweck und den Gebrauch im Cultus verwendet
wurden. Der Betrag war je nach der Bedeutung des Wettkampfs verschie¬
den, er stieg von 6 bis 140 Amphoren (zu 34,40 Quart :c.). Dies Oel galt
für vorzüglich, und es war daher für den Verkauf erwünscht, das Pre-löst
in anerkannten und kenntlichen Krügen zu vertheilen. Nun sagt Pindar von
einem Argiver, der in Athen Sieger gewesen war, durch ihn „sei zu Heras
tüchtigem Volk gekommen des Oelbaums Erzeugniß in bunten Gefäßen ge¬
borgen von gebrannter Erde". In Athen und anderen Orten in Griechen¬
land und außerhalb Griechenlands, wo Vasen sich finden, ist auch eine be¬
trächtliche Anzahl solcher Oelgesäße mit dem unwidersprechlichen Ursprungs-
zeugniß zum Vorschein gekommen. Es sind zweihenklige Amphoren, die auf
der einen Seite alle genau dasselbe alterthümliche Bild der mit Schild und
gezückter Lanze vorschreitendem Athene zeigen, offenbar ein Abbild des ur¬
alten Tempelbildes der eigentlichen Stadtgöttin, der zu Ehren die Panathe¬
näen gefeiert wurden, und auf der Rückseite die mannigfachen Arten der
Kampfspiele, welche an denselben zur Anwendung kamen. Damit kein Zweifel
bleibe, führen manche die Inschrift: „ich bin eins der Preisgefäße von
Athen". Einige Vasen dieser Art, die bis jetzt nur in der Cyrenaika
gefunden sind, verrathen auf den ersten Blick ein sehr unvollkommen ge¬
lungenes Bestreben, den alterthümlichen Stil wiederzugeben, das vielmehr
eine ganz veränderte Art der Kunstübung an den Tag legt. Zur Bestäti¬
gung geben sie in den Inschriften den Archonten an, unter dem die Preis¬
vertheilung Statt fand, und diese fallen sämmtlich in die Jahre 340—316
v. Chr. So haben wir hier wohlbeglaubigte Zeugnisse für die durchgehende
Erscheinung, daß man im Dienst des Cultus zwar die einmal eingeführte
Form festzuhalten suchte, unwillkürlich aber die veränderte Richtung der Zeit
sich geltend machte. Uebrigens haben diese Gefäße verschiedenes Caliber,
repräsentiren aber die Theile eines und desselben, offenbar attischen Maßes,
sodaß sie, wiewohl nicht genau normirt, doch ein Hilfsmittel der Metrologie
bilden.

Mit der Form der Vasen hängt unmittelbar die Ornamentik zusam¬
men. Die Gefäße einer vollkommen entwickelten Technik zeigen eine Eleganz
und bei aller Einfachheit einen Reichthum der Ornamente, welche mit Form,
Farbe und Firniß im besten Einklange stehen. Auch hier gewährt aber die
Beobachtung der Verschiedenheiten besonderes Interesse; man darf sagen,
daß für die geschichtliche Entwickelung der griechischen Ornamentik die be¬
malten Vasen nicht allein reichhaltiges und mannigfaltiges Material, sondern


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[0490] riß, das uns wieder nach Athen weist. Dort war es Sitte, den Siegern bei den Wettkämpfen der Panathenäen Oel zur Belohnung zu geben, das aus Oelpflanzungen gewonnen wurde, die dem Zeus und der Athene geheiligt, nur für diesen Zweck und den Gebrauch im Cultus verwendet wurden. Der Betrag war je nach der Bedeutung des Wettkampfs verschie¬ den, er stieg von 6 bis 140 Amphoren (zu 34,40 Quart :c.). Dies Oel galt für vorzüglich, und es war daher für den Verkauf erwünscht, das Pre-löst in anerkannten und kenntlichen Krügen zu vertheilen. Nun sagt Pindar von einem Argiver, der in Athen Sieger gewesen war, durch ihn „sei zu Heras tüchtigem Volk gekommen des Oelbaums Erzeugniß in bunten Gefäßen ge¬ borgen von gebrannter Erde". In Athen und anderen Orten in Griechen¬ land und außerhalb Griechenlands, wo Vasen sich finden, ist auch eine be¬ trächtliche Anzahl solcher Oelgesäße mit dem unwidersprechlichen Ursprungs- zeugniß zum Vorschein gekommen. Es sind zweihenklige Amphoren, die auf der einen Seite alle genau dasselbe alterthümliche Bild der mit Schild und gezückter Lanze vorschreitendem Athene zeigen, offenbar ein Abbild des ur¬ alten Tempelbildes der eigentlichen Stadtgöttin, der zu Ehren die Panathe¬ näen gefeiert wurden, und auf der Rückseite die mannigfachen Arten der Kampfspiele, welche an denselben zur Anwendung kamen. Damit kein Zweifel bleibe, führen manche die Inschrift: „ich bin eins der Preisgefäße von Athen". Einige Vasen dieser Art, die bis jetzt nur in der Cyrenaika gefunden sind, verrathen auf den ersten Blick ein sehr unvollkommen ge¬ lungenes Bestreben, den alterthümlichen Stil wiederzugeben, das vielmehr eine ganz veränderte Art der Kunstübung an den Tag legt. Zur Bestäti¬ gung geben sie in den Inschriften den Archonten an, unter dem die Preis¬ vertheilung Statt fand, und diese fallen sämmtlich in die Jahre 340—316 v. Chr. So haben wir hier wohlbeglaubigte Zeugnisse für die durchgehende Erscheinung, daß man im Dienst des Cultus zwar die einmal eingeführte Form festzuhalten suchte, unwillkürlich aber die veränderte Richtung der Zeit sich geltend machte. Uebrigens haben diese Gefäße verschiedenes Caliber, repräsentiren aber die Theile eines und desselben, offenbar attischen Maßes, sodaß sie, wiewohl nicht genau normirt, doch ein Hilfsmittel der Metrologie bilden. Mit der Form der Vasen hängt unmittelbar die Ornamentik zusam¬ men. Die Gefäße einer vollkommen entwickelten Technik zeigen eine Eleganz und bei aller Einfachheit einen Reichthum der Ornamente, welche mit Form, Farbe und Firniß im besten Einklange stehen. Auch hier gewährt aber die Beobachtung der Verschiedenheiten besonderes Interesse; man darf sagen, daß für die geschichtliche Entwickelung der griechischen Ornamentik die be¬ malten Vasen nicht allein reichhaltiges und mannigfaltiges Material, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/490>, abgerufen am 15.01.2025.