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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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leis des putziger Wieks, jener Bucht westlich von Danzig, welche durch die
lange schmale, nehrungartige Halbinsel Hela gebildet wird, befindet sich die
ausgezeichnete Rhede von Oxhoft, wenige (3--4) Meilen von Danzig ent¬
fernt. Den Wunsch, hier einen großen Kriegshafen anzulegen, können wir
indessen nicht für berechtigt erachten. Oxhoft lag schon früher viel zu weit
östlich vom Centrum der Monarchie, und vollends seit der Gründung des
norddeutschen Bundes, seit dem Näherrücken der Aussicht, daß ein Nordost¬
seekanal Verhältnisse schaffen werde, bet denen der Hauptkriegshafen auch für
die Nordseegeschwader in Betracht kommen könnte, läßt es sich nur als ein
Glück betrachten, daß jenes Project sich nicht verwirklicht hat. Ueberdies bleibt
die danziger Bucht länger als Rügen und Kiel mit Eis bedeckt, und die
feindlichen Schiffe könnten sehr nahe an Oxhoft heran kommen und mit ihren
Geschützen den Hafen erreichen. Auch der Kostenpunkt würde sich, nach dem
Urtheil einer hierin competenten Autorität, nicht soviel billiger gestellt haben
wie bei einem Hauptkriegshafen auf Rügen. Zwar brauchte die Mole höch¬
stens eine Viertelmeile lang zu werden, aber dafür müßte der ganze Bin¬
nenhafen vollständig mitten im Lande ausgegraben werden, wie an der
Jahde, und ebenso ein mindestens 4000 Schritte langer Hafencanal zur Ver¬
bindung des Binnenhafens mit der See: bei geringerer Länge des Canals
wären nämlich Arsenale und Schiffe in demselben vor einem feindlichen
Bombardement nicht genügend geschützt. Vollends die Befestigungen auf
der Landseite würden wegen des hügligen Terrains in weit größerem
Umfange nöthig werden als auf Rügen, namentlich mit Rücksicht auf eine
Landung bei Zoppot in der danziger Bucht. -- Für eine Marinestation ist
Oxhoft dagegen der passende Ort. Hier ist eine Anlage zweiten Ranges, die
weniger Werth als ein eigentlicher Kriegshafen in sich birgt, ganz unbe¬
denklich, sie verlangt aus demselben Grunde minder umfängliche Befestigun¬
gen, und außerdem ist gerade hier im Osten der Küste eine Station nöthig,
welche dem diese Strecke deckenden Geschwader einen sicheren Stützpunkt ge¬
währt. Die örtlichen Verhältnisse begünstigen eine solche Anlage in jeder
Weise. Die Rhede wird von den competentesten Auctoritäten als wahrhaft
prachtvoll gerühmt, als völlig sicher vor jedem Winde (außer dem Nordost),
und von seltener Geräumigkeit. Ihre Tiefe ist so bedeutend, daß Schiffe von
23 Fuß Tiefgang 500 Schritt vom Lande aus gutem, nicht zu tiefem Unter¬
grunde ankern können. Der Versandung am Depot durch die Stürme resp,
die Strömung der Ostsee läßt sich durch Molen von nur 300 Ruthen Länge
genügend steuern, da sie den Sand hauptsächlich hinter Hela absetzen, den
groben in steiler Formation, den feinen aber weiter vertreibend; und diese
Nothwendigkeit eines Molenbaues ist überdies gar kein besonderer Mangel
dieses Punktes, da in der ganzen Ostsee wegen der flachen Küste Molen


leis des putziger Wieks, jener Bucht westlich von Danzig, welche durch die
lange schmale, nehrungartige Halbinsel Hela gebildet wird, befindet sich die
ausgezeichnete Rhede von Oxhoft, wenige (3—4) Meilen von Danzig ent¬
fernt. Den Wunsch, hier einen großen Kriegshafen anzulegen, können wir
indessen nicht für berechtigt erachten. Oxhoft lag schon früher viel zu weit
östlich vom Centrum der Monarchie, und vollends seit der Gründung des
norddeutschen Bundes, seit dem Näherrücken der Aussicht, daß ein Nordost¬
seekanal Verhältnisse schaffen werde, bet denen der Hauptkriegshafen auch für
die Nordseegeschwader in Betracht kommen könnte, läßt es sich nur als ein
Glück betrachten, daß jenes Project sich nicht verwirklicht hat. Ueberdies bleibt
die danziger Bucht länger als Rügen und Kiel mit Eis bedeckt, und die
feindlichen Schiffe könnten sehr nahe an Oxhoft heran kommen und mit ihren
Geschützen den Hafen erreichen. Auch der Kostenpunkt würde sich, nach dem
Urtheil einer hierin competenten Autorität, nicht soviel billiger gestellt haben
wie bei einem Hauptkriegshafen auf Rügen. Zwar brauchte die Mole höch¬
stens eine Viertelmeile lang zu werden, aber dafür müßte der ganze Bin¬
nenhafen vollständig mitten im Lande ausgegraben werden, wie an der
Jahde, und ebenso ein mindestens 4000 Schritte langer Hafencanal zur Ver¬
bindung des Binnenhafens mit der See: bei geringerer Länge des Canals
wären nämlich Arsenale und Schiffe in demselben vor einem feindlichen
Bombardement nicht genügend geschützt. Vollends die Befestigungen auf
der Landseite würden wegen des hügligen Terrains in weit größerem
Umfange nöthig werden als auf Rügen, namentlich mit Rücksicht auf eine
Landung bei Zoppot in der danziger Bucht. — Für eine Marinestation ist
Oxhoft dagegen der passende Ort. Hier ist eine Anlage zweiten Ranges, die
weniger Werth als ein eigentlicher Kriegshafen in sich birgt, ganz unbe¬
denklich, sie verlangt aus demselben Grunde minder umfängliche Befestigun¬
gen, und außerdem ist gerade hier im Osten der Küste eine Station nöthig,
welche dem diese Strecke deckenden Geschwader einen sicheren Stützpunkt ge¬
währt. Die örtlichen Verhältnisse begünstigen eine solche Anlage in jeder
Weise. Die Rhede wird von den competentesten Auctoritäten als wahrhaft
prachtvoll gerühmt, als völlig sicher vor jedem Winde (außer dem Nordost),
und von seltener Geräumigkeit. Ihre Tiefe ist so bedeutend, daß Schiffe von
23 Fuß Tiefgang 500 Schritt vom Lande aus gutem, nicht zu tiefem Unter¬
grunde ankern können. Der Versandung am Depot durch die Stürme resp,
die Strömung der Ostsee läßt sich durch Molen von nur 300 Ruthen Länge
genügend steuern, da sie den Sand hauptsächlich hinter Hela absetzen, den
groben in steiler Formation, den feinen aber weiter vertreibend; und diese
Nothwendigkeit eines Molenbaues ist überdies gar kein besonderer Mangel
dieses Punktes, da in der ganzen Ostsee wegen der flachen Küste Molen


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[0434] leis des putziger Wieks, jener Bucht westlich von Danzig, welche durch die lange schmale, nehrungartige Halbinsel Hela gebildet wird, befindet sich die ausgezeichnete Rhede von Oxhoft, wenige (3—4) Meilen von Danzig ent¬ fernt. Den Wunsch, hier einen großen Kriegshafen anzulegen, können wir indessen nicht für berechtigt erachten. Oxhoft lag schon früher viel zu weit östlich vom Centrum der Monarchie, und vollends seit der Gründung des norddeutschen Bundes, seit dem Näherrücken der Aussicht, daß ein Nordost¬ seekanal Verhältnisse schaffen werde, bet denen der Hauptkriegshafen auch für die Nordseegeschwader in Betracht kommen könnte, läßt es sich nur als ein Glück betrachten, daß jenes Project sich nicht verwirklicht hat. Ueberdies bleibt die danziger Bucht länger als Rügen und Kiel mit Eis bedeckt, und die feindlichen Schiffe könnten sehr nahe an Oxhoft heran kommen und mit ihren Geschützen den Hafen erreichen. Auch der Kostenpunkt würde sich, nach dem Urtheil einer hierin competenten Autorität, nicht soviel billiger gestellt haben wie bei einem Hauptkriegshafen auf Rügen. Zwar brauchte die Mole höch¬ stens eine Viertelmeile lang zu werden, aber dafür müßte der ganze Bin¬ nenhafen vollständig mitten im Lande ausgegraben werden, wie an der Jahde, und ebenso ein mindestens 4000 Schritte langer Hafencanal zur Ver¬ bindung des Binnenhafens mit der See: bei geringerer Länge des Canals wären nämlich Arsenale und Schiffe in demselben vor einem feindlichen Bombardement nicht genügend geschützt. Vollends die Befestigungen auf der Landseite würden wegen des hügligen Terrains in weit größerem Umfange nöthig werden als auf Rügen, namentlich mit Rücksicht auf eine Landung bei Zoppot in der danziger Bucht. — Für eine Marinestation ist Oxhoft dagegen der passende Ort. Hier ist eine Anlage zweiten Ranges, die weniger Werth als ein eigentlicher Kriegshafen in sich birgt, ganz unbe¬ denklich, sie verlangt aus demselben Grunde minder umfängliche Befestigun¬ gen, und außerdem ist gerade hier im Osten der Küste eine Station nöthig, welche dem diese Strecke deckenden Geschwader einen sicheren Stützpunkt ge¬ währt. Die örtlichen Verhältnisse begünstigen eine solche Anlage in jeder Weise. Die Rhede wird von den competentesten Auctoritäten als wahrhaft prachtvoll gerühmt, als völlig sicher vor jedem Winde (außer dem Nordost), und von seltener Geräumigkeit. Ihre Tiefe ist so bedeutend, daß Schiffe von 23 Fuß Tiefgang 500 Schritt vom Lande aus gutem, nicht zu tiefem Unter¬ grunde ankern können. Der Versandung am Depot durch die Stürme resp, die Strömung der Ostsee läßt sich durch Molen von nur 300 Ruthen Länge genügend steuern, da sie den Sand hauptsächlich hinter Hela absetzen, den groben in steiler Formation, den feinen aber weiter vertreibend; und diese Nothwendigkeit eines Molenbaues ist überdies gar kein besonderer Mangel dieses Punktes, da in der ganzen Ostsee wegen der flachen Küste Molen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/434>, abgerufen am 15.01.2025.