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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Rhede; gerade von hier aus beherrscht sie vollkommner als von irgend einem
anderen Punkte Rügens oder gar der Festlandsküste die Passagen nördlich
wie südlich von Bornholm, den Sund und beide Belte. und kleinere Fahr¬
zeuge haben aus dem Hafen sogar- einen doppelten Ausgang, nach dem trom-
per Wiek wie nach dem Gellenstrom, durch welchen letzteren sie nach Schles¬
wig-Holstein dampfen oder in vollkommener Sicherheit vor dem Feinde
Stralsund erreichen und eventuell den dortigen Hafen benutzen können. So
bietet also der jasmunder Bodden in strategischer wie in fortificatorischer
und in maritimer Beziehung die größten Bordseite für eine Hauptmarine
station zur Beherrschung der Ostsee.

Dagegen möchten wir nicht Rügen als den eigentlichen Hauptkriegshafen
betrachtet sehen, sondern Kiel, und zwar nicht blos vorläufig, sondern defi¬
nitiv. Einmal liegt die kieler Bucht wegen des beiderseits vorspringenden
Landes vor einer feindlichen Flotte viel geschützter, sie bietet in ihrer Föhrde
einer viel größeren Flotte Raum und dann ist die insulare Lage von Jas-
mund. obwohl der Brückenkopf Stralsund und die Befestigungen des Strela-
sundes, wie wir oben erörterten, die Verbindung mit dem Festlande decken,
doch gegen Landungen oder das Abschneiden der Flotte durch Frost oder
den Feind nie so geschützt wie ein Hafen auf dem Festland selber, weshalb
auch die Regierung ihr Augenmerk zeitweise auf den saaler Bodden gerichtet
hatte. Namentlich für Constructionszwecke, für Neubauten von Kriegsschiffen
scheint uns Rügen, das man 1862 zum Haupteonstructionshafen machen wollte,
nicht der geeignete Ort: Kiel muß der Constructionshafen für die schweren
Schiffe; Kiel muß der Hauptreservekriegshafen werden, Rügen dagegen, blos
mit den Einrichtungen zu Reparaturen und zur Ergänzung von Munition,
Proviant und Kohlen für das Ostseegeschwader versehen, als Hauptaus¬
fallsstation betrachtet werden, fast wie Cherbourg in Frankreich neben dem
Haupthafen Brest. Es werden sich dann auch die Kosten ermäßigen, welche
die Regierung vor 6 Jahren nach einem speciell ausgearbeiteten Plane aus
Rügen zu verwenden gedachte. Zwar bleiben die 4,186,000 Thlr. für Her¬
stellung der Hafeneinfahrt und die 1,083,000 Thlr. für Vertiefung des Boddens;
aber die 4,233.000 Thlr. für Herstellung von Etablissements und Docks, die
2.223.000 Thlr. für Magazine und andere Hochbauten und die 700,000 Thlr.
Insgemein werden sich beträchtlich ermäßigen, und statt gegen 13 Millionen
Würde dann die Station nur etwa 7 Millionen kosten. Gerade der Kosten¬
punkt war es aber, der seiner Zeit dem Regierungsprojeet im Abgeordneten¬
hause so viele Gegner erstehen ließ.

Dies war denn auch der Grund, weshalb die Commission des Abge¬
ordnetenhauses vor einigen Jahren so ^große Vorliebe für Anlegung eines
Kriegshafcns in Oxhoft an den Tag legte. Im Süden des inneren Win-


Rhede; gerade von hier aus beherrscht sie vollkommner als von irgend einem
anderen Punkte Rügens oder gar der Festlandsküste die Passagen nördlich
wie südlich von Bornholm, den Sund und beide Belte. und kleinere Fahr¬
zeuge haben aus dem Hafen sogar- einen doppelten Ausgang, nach dem trom-
per Wiek wie nach dem Gellenstrom, durch welchen letzteren sie nach Schles¬
wig-Holstein dampfen oder in vollkommener Sicherheit vor dem Feinde
Stralsund erreichen und eventuell den dortigen Hafen benutzen können. So
bietet also der jasmunder Bodden in strategischer wie in fortificatorischer
und in maritimer Beziehung die größten Bordseite für eine Hauptmarine
station zur Beherrschung der Ostsee.

Dagegen möchten wir nicht Rügen als den eigentlichen Hauptkriegshafen
betrachtet sehen, sondern Kiel, und zwar nicht blos vorläufig, sondern defi¬
nitiv. Einmal liegt die kieler Bucht wegen des beiderseits vorspringenden
Landes vor einer feindlichen Flotte viel geschützter, sie bietet in ihrer Föhrde
einer viel größeren Flotte Raum und dann ist die insulare Lage von Jas-
mund. obwohl der Brückenkopf Stralsund und die Befestigungen des Strela-
sundes, wie wir oben erörterten, die Verbindung mit dem Festlande decken,
doch gegen Landungen oder das Abschneiden der Flotte durch Frost oder
den Feind nie so geschützt wie ein Hafen auf dem Festland selber, weshalb
auch die Regierung ihr Augenmerk zeitweise auf den saaler Bodden gerichtet
hatte. Namentlich für Constructionszwecke, für Neubauten von Kriegsschiffen
scheint uns Rügen, das man 1862 zum Haupteonstructionshafen machen wollte,
nicht der geeignete Ort: Kiel muß der Constructionshafen für die schweren
Schiffe; Kiel muß der Hauptreservekriegshafen werden, Rügen dagegen, blos
mit den Einrichtungen zu Reparaturen und zur Ergänzung von Munition,
Proviant und Kohlen für das Ostseegeschwader versehen, als Hauptaus¬
fallsstation betrachtet werden, fast wie Cherbourg in Frankreich neben dem
Haupthafen Brest. Es werden sich dann auch die Kosten ermäßigen, welche
die Regierung vor 6 Jahren nach einem speciell ausgearbeiteten Plane aus
Rügen zu verwenden gedachte. Zwar bleiben die 4,186,000 Thlr. für Her¬
stellung der Hafeneinfahrt und die 1,083,000 Thlr. für Vertiefung des Boddens;
aber die 4,233.000 Thlr. für Herstellung von Etablissements und Docks, die
2.223.000 Thlr. für Magazine und andere Hochbauten und die 700,000 Thlr.
Insgemein werden sich beträchtlich ermäßigen, und statt gegen 13 Millionen
Würde dann die Station nur etwa 7 Millionen kosten. Gerade der Kosten¬
punkt war es aber, der seiner Zeit dem Regierungsprojeet im Abgeordneten¬
hause so viele Gegner erstehen ließ.

Dies war denn auch der Grund, weshalb die Commission des Abge¬
ordnetenhauses vor einigen Jahren so ^große Vorliebe für Anlegung eines
Kriegshafcns in Oxhoft an den Tag legte. Im Süden des inneren Win-


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[0433] Rhede; gerade von hier aus beherrscht sie vollkommner als von irgend einem anderen Punkte Rügens oder gar der Festlandsküste die Passagen nördlich wie südlich von Bornholm, den Sund und beide Belte. und kleinere Fahr¬ zeuge haben aus dem Hafen sogar- einen doppelten Ausgang, nach dem trom- per Wiek wie nach dem Gellenstrom, durch welchen letzteren sie nach Schles¬ wig-Holstein dampfen oder in vollkommener Sicherheit vor dem Feinde Stralsund erreichen und eventuell den dortigen Hafen benutzen können. So bietet also der jasmunder Bodden in strategischer wie in fortificatorischer und in maritimer Beziehung die größten Bordseite für eine Hauptmarine station zur Beherrschung der Ostsee. Dagegen möchten wir nicht Rügen als den eigentlichen Hauptkriegshafen betrachtet sehen, sondern Kiel, und zwar nicht blos vorläufig, sondern defi¬ nitiv. Einmal liegt die kieler Bucht wegen des beiderseits vorspringenden Landes vor einer feindlichen Flotte viel geschützter, sie bietet in ihrer Föhrde einer viel größeren Flotte Raum und dann ist die insulare Lage von Jas- mund. obwohl der Brückenkopf Stralsund und die Befestigungen des Strela- sundes, wie wir oben erörterten, die Verbindung mit dem Festlande decken, doch gegen Landungen oder das Abschneiden der Flotte durch Frost oder den Feind nie so geschützt wie ein Hafen auf dem Festland selber, weshalb auch die Regierung ihr Augenmerk zeitweise auf den saaler Bodden gerichtet hatte. Namentlich für Constructionszwecke, für Neubauten von Kriegsschiffen scheint uns Rügen, das man 1862 zum Haupteonstructionshafen machen wollte, nicht der geeignete Ort: Kiel muß der Constructionshafen für die schweren Schiffe; Kiel muß der Hauptreservekriegshafen werden, Rügen dagegen, blos mit den Einrichtungen zu Reparaturen und zur Ergänzung von Munition, Proviant und Kohlen für das Ostseegeschwader versehen, als Hauptaus¬ fallsstation betrachtet werden, fast wie Cherbourg in Frankreich neben dem Haupthafen Brest. Es werden sich dann auch die Kosten ermäßigen, welche die Regierung vor 6 Jahren nach einem speciell ausgearbeiteten Plane aus Rügen zu verwenden gedachte. Zwar bleiben die 4,186,000 Thlr. für Her¬ stellung der Hafeneinfahrt und die 1,083,000 Thlr. für Vertiefung des Boddens; aber die 4,233.000 Thlr. für Herstellung von Etablissements und Docks, die 2.223.000 Thlr. für Magazine und andere Hochbauten und die 700,000 Thlr. Insgemein werden sich beträchtlich ermäßigen, und statt gegen 13 Millionen Würde dann die Station nur etwa 7 Millionen kosten. Gerade der Kosten¬ punkt war es aber, der seiner Zeit dem Regierungsprojeet im Abgeordneten¬ hause so viele Gegner erstehen ließ. Dies war denn auch der Grund, weshalb die Commission des Abge¬ ordnetenhauses vor einigen Jahren so ^große Vorliebe für Anlegung eines Kriegshafcns in Oxhoft an den Tag legte. Im Süden des inneren Win-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/433>, abgerufen am 15.01.2025.