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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Recht beansprucht, sich mit den Temporalien der Kirche beschäftigen zu dür¬
fen und dies Recht so oft geübt, daß jeder, der Geld für religiöse Zwecke
vermacht, wissen muß, daß das Parlament die Bestimmung seiner Gelder
ändern kann, wenn dies im öffentlichen Interesse erachtet wird. Bei
der Reformation z. B. fanden sich zahlreiche Stiftungen für fortdauernde
Seelenmessen oder für Loskauf von Gefangenen im heiligen Lande; hätten
diese fortbestehen sollen, wo die ganze Bevölkerung protestantisch geworden
und es keine Gefangenen mehr gab? Aber noch mehr, das Recht der Hoch¬
kirche beruht ja darauf, daß Parlament und Krone unter Elisabeth die schlie߬
liche Trennung von Rom vollzogen; das englische Parlament hat also, abge¬
sehen von allgemeinen Gründen, gesetzlich ebenso unstreitig das Recht, über
das Eigenthum der Kirche zu verfügen, wie die Königin berechtigt ist, Bi¬
schöfe zu ernennen. Löwe konnte deshalb sagen, die Einkünfte der irischen
Kirche seien als öffentliches Eigenthum anzusehen, welches Krone und Parla¬
ment zum Besten des irischen Volkes zu verwenden hätten.

Ein zweiter Grund, der sür die Erhaltung der irischen Kirche angeführt
wird, ist, daß dies in der Unionsacte von 1801 vorausgesetzt und zugesagt
worden. Unzweifelhaft sind die Urheber jener Acte für die Erhaltung gewesen,
aber dieses Gesetz ist nicht unantastbarer als irgend ein anderes und kann
daher auf legale Weise abgeändert werden. Die Unionsacte hat nicht hin¬
dern können, daß man 1829 die Ausschließung der Katholiken aufgehoben,
sie wird auch nicht hindern dürfen, daß man in der Kirchenfrage Gerechrig-
keit übe; ebensowenig kann der Krönungseid unveränderlich sein, König und
Parlament, die ihn gemacht, können seine Fassung auch modificiren. Gewiß
ist es nicht wünschenswert!), daß an den Grundlagen des Staatslebens oft
gerüttelt werde, aber ihre UnVeränderlichkeit behaupten, wenn dringende
Gründe für einen Wechsel sprechen, heißt die Revolution provociren.

Man hat serner gesagt, die Aufhebung der Staatskirche werde die ka¬
tholische Majorität Irlands nicht zufrieden stellen, dagegen die protestan¬
tische Minorität der Regierung entfremden. Die Fenier allerdings wird eine
solche Maßregel nicht befriedigen, weil dieselben allgemeinen Umsturz, Tren¬
nung von England und Confiscation des Grundeigenthums wollen, aber es
ist ebenso unzweifelhaft, daß eine solche Maßregel dem irischen Volke Bürg¬
schaft sein würde für Englands ernstlichen Willen, seinen Beschwerden gerecht
zu werden. Die Verwerfung der Gladstoneschen Resolutionen wäre ein Be¬
weis des Gegentheils gewesen, ein Beweis, , daß Irland vom englischen
Parlament nichts zu erwarten hat. Und die Wirkung eines solchen äsen as
MLties wäre unberechenbar gewesen bei der großen Masse, welche zwar vor
den Mitteln der Fenier zurückschreckt, aber mit den Zielen derselben sym-
pathisirt und jedenfalls nicht loyal ist. Diese Class?, die nach Hunderttausen-


Recht beansprucht, sich mit den Temporalien der Kirche beschäftigen zu dür¬
fen und dies Recht so oft geübt, daß jeder, der Geld für religiöse Zwecke
vermacht, wissen muß, daß das Parlament die Bestimmung seiner Gelder
ändern kann, wenn dies im öffentlichen Interesse erachtet wird. Bei
der Reformation z. B. fanden sich zahlreiche Stiftungen für fortdauernde
Seelenmessen oder für Loskauf von Gefangenen im heiligen Lande; hätten
diese fortbestehen sollen, wo die ganze Bevölkerung protestantisch geworden
und es keine Gefangenen mehr gab? Aber noch mehr, das Recht der Hoch¬
kirche beruht ja darauf, daß Parlament und Krone unter Elisabeth die schlie߬
liche Trennung von Rom vollzogen; das englische Parlament hat also, abge¬
sehen von allgemeinen Gründen, gesetzlich ebenso unstreitig das Recht, über
das Eigenthum der Kirche zu verfügen, wie die Königin berechtigt ist, Bi¬
schöfe zu ernennen. Löwe konnte deshalb sagen, die Einkünfte der irischen
Kirche seien als öffentliches Eigenthum anzusehen, welches Krone und Parla¬
ment zum Besten des irischen Volkes zu verwenden hätten.

Ein zweiter Grund, der sür die Erhaltung der irischen Kirche angeführt
wird, ist, daß dies in der Unionsacte von 1801 vorausgesetzt und zugesagt
worden. Unzweifelhaft sind die Urheber jener Acte für die Erhaltung gewesen,
aber dieses Gesetz ist nicht unantastbarer als irgend ein anderes und kann
daher auf legale Weise abgeändert werden. Die Unionsacte hat nicht hin¬
dern können, daß man 1829 die Ausschließung der Katholiken aufgehoben,
sie wird auch nicht hindern dürfen, daß man in der Kirchenfrage Gerechrig-
keit übe; ebensowenig kann der Krönungseid unveränderlich sein, König und
Parlament, die ihn gemacht, können seine Fassung auch modificiren. Gewiß
ist es nicht wünschenswert!), daß an den Grundlagen des Staatslebens oft
gerüttelt werde, aber ihre UnVeränderlichkeit behaupten, wenn dringende
Gründe für einen Wechsel sprechen, heißt die Revolution provociren.

Man hat serner gesagt, die Aufhebung der Staatskirche werde die ka¬
tholische Majorität Irlands nicht zufrieden stellen, dagegen die protestan¬
tische Minorität der Regierung entfremden. Die Fenier allerdings wird eine
solche Maßregel nicht befriedigen, weil dieselben allgemeinen Umsturz, Tren¬
nung von England und Confiscation des Grundeigenthums wollen, aber es
ist ebenso unzweifelhaft, daß eine solche Maßregel dem irischen Volke Bürg¬
schaft sein würde für Englands ernstlichen Willen, seinen Beschwerden gerecht
zu werden. Die Verwerfung der Gladstoneschen Resolutionen wäre ein Be¬
weis des Gegentheils gewesen, ein Beweis, , daß Irland vom englischen
Parlament nichts zu erwarten hat. Und die Wirkung eines solchen äsen as
MLties wäre unberechenbar gewesen bei der großen Masse, welche zwar vor
den Mitteln der Fenier zurückschreckt, aber mit den Zielen derselben sym-
pathisirt und jedenfalls nicht loyal ist. Diese Class?, die nach Hunderttausen-


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[0408] Recht beansprucht, sich mit den Temporalien der Kirche beschäftigen zu dür¬ fen und dies Recht so oft geübt, daß jeder, der Geld für religiöse Zwecke vermacht, wissen muß, daß das Parlament die Bestimmung seiner Gelder ändern kann, wenn dies im öffentlichen Interesse erachtet wird. Bei der Reformation z. B. fanden sich zahlreiche Stiftungen für fortdauernde Seelenmessen oder für Loskauf von Gefangenen im heiligen Lande; hätten diese fortbestehen sollen, wo die ganze Bevölkerung protestantisch geworden und es keine Gefangenen mehr gab? Aber noch mehr, das Recht der Hoch¬ kirche beruht ja darauf, daß Parlament und Krone unter Elisabeth die schlie߬ liche Trennung von Rom vollzogen; das englische Parlament hat also, abge¬ sehen von allgemeinen Gründen, gesetzlich ebenso unstreitig das Recht, über das Eigenthum der Kirche zu verfügen, wie die Königin berechtigt ist, Bi¬ schöfe zu ernennen. Löwe konnte deshalb sagen, die Einkünfte der irischen Kirche seien als öffentliches Eigenthum anzusehen, welches Krone und Parla¬ ment zum Besten des irischen Volkes zu verwenden hätten. Ein zweiter Grund, der sür die Erhaltung der irischen Kirche angeführt wird, ist, daß dies in der Unionsacte von 1801 vorausgesetzt und zugesagt worden. Unzweifelhaft sind die Urheber jener Acte für die Erhaltung gewesen, aber dieses Gesetz ist nicht unantastbarer als irgend ein anderes und kann daher auf legale Weise abgeändert werden. Die Unionsacte hat nicht hin¬ dern können, daß man 1829 die Ausschließung der Katholiken aufgehoben, sie wird auch nicht hindern dürfen, daß man in der Kirchenfrage Gerechrig- keit übe; ebensowenig kann der Krönungseid unveränderlich sein, König und Parlament, die ihn gemacht, können seine Fassung auch modificiren. Gewiß ist es nicht wünschenswert!), daß an den Grundlagen des Staatslebens oft gerüttelt werde, aber ihre UnVeränderlichkeit behaupten, wenn dringende Gründe für einen Wechsel sprechen, heißt die Revolution provociren. Man hat serner gesagt, die Aufhebung der Staatskirche werde die ka¬ tholische Majorität Irlands nicht zufrieden stellen, dagegen die protestan¬ tische Minorität der Regierung entfremden. Die Fenier allerdings wird eine solche Maßregel nicht befriedigen, weil dieselben allgemeinen Umsturz, Tren¬ nung von England und Confiscation des Grundeigenthums wollen, aber es ist ebenso unzweifelhaft, daß eine solche Maßregel dem irischen Volke Bürg¬ schaft sein würde für Englands ernstlichen Willen, seinen Beschwerden gerecht zu werden. Die Verwerfung der Gladstoneschen Resolutionen wäre ein Be¬ weis des Gegentheils gewesen, ein Beweis, , daß Irland vom englischen Parlament nichts zu erwarten hat. Und die Wirkung eines solchen äsen as MLties wäre unberechenbar gewesen bei der großen Masse, welche zwar vor den Mitteln der Fenier zurückschreckt, aber mit den Zielen derselben sym- pathisirt und jedenfalls nicht loyal ist. Diese Class?, die nach Hunderttausen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/408>, abgerufen am 15.01.2025.