Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.eine gewisse Art von Geistigen bei der dummen, ungeschliffenen und engher¬ eine gewisse Art von Geistigen bei der dummen, ungeschliffenen und engher¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0371" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117903"/> <p xml:id="ID_1167" prev="#ID_1166" next="#ID_1168"> eine gewisse Art von Geistigen bei der dummen, ungeschliffenen und engher¬<lb/> zigen Menge erweckt, die Geistiges weder schätzen noch verstehen kann." In<lb/> gleicher Weise wird der Nutzen der monarchischen Einrichtung untersucht und<lb/> derselbe wesentlich darein gesetzt, daß dieselbe die Phantasie und die Gefühle<lb/> der Massen in einer sonst nicht zu ersetzenden Weise beeinflußt. „Die Mo¬<lb/> narchie befestigt durch ihre Weihe für die Gewissen unsere ganze politische<lb/> Ordnung, indem sie zu ihrem Besten den gläubigen Gehorsam großer Massen<lb/> in ihre Dienste nimmt." Während die politische Autorität der Krone gleich<lb/> Null ist, umgibt sie der Glanz einer unvergleichlichen geheimnißvollen Weihe.<lb/> Die Krone besitzt kein Veto, keine legislative Macht, sie ist kein „Stand des<lb/> Reiches", wie die ältere Theorie meinte, keine besondere beiden Häusern<lb/> coordinirte Autorität. Sie ist ebensowenig die Executivgewalt; ja wenn<lb/> genau angegeben werden sollte, was der Krone noch gegenwärtig für<lb/> Rechte zustehen, so würde die Antwort sehr schwierig sein, denn es fehlt<lb/> in der ganzen englischen staatsrechtlichen Literatur an einer authentischen Be¬<lb/> lehrung darüber. Praktisch aber wird die Entscheidung, wenn sie in einzel¬<lb/> nen Fällen gesucht wird, meistens zu Ungunsten der Krone ausfallen. Als<lb/> die Königin vor einigen Jahren den Versuch machte, Pairs auf Lebenszeit<lb/> zu ernennen, verweigerte das Haus der Lords die Annahme, indem es be¬<lb/> hauptete, daß das Recht der Königin durch langen Nichtgebrauch verjährt<lb/> sei. Solcher Rechte, die eine zweifelhafte Existenz zwischen dem Anspruch<lb/> auf Leben und dem Tode durch Verjährung führen, gibt es eine große An¬<lb/> zahl. In Comyn's Digest oder einem ähnlichen Werke kann man sie zu¬<lb/> sammengestellt finden. Unter dem Titel „Prärogative" paradiren sie dort<lb/> mit einem täuschenden Anschein von Lebensfülle, während sie in Wirklichkeit<lb/> zum großen Theil denjenigen todten Körpern gleichen, welche zerstäuben, sobald<lb/> man sie zu fassen sucht. Ein unverjährbares und unzerstörbares Recht bleibt<lb/> freilich dem Souverain in einer constitutionellen Monarchie wie England:<lb/> das Recht um Rath gefragt zu werden, dem sich als Ergänzung anschließt<lb/> das Recht anzuregen und zu warnen. Daß dieses Recht kein inhaltleeres ist,<lb/> beweist die langjährige erfolgreiche Laufbahn eines Monarchen wie Leopold<lb/> von Belgien, beweist nicht minder der unter viel schwierigeren Umständen<lb/> geübte Einfluß des Prinzen Albert. Aber leider gestattet eine unbefangen<lb/> angestellte Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht die Annahme, daß konstitutionelle<lb/> Könige im wahren Sinne des Worts jemals die Regel statt die Ausnahme<lb/> bilden werden. Die Geschichte Englands insbesondere liefert keine Belege<lb/> für das Gegentheil. Erst seitdem die jetzige Regierung in England besteht,<lb/> sind die Pflichten eines constitutionellen Monarchen gut erfüllt worden und<lb/> die gesammte Erfahrung dort wie anderswo bestätigt, was Bagehot als Re¬<lb/> sultat einer ausführlichen Untersuchung ausspricht: „Man hat keinen Grund,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0371]
eine gewisse Art von Geistigen bei der dummen, ungeschliffenen und engher¬
zigen Menge erweckt, die Geistiges weder schätzen noch verstehen kann." In
gleicher Weise wird der Nutzen der monarchischen Einrichtung untersucht und
derselbe wesentlich darein gesetzt, daß dieselbe die Phantasie und die Gefühle
der Massen in einer sonst nicht zu ersetzenden Weise beeinflußt. „Die Mo¬
narchie befestigt durch ihre Weihe für die Gewissen unsere ganze politische
Ordnung, indem sie zu ihrem Besten den gläubigen Gehorsam großer Massen
in ihre Dienste nimmt." Während die politische Autorität der Krone gleich
Null ist, umgibt sie der Glanz einer unvergleichlichen geheimnißvollen Weihe.
Die Krone besitzt kein Veto, keine legislative Macht, sie ist kein „Stand des
Reiches", wie die ältere Theorie meinte, keine besondere beiden Häusern
coordinirte Autorität. Sie ist ebensowenig die Executivgewalt; ja wenn
genau angegeben werden sollte, was der Krone noch gegenwärtig für
Rechte zustehen, so würde die Antwort sehr schwierig sein, denn es fehlt
in der ganzen englischen staatsrechtlichen Literatur an einer authentischen Be¬
lehrung darüber. Praktisch aber wird die Entscheidung, wenn sie in einzel¬
nen Fällen gesucht wird, meistens zu Ungunsten der Krone ausfallen. Als
die Königin vor einigen Jahren den Versuch machte, Pairs auf Lebenszeit
zu ernennen, verweigerte das Haus der Lords die Annahme, indem es be¬
hauptete, daß das Recht der Königin durch langen Nichtgebrauch verjährt
sei. Solcher Rechte, die eine zweifelhafte Existenz zwischen dem Anspruch
auf Leben und dem Tode durch Verjährung führen, gibt es eine große An¬
zahl. In Comyn's Digest oder einem ähnlichen Werke kann man sie zu¬
sammengestellt finden. Unter dem Titel „Prärogative" paradiren sie dort
mit einem täuschenden Anschein von Lebensfülle, während sie in Wirklichkeit
zum großen Theil denjenigen todten Körpern gleichen, welche zerstäuben, sobald
man sie zu fassen sucht. Ein unverjährbares und unzerstörbares Recht bleibt
freilich dem Souverain in einer constitutionellen Monarchie wie England:
das Recht um Rath gefragt zu werden, dem sich als Ergänzung anschließt
das Recht anzuregen und zu warnen. Daß dieses Recht kein inhaltleeres ist,
beweist die langjährige erfolgreiche Laufbahn eines Monarchen wie Leopold
von Belgien, beweist nicht minder der unter viel schwierigeren Umständen
geübte Einfluß des Prinzen Albert. Aber leider gestattet eine unbefangen
angestellte Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht die Annahme, daß konstitutionelle
Könige im wahren Sinne des Worts jemals die Regel statt die Ausnahme
bilden werden. Die Geschichte Englands insbesondere liefert keine Belege
für das Gegentheil. Erst seitdem die jetzige Regierung in England besteht,
sind die Pflichten eines constitutionellen Monarchen gut erfüllt worden und
die gesammte Erfahrung dort wie anderswo bestätigt, was Bagehot als Re¬
sultat einer ausführlichen Untersuchung ausspricht: „Man hat keinen Grund,
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