Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.sollen. Es handelt sich bekanntlich darum, ob die Bulgaren in der directen Mit Gedanken an die Einberufung einer großen kirchlichen Versammlung sollen. Es handelt sich bekanntlich darum, ob die Bulgaren in der directen Mit Gedanken an die Einberufung einer großen kirchlichen Versammlung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117885"/> <p xml:id="ID_1119" prev="#ID_1118"> sollen. Es handelt sich bekanntlich darum, ob die Bulgaren in der directen<lb/> Abhängigkeit vom constantinopolitanischen Patriarchen bleiben sollen, in welche<lb/> sie seitdem vorigen Jahrhundert wieder gerathen sind oder ob ihnen in kirch¬<lb/> licher Beziehung volle Parität mit den Griechen zugestanden werden soll. Das<lb/> russische Journal, dem wir die Mittheilung von dem Wiederaufleben der alten<lb/> Streitigkeiten um diese Frage entnehmen, vindicirt Rußland das Recht und<lb/> die Pflicht, behufs Schlichtung derselben ein allgemeines Concil der kirchlichen<lb/> Würdenträger des Orients einzuberufen. Selbstverständlich würde die russische<lb/> Oberkirchenbehörde, der „heiligst dirigirende spröd" an dieser Versammlung<lb/> einen hervorragenden Antheil nehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1120" next="#ID_1121"> Mit Gedanken an die Einberufung einer großen kirchlichen Versammlung<lb/> im Styl des Mittelalters trägt sich der Orient übrigens nicht allein.<lb/> Pius IX. soll für das nächste Jahr die Einberufung eines großen abend¬<lb/> ländisch-katholischen Concils in Aussicht genommen haben und es würde in<lb/> der That nicht ohne Interesse sein, diese beiden Versammlungen gleichzeitig<lb/> tagen zu sehen. Meinungsverschiedenheiten von der Tragweite derer,, welche<lb/> durch ein griechisch-orthodoxes Concil zu schlichten wären, wird es Dank der<lb/> unumschränkten Herrschaft streng conservativer Elemente in der römisch¬<lb/> katholischen Kirche allerdings kaum mehr geben, zumal der einzige römische<lb/> Kirchenfürst, der eine Aussöhnung der Curie mit der Neuzeit für möglich und<lb/> wünschenswert!) hielt, der vielgenannte Cardinal Andrea in den letzten Tagen<lb/> verstorben ist. An den Namen dieses schwachen Mannes knüpft sich heute nur<lb/> noch die Erinnerung, an jene allgemeine Begeisterung und Ueberschwäng-<lb/> lichkeit, welche noch vor wenigen Jahren herrschend war, sobald in liberalen<lb/> Kreisen der Name des neuen Italien genannt wurde. Der Ernst der Zeit<lb/> hat den rosenfarbigen Optimismus, mit welchem man damals die Wieder¬<lb/> geburt eines durch Jahrhunderte verkommenen und gemißhandelten Volks<lb/> innerhalb weniger Monate vollendet zu sehen glaubte, längst Lügen gestraft.<lb/> Die dumpfe Lethargie welche seit Jahr und Tag über dem italienischen Staat<lb/> liegt, ist der kurzen Erregung durch die florentiner Festwochen wiederum aus<lb/> dem Fuße gefolgt, und es hat des in Oesterreich proclamirten Staatsbankerotts<lb/> bedurft, um der endlich erfolgten Annahme.des Gesetzes über die Cambraysche<lb/> Mahlsteuer ein gewisses Relief zu geben. Der Eifer, mit welchem das<lb/> Ministerium Menabrea an einer ehrenvollen Ordnung der italienischen Finanz¬<lb/> schwierigkeiten arbeitet, beweist übrigens, daß man die unfreiwillige Stockung,<lb/> in welche die nationale Bewegung auf der Halbinsel gerathen ist, wenigstens<lb/> nach einer Seite zu benutzen weiß und ein klares Bewußtsein davon hat, daß<lb/> die Lösung der römischen Frage nur eine, nicht die einzige Bedingung zur<lb/> Konsolidation des von Cavour geschaffenen Staats ist. Wie gering die Be¬<lb/> deutung ist, welche dem Wohl- oder Uebelwollen desselben zur Zeit von den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0353]
sollen. Es handelt sich bekanntlich darum, ob die Bulgaren in der directen
Abhängigkeit vom constantinopolitanischen Patriarchen bleiben sollen, in welche
sie seitdem vorigen Jahrhundert wieder gerathen sind oder ob ihnen in kirch¬
licher Beziehung volle Parität mit den Griechen zugestanden werden soll. Das
russische Journal, dem wir die Mittheilung von dem Wiederaufleben der alten
Streitigkeiten um diese Frage entnehmen, vindicirt Rußland das Recht und
die Pflicht, behufs Schlichtung derselben ein allgemeines Concil der kirchlichen
Würdenträger des Orients einzuberufen. Selbstverständlich würde die russische
Oberkirchenbehörde, der „heiligst dirigirende spröd" an dieser Versammlung
einen hervorragenden Antheil nehmen.
Mit Gedanken an die Einberufung einer großen kirchlichen Versammlung
im Styl des Mittelalters trägt sich der Orient übrigens nicht allein.
Pius IX. soll für das nächste Jahr die Einberufung eines großen abend¬
ländisch-katholischen Concils in Aussicht genommen haben und es würde in
der That nicht ohne Interesse sein, diese beiden Versammlungen gleichzeitig
tagen zu sehen. Meinungsverschiedenheiten von der Tragweite derer,, welche
durch ein griechisch-orthodoxes Concil zu schlichten wären, wird es Dank der
unumschränkten Herrschaft streng conservativer Elemente in der römisch¬
katholischen Kirche allerdings kaum mehr geben, zumal der einzige römische
Kirchenfürst, der eine Aussöhnung der Curie mit der Neuzeit für möglich und
wünschenswert!) hielt, der vielgenannte Cardinal Andrea in den letzten Tagen
verstorben ist. An den Namen dieses schwachen Mannes knüpft sich heute nur
noch die Erinnerung, an jene allgemeine Begeisterung und Ueberschwäng-
lichkeit, welche noch vor wenigen Jahren herrschend war, sobald in liberalen
Kreisen der Name des neuen Italien genannt wurde. Der Ernst der Zeit
hat den rosenfarbigen Optimismus, mit welchem man damals die Wieder¬
geburt eines durch Jahrhunderte verkommenen und gemißhandelten Volks
innerhalb weniger Monate vollendet zu sehen glaubte, längst Lügen gestraft.
Die dumpfe Lethargie welche seit Jahr und Tag über dem italienischen Staat
liegt, ist der kurzen Erregung durch die florentiner Festwochen wiederum aus
dem Fuße gefolgt, und es hat des in Oesterreich proclamirten Staatsbankerotts
bedurft, um der endlich erfolgten Annahme.des Gesetzes über die Cambraysche
Mahlsteuer ein gewisses Relief zu geben. Der Eifer, mit welchem das
Ministerium Menabrea an einer ehrenvollen Ordnung der italienischen Finanz¬
schwierigkeiten arbeitet, beweist übrigens, daß man die unfreiwillige Stockung,
in welche die nationale Bewegung auf der Halbinsel gerathen ist, wenigstens
nach einer Seite zu benutzen weiß und ein klares Bewußtsein davon hat, daß
die Lösung der römischen Frage nur eine, nicht die einzige Bedingung zur
Konsolidation des von Cavour geschaffenen Staats ist. Wie gering die Be¬
deutung ist, welche dem Wohl- oder Uebelwollen desselben zur Zeit von den
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