Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Geschick des Ministeriums Auersperg-Giskra von der Erhaltung des.Friedens Auch in Constantinopel hat die östreichische Diplomatie in jüngster Zeit Geschick des Ministeriums Auersperg-Giskra von der Erhaltung des.Friedens Auch in Constantinopel hat die östreichische Diplomatie in jüngster Zeit <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117884"/> <p xml:id="ID_1117" prev="#ID_1116"> Geschick des Ministeriums Auersperg-Giskra von der Erhaltung des.Friedens<lb/> abhängig ist, haben zu wiederholten Malen ausgesprochen, der gegen die ma¬<lb/> gyarischen Wünsche geübten Connivenz liege die Absicht zu Grunde, mit Hilfe<lb/> Ungarns die Rachepläne zu insceniren, die in den stillen Winkeln der Hof¬<lb/> burg der Auferstehung harren. Herr v. Beust ist durch den Dualismus in<lb/> die glückliche Lage versetzt worden, seine auswärtige Politik völlig auf eigene<lb/> Hand und ohne jede Rücksicht auf die beiden einander in Schach haltenden<lb/> Parlamente treiben zu können. Wenn wir von den Gerüchten absehen, zu<lb/> denen das Treiben des Fürsten Richard Metternich von Zeit zu Zeit Ver¬<lb/> anlassung gibt, so möchte man glauben, diese Politik habe im Augenblick<lb/> nur für den Orient Augen und Ohren. In Bukarest hat der k. k. General-<lb/> consul an der Spitze derer gestanden, welche wegen der Moldauer Judenver¬<lb/> folgungen Lärm schlugen und dem neuen rumänischen Ministerium Goleseo<lb/> zur Existenz verhalfen. nachdem Bratiano (um die Ausdrücke des moi-dau-<lb/> wallachischen Senats zu brauchen) „die Würde des Landes verletzt und die<lb/> guten Beziehungen zum Auslande gestört hatte." Richtiger sollte es heißen<lb/> „die guten Beziehungen zu den Westmächten", denn die ofsiciöse russische<lb/> Presse hat kein Hehl daraus gemacht, daß sie die Judenhepheps und die An¬<lb/> träge der Democraten auf Ausschließung der Juden vom Grundeigenthum für<lb/> innere Angelegenheiten ansehe, welche dem Auslande kein Recht zur Ein¬<lb/> mischung geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1118" next="#ID_1119"> Auch in Constantinopel hat die östreichische Diplomatie in jüngster Zeit<lb/> eine auffallende Regsamkeit gezeigt. Die Wendung, welche die Candiotenange-<lb/> legenheit genommen, wird in erster Reihe auf Rechnung des k. k. Jnternuntius<lb/> geschrieben und zu der liberalen Rede, mit welcher der Sultan (gerade wie<lb/> im I. 1839 sein Vorgänger Abdul-Medschid) den neu einberufenen Staats¬<lb/> rath eröffnet hat, um wieder einmal den Beginn einer neuen türkischen Aera<lb/> zu proclamiren, ist Abdul-Aziz zuerst durch Herrn v. Prokesch-Osten Glück<lb/> gewünscht worden. Von Interesse wird es sein, Oestreichs Stellung zu den<lb/> beiden brennenden Fragen kennen zu lernen, welche demnächst in Constanti¬<lb/> nopel zum Austrag kommen sollen. Nach — allerdings noch nicht ganz<lb/> verbürgten — Nachrichten steht die in voriger Woche erfolgte Entlassung des<lb/> Scheich-ni-Jslam mit dem Plane des Sultans in Zusammenhang, das Thron¬<lb/> folgegesetz zu ändern und die Senioratserbfolge zu Gunsten der Succession<lb/> vom Vater auf den ältesten Sohn abzuschaffen. In früherer Zeit hätte diese<lb/> Neuerung eine ähnliche Wichtigkeit gehabt, wie am Ausgang des 18. Jahr¬<lb/> hunderts die Abschaffung des polnischen liberum veto, heute hat sie alle Aus¬<lb/> sicht, ein türkisches Jnternum zu bleiben. Von größerem Interesse und größe¬<lb/> rer Wichtigkeit ist, daß — nach Andeutungen der russischen Presse — die alten<lb/> kirchlichen Händel zwischen Bulgaren und Griechen zum Austrag kommen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
Geschick des Ministeriums Auersperg-Giskra von der Erhaltung des.Friedens
abhängig ist, haben zu wiederholten Malen ausgesprochen, der gegen die ma¬
gyarischen Wünsche geübten Connivenz liege die Absicht zu Grunde, mit Hilfe
Ungarns die Rachepläne zu insceniren, die in den stillen Winkeln der Hof¬
burg der Auferstehung harren. Herr v. Beust ist durch den Dualismus in
die glückliche Lage versetzt worden, seine auswärtige Politik völlig auf eigene
Hand und ohne jede Rücksicht auf die beiden einander in Schach haltenden
Parlamente treiben zu können. Wenn wir von den Gerüchten absehen, zu
denen das Treiben des Fürsten Richard Metternich von Zeit zu Zeit Ver¬
anlassung gibt, so möchte man glauben, diese Politik habe im Augenblick
nur für den Orient Augen und Ohren. In Bukarest hat der k. k. General-
consul an der Spitze derer gestanden, welche wegen der Moldauer Judenver¬
folgungen Lärm schlugen und dem neuen rumänischen Ministerium Goleseo
zur Existenz verhalfen. nachdem Bratiano (um die Ausdrücke des moi-dau-
wallachischen Senats zu brauchen) „die Würde des Landes verletzt und die
guten Beziehungen zum Auslande gestört hatte." Richtiger sollte es heißen
„die guten Beziehungen zu den Westmächten", denn die ofsiciöse russische
Presse hat kein Hehl daraus gemacht, daß sie die Judenhepheps und die An¬
träge der Democraten auf Ausschließung der Juden vom Grundeigenthum für
innere Angelegenheiten ansehe, welche dem Auslande kein Recht zur Ein¬
mischung geben.
Auch in Constantinopel hat die östreichische Diplomatie in jüngster Zeit
eine auffallende Regsamkeit gezeigt. Die Wendung, welche die Candiotenange-
legenheit genommen, wird in erster Reihe auf Rechnung des k. k. Jnternuntius
geschrieben und zu der liberalen Rede, mit welcher der Sultan (gerade wie
im I. 1839 sein Vorgänger Abdul-Medschid) den neu einberufenen Staats¬
rath eröffnet hat, um wieder einmal den Beginn einer neuen türkischen Aera
zu proclamiren, ist Abdul-Aziz zuerst durch Herrn v. Prokesch-Osten Glück
gewünscht worden. Von Interesse wird es sein, Oestreichs Stellung zu den
beiden brennenden Fragen kennen zu lernen, welche demnächst in Constanti¬
nopel zum Austrag kommen sollen. Nach — allerdings noch nicht ganz
verbürgten — Nachrichten steht die in voriger Woche erfolgte Entlassung des
Scheich-ni-Jslam mit dem Plane des Sultans in Zusammenhang, das Thron¬
folgegesetz zu ändern und die Senioratserbfolge zu Gunsten der Succession
vom Vater auf den ältesten Sohn abzuschaffen. In früherer Zeit hätte diese
Neuerung eine ähnliche Wichtigkeit gehabt, wie am Ausgang des 18. Jahr¬
hunderts die Abschaffung des polnischen liberum veto, heute hat sie alle Aus¬
sicht, ein türkisches Jnternum zu bleiben. Von größerem Interesse und größe¬
rer Wichtigkeit ist, daß — nach Andeutungen der russischen Presse — die alten
kirchlichen Händel zwischen Bulgaren und Griechen zum Austrag kommen
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