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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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wenden nationalen des Südens ein Seil zugeworfen wird, an dem sie
festhalten können. Hie Mväus Kie salta! Seit die auf das Zollparlament
gesetzten Hoffnungen gescheitert sind, bleibt der nationalliberalen Partei nur
die Alternative, entweder das in ihr Programm geschlagene Leck sich erwei¬
tern zu lassen oder durch eine concentrirte Action zu Gunsten der Heran-
Ziehung Badens neuen Boden zu gewinnen. Sobald diese Partei auf directe
und praktische Ziele verzichtet und ihre Rechnung auf moralische Eroberun¬
gen im Allgemeinen stellt, läuft sie Gefahr, in das Niveau jener Fractionen
herabzusinken, welche von Resolutionen und Demonstrationen ihre Existenz
fristen und nicht sowohl politische Parteien als Anstalten zur Ausbildung
Populärer Redekunst sind.

Die directen und praktischen Ziele der nationalliberalen Partei werden
sich freilich nicht auf die Jsolirung Baierns und Würtembergs und die Heran¬
ziehung Badens beschränken dürfen. Wir wissen für die preußische Regierung
wie für die nationale Partei kein geeigneteres Mittel, um die Agitation für
den Anschluß des Südens in Athem zu erhalten, als die Ausbildung der
Bundeserecutive, welche noch immer der einzelnen Departements entbehrt,
welche für eine wohlgeordnete Verwaltung unentbehrlich sind. Soll auf diese
hingearbeitet werden und die Theilnahme der nationalen Partei dn der Ent¬
wickelung der neuen Verhältnisse nicht auf die gelegentliche Opposition gegen
einzelne Vorlagen des Kanzleramts beschränkt bleiben, so wird vor allem
Nothwendig sein, daß man sich des vollen Ernstes der Lage bewußt werde
und diese nicht übertünche. Begnüge man sich auf die Dauer mit dem wohl¬
wollenden Optimismus, der neuerdings wenigstens in der Presse bemerkbar
geworden ist, so schlägt man dem norddeutschen Bunde den ersten Nagel in den
Sarg. "^onjours en veZette" das muß der Wahlspruch des neuen deut¬
schen Staats werden, wie er die Losung des alten Preußen gewesen ist,
sobald dieses seine Pflicht that.

Von ersichtlichem Einfluß auf die Stimmung und Haltung der Nachbar¬
staaten ist das Zollparlament nur während der ersten Woche seiner Thätig-,
keit gewesen. Nachdem der Lärm über die Adreßdebatte verstummt war.
traten in allen diesen Staaten wieder die heimischen und inneren Angelegen¬
heiten derselben in den Vordergrund.

In Oestreich ist die Frage nach den Mitteln zur Deckung des Deficits
Ehrenb der Maiwochen ebenso aus der Tagesordnung geblieben, wie im
April. Im Budgetausschuß des Reichsraths hat die Brestl'sche Vorlage.
Welche die zu tragenden Lasten zwischen Staatsgläubigern und Staatsan¬
gehörigen theilen wollte, kein Gehör gesunden und die Majorität neigt sich
der Meinung zu, eine 25procentige Couponsteuer sei das beste Mittel zur
Reduction der östreichischen Staatsausgaben. Wenn sich auch die zu Paris


Grenzboten II. 1868. > 44

wenden nationalen des Südens ein Seil zugeworfen wird, an dem sie
festhalten können. Hie Mväus Kie salta! Seit die auf das Zollparlament
gesetzten Hoffnungen gescheitert sind, bleibt der nationalliberalen Partei nur
die Alternative, entweder das in ihr Programm geschlagene Leck sich erwei¬
tern zu lassen oder durch eine concentrirte Action zu Gunsten der Heran-
Ziehung Badens neuen Boden zu gewinnen. Sobald diese Partei auf directe
und praktische Ziele verzichtet und ihre Rechnung auf moralische Eroberun¬
gen im Allgemeinen stellt, läuft sie Gefahr, in das Niveau jener Fractionen
herabzusinken, welche von Resolutionen und Demonstrationen ihre Existenz
fristen und nicht sowohl politische Parteien als Anstalten zur Ausbildung
Populärer Redekunst sind.

Die directen und praktischen Ziele der nationalliberalen Partei werden
sich freilich nicht auf die Jsolirung Baierns und Würtembergs und die Heran¬
ziehung Badens beschränken dürfen. Wir wissen für die preußische Regierung
wie für die nationale Partei kein geeigneteres Mittel, um die Agitation für
den Anschluß des Südens in Athem zu erhalten, als die Ausbildung der
Bundeserecutive, welche noch immer der einzelnen Departements entbehrt,
welche für eine wohlgeordnete Verwaltung unentbehrlich sind. Soll auf diese
hingearbeitet werden und die Theilnahme der nationalen Partei dn der Ent¬
wickelung der neuen Verhältnisse nicht auf die gelegentliche Opposition gegen
einzelne Vorlagen des Kanzleramts beschränkt bleiben, so wird vor allem
Nothwendig sein, daß man sich des vollen Ernstes der Lage bewußt werde
und diese nicht übertünche. Begnüge man sich auf die Dauer mit dem wohl¬
wollenden Optimismus, der neuerdings wenigstens in der Presse bemerkbar
geworden ist, so schlägt man dem norddeutschen Bunde den ersten Nagel in den
Sarg. „^onjours en veZette" das muß der Wahlspruch des neuen deut¬
schen Staats werden, wie er die Losung des alten Preußen gewesen ist,
sobald dieses seine Pflicht that.

Von ersichtlichem Einfluß auf die Stimmung und Haltung der Nachbar¬
staaten ist das Zollparlament nur während der ersten Woche seiner Thätig-,
keit gewesen. Nachdem der Lärm über die Adreßdebatte verstummt war.
traten in allen diesen Staaten wieder die heimischen und inneren Angelegen¬
heiten derselben in den Vordergrund.

In Oestreich ist die Frage nach den Mitteln zur Deckung des Deficits
Ehrenb der Maiwochen ebenso aus der Tagesordnung geblieben, wie im
April. Im Budgetausschuß des Reichsraths hat die Brestl'sche Vorlage.
Welche die zu tragenden Lasten zwischen Staatsgläubigern und Staatsan¬
gehörigen theilen wollte, kein Gehör gesunden und die Majorität neigt sich
der Meinung zu, eine 25procentige Couponsteuer sei das beste Mittel zur
Reduction der östreichischen Staatsausgaben. Wenn sich auch die zu Paris


Grenzboten II. 1868. > 44
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[0349] wenden nationalen des Südens ein Seil zugeworfen wird, an dem sie festhalten können. Hie Mväus Kie salta! Seit die auf das Zollparlament gesetzten Hoffnungen gescheitert sind, bleibt der nationalliberalen Partei nur die Alternative, entweder das in ihr Programm geschlagene Leck sich erwei¬ tern zu lassen oder durch eine concentrirte Action zu Gunsten der Heran- Ziehung Badens neuen Boden zu gewinnen. Sobald diese Partei auf directe und praktische Ziele verzichtet und ihre Rechnung auf moralische Eroberun¬ gen im Allgemeinen stellt, läuft sie Gefahr, in das Niveau jener Fractionen herabzusinken, welche von Resolutionen und Demonstrationen ihre Existenz fristen und nicht sowohl politische Parteien als Anstalten zur Ausbildung Populärer Redekunst sind. Die directen und praktischen Ziele der nationalliberalen Partei werden sich freilich nicht auf die Jsolirung Baierns und Würtembergs und die Heran¬ ziehung Badens beschränken dürfen. Wir wissen für die preußische Regierung wie für die nationale Partei kein geeigneteres Mittel, um die Agitation für den Anschluß des Südens in Athem zu erhalten, als die Ausbildung der Bundeserecutive, welche noch immer der einzelnen Departements entbehrt, welche für eine wohlgeordnete Verwaltung unentbehrlich sind. Soll auf diese hingearbeitet werden und die Theilnahme der nationalen Partei dn der Ent¬ wickelung der neuen Verhältnisse nicht auf die gelegentliche Opposition gegen einzelne Vorlagen des Kanzleramts beschränkt bleiben, so wird vor allem Nothwendig sein, daß man sich des vollen Ernstes der Lage bewußt werde und diese nicht übertünche. Begnüge man sich auf die Dauer mit dem wohl¬ wollenden Optimismus, der neuerdings wenigstens in der Presse bemerkbar geworden ist, so schlägt man dem norddeutschen Bunde den ersten Nagel in den Sarg. „^onjours en veZette" das muß der Wahlspruch des neuen deut¬ schen Staats werden, wie er die Losung des alten Preußen gewesen ist, sobald dieses seine Pflicht that. Von ersichtlichem Einfluß auf die Stimmung und Haltung der Nachbar¬ staaten ist das Zollparlament nur während der ersten Woche seiner Thätig-, keit gewesen. Nachdem der Lärm über die Adreßdebatte verstummt war. traten in allen diesen Staaten wieder die heimischen und inneren Angelegen¬ heiten derselben in den Vordergrund. In Oestreich ist die Frage nach den Mitteln zur Deckung des Deficits Ehrenb der Maiwochen ebenso aus der Tagesordnung geblieben, wie im April. Im Budgetausschuß des Reichsraths hat die Brestl'sche Vorlage. Welche die zu tragenden Lasten zwischen Staatsgläubigern und Staatsan¬ gehörigen theilen wollte, kein Gehör gesunden und die Majorität neigt sich der Meinung zu, eine 25procentige Couponsteuer sei das beste Mittel zur Reduction der östreichischen Staatsausgaben. Wenn sich auch die zu Paris Grenzboten II. 1868. > 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/349>, abgerufen am 15.01.2025.