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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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und London ausgestoßenen Drohungen, solchen Falls die östreichischen Fonds
von den Börsenzetteln zu streichen, schwerlich bewahrheiten werden, so läßt sich
doch nicht leugnen, daß der östreichische Staatscredit und vor Allem der
Credit des neuen liberalen Ministeriums durch Adoption dieser Maßregel
zur Verkürzung der Staatsgläubiger einen empfindlichen Stoß erleiden würde.
Im Augenblick scheint dieses Ministerium an maßgebender Stelle allerdings
noch auf der Höhe seines Einflusses zu stehen, denn allen Vorhersagungen
ängstlicher Pessimisten zum Trotz ist die kaiserliche Bestätigung der Reichs¬
rathsbeschlüsse über das Ehe- und Schulgesetz in den letzten Tagen erfolgt. Mit
unverhohlener Freude weisen aber Radicale und Altconservative auf die That¬
sache hin, daß es der Liberalismus gewesen, der die schmutzige Arbeit der
Bankerotterklärung Oestreichs übernommen hat und nicht undeutlich wird zu
verstehen gegeben, daß man dem Mohren die Thüre weisen werde, wenn er
die Arbeit gethan, zu der sich sonst niemand bereit gefunden hatte. Die
neckenden Kriegsgerüchte, welche von Zeit zu Zeit aus der officiösen wiener
Presse in die Welt gesandt wurden, um den Lebensmuth der großdeutschen
Particularisten zu beleben, haben das ihrige dazu beigetragen, um die gute
Meinung derer zu verstimmen, welche noch vor wenigen Wochen im Voll¬
gefühl der Concordatsdebatte schwelgten, und seit die sächsischen, hannoverschen
und hessischen Patrioten die Ueberzeugung gewonnen haben, „daß Oestreich
trotz der Kriegsfanfaren seiner Journale nichts für die Rettung der Freiheit
Deutschlands thun werde", stimmen dieselben in den Chorus der Ankläger der
k. k. Staatsbankeroteure ein. In Böhmen haben die czechischen Panslavisten
inzwischen zu neuen Demonstrationen und Agitationen Kraft und Muth ge¬
wonnen. Am weißen Berge ist für die Wenzelskrone volle Parität mit der
-ungarischen Krone des heiligen Stephan feierlich in Anspruch genommen worden
und die Grundsteinlegung des neuen prager Nationaltheaters wurde unter der
Theilnahme von Deputirten aller slavischen Stämme feierlich begangen.
Namentlich in Rußland ist des Jubels über diese Begründung einer neuen
„Bildungsanstalt für das czechische Volk" kein Ende gewesen. Das moskauer
Slaveneomite' hat einen Preis für das beste Stück zur Eröffnung des neuen
Kunsttempels ausgesetzt, die Gesellschaft der russischen Literaturfreunde eine
Adresse, die Moskaner Zeitung einen Deputirten gesandt, der Petersburger
Gelehrte Lamansky als Sprecher des großrussischen Stammes fungirt. Und
damit dem Humor sein Recht nicht ganz verkürzt würde, waren auch die
sächsischen Wenden in diesem Familienfest der slavischen Völker durch die
von Moskau her bekannten Herren Schmaler (sprich: Smoljär) und Deutsch-
mann (sprich: Duemann) vertreten. Palazki und Ryger, die an dem Meeting
keinen Antheil genommen hatten, machten diese Versäumniß dadurch gut, das
sie sich bei Gelegenheit der Theatergrundsteinlegung in feurigen Reden über


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/350>, abgerufen am 24.01.2025.