Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nach Vollendung des Swinemünder Docks im Stande, dort ihre Ausbesserun¬
gen mit größter Sicherheit, Schnelligkeit und Bequemlichkeit zu besorgen.
Diesen neuen Koloß uns vorzuführen beginnt unser Dampfer die Schaufel¬
räder zu bewegen, die Menschenmassen, welche das Bollwerk bedecken, die
bunten Fahnen und Wimpel am Ufer bleiben zurück und in raschem Fluge
bald hier, bald dort einem Segelschiff ausweichend, das mit getoppten Raaen
im Schlepptau eines kleinen Dampfers stolz den Strom heraufgezogen kommt,
gleiten wir das "Revier" hinab. Rechts von uns dehnt sich immer noch
flach/ aber in saftigem Grün prangend, das Bruch mit seinem Wiesenwuchs
dahin, und die Rasendecke liegt auf dem weichen nassen Untergrunde so nied¬
rig, daß die Wellen aus dem Kielwasser unseres Dampfers emporbäumend
auf die Wiesenflächen dahinschlagen. Links wächst die Uferhöhe immer
stattlicher empor -- es ist gerade umgekehrt wie unterhalb Hamburg, wo die
Höhen rechts, die flachen Wiesen links liegen; hier, zu Füßen der Höhen
des Oderufers, zwischen Berg und Strom eingezwängt, liegt Grabow mit seiner
Navigationsschule und mit seinen Werften, die vor neun Jahren nicht we¬
niger als 7 Kanonenboote zugleich in Spanten trugen: wie bei Genua die
Werften in den Vorstädten Sestri und La Fore, und bet Toulon in La
Seyne liegen, um der eigentlichen Stadt nicht den Platz zu nehmen, so liegen
auch die Stettiner Werften in dem Vororte Grabow. Hier sehn wir die
Maschinen- und Eisenschiffbauanstalt "Vulcan", die sich neuerdings namentlich
viel mit Locomotiven beschäftigt, aber auch den eisernen Transportdampfer
"Rhein" für die norddeutsche Kriegsmarine geliefert hat, wie schon früher die
Maschine der gedeckten Corvette "Gazelle", die als erster Versuch dieser Art
ziemlich befriedigend ausgefallen ist. Unfern der Etablissements des "Vulcan"
aber winkt uns an der Höhe Frauendorf entgegen, während hart am Strom
sich einzelne Häuschen in dichtem, lauschigen Grün verbergen. Immer
breiter wird der Strom, immer schneller eilen wir dahin, da die Maschine
jetzt mit Vollkraft arbeitet: in der weiten grünen Fläche rechts erglänzt der
breite Spiegel des Damm'schen Sees, links blicken die hellen Häuser von
Pölitz herüber; Stegnitz und Aiegenort erscheinen, eine Baggermaschine fliegt
an uns vorbei, und in der Nähe einer großen rothen Baake ein hohes Ge¬
stell, ähnlich einem optischen Telegraphen, um das Fahrwasser anzuzeigen*),
weitet sich der Oderstrom zum Papenwasser aus, dem letzten Süßwasser, wo
der aussegelnde Schiffer seine Tonnen füllt. Bald beginnt nun das Salz¬
wasser des pommerschen Haffs, dieses 16 Quadratmeilen großen Beckens,
das gleichsam ein Reservoir bildet, welches sich durch die Oder füllt und
durch die drei, von den Inseln Usedom und Wollin getrennten Ausgänge



') Das Schiff brfilidet sich im lichtigen Fahrwasser, wenn zwei Basler sich für das Auge
decken, bis endlich Tonnen im Flusse die Stromrinne anzeigen.

nach Vollendung des Swinemünder Docks im Stande, dort ihre Ausbesserun¬
gen mit größter Sicherheit, Schnelligkeit und Bequemlichkeit zu besorgen.
Diesen neuen Koloß uns vorzuführen beginnt unser Dampfer die Schaufel¬
räder zu bewegen, die Menschenmassen, welche das Bollwerk bedecken, die
bunten Fahnen und Wimpel am Ufer bleiben zurück und in raschem Fluge
bald hier, bald dort einem Segelschiff ausweichend, das mit getoppten Raaen
im Schlepptau eines kleinen Dampfers stolz den Strom heraufgezogen kommt,
gleiten wir das „Revier" hinab. Rechts von uns dehnt sich immer noch
flach/ aber in saftigem Grün prangend, das Bruch mit seinem Wiesenwuchs
dahin, und die Rasendecke liegt auf dem weichen nassen Untergrunde so nied¬
rig, daß die Wellen aus dem Kielwasser unseres Dampfers emporbäumend
auf die Wiesenflächen dahinschlagen. Links wächst die Uferhöhe immer
stattlicher empor — es ist gerade umgekehrt wie unterhalb Hamburg, wo die
Höhen rechts, die flachen Wiesen links liegen; hier, zu Füßen der Höhen
des Oderufers, zwischen Berg und Strom eingezwängt, liegt Grabow mit seiner
Navigationsschule und mit seinen Werften, die vor neun Jahren nicht we¬
niger als 7 Kanonenboote zugleich in Spanten trugen: wie bei Genua die
Werften in den Vorstädten Sestri und La Fore, und bet Toulon in La
Seyne liegen, um der eigentlichen Stadt nicht den Platz zu nehmen, so liegen
auch die Stettiner Werften in dem Vororte Grabow. Hier sehn wir die
Maschinen- und Eisenschiffbauanstalt „Vulcan", die sich neuerdings namentlich
viel mit Locomotiven beschäftigt, aber auch den eisernen Transportdampfer
„Rhein" für die norddeutsche Kriegsmarine geliefert hat, wie schon früher die
Maschine der gedeckten Corvette „Gazelle", die als erster Versuch dieser Art
ziemlich befriedigend ausgefallen ist. Unfern der Etablissements des „Vulcan"
aber winkt uns an der Höhe Frauendorf entgegen, während hart am Strom
sich einzelne Häuschen in dichtem, lauschigen Grün verbergen. Immer
breiter wird der Strom, immer schneller eilen wir dahin, da die Maschine
jetzt mit Vollkraft arbeitet: in der weiten grünen Fläche rechts erglänzt der
breite Spiegel des Damm'schen Sees, links blicken die hellen Häuser von
Pölitz herüber; Stegnitz und Aiegenort erscheinen, eine Baggermaschine fliegt
an uns vorbei, und in der Nähe einer großen rothen Baake ein hohes Ge¬
stell, ähnlich einem optischen Telegraphen, um das Fahrwasser anzuzeigen*),
weitet sich der Oderstrom zum Papenwasser aus, dem letzten Süßwasser, wo
der aussegelnde Schiffer seine Tonnen füllt. Bald beginnt nun das Salz¬
wasser des pommerschen Haffs, dieses 16 Quadratmeilen großen Beckens,
das gleichsam ein Reservoir bildet, welches sich durch die Oder füllt und
durch die drei, von den Inseln Usedom und Wollin getrennten Ausgänge



') Das Schiff brfilidet sich im lichtigen Fahrwasser, wenn zwei Basler sich für das Auge
decken, bis endlich Tonnen im Flusse die Stromrinne anzeigen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117863"/>
            <p xml:id="ID_1067" prev="#ID_1066" next="#ID_1068"> nach Vollendung des Swinemünder Docks im Stande, dort ihre Ausbesserun¬<lb/>
gen mit größter Sicherheit, Schnelligkeit und Bequemlichkeit zu besorgen.<lb/>
Diesen neuen Koloß uns vorzuführen beginnt unser Dampfer die Schaufel¬<lb/>
räder zu bewegen, die Menschenmassen, welche das Bollwerk bedecken, die<lb/>
bunten Fahnen und Wimpel am Ufer bleiben zurück und in raschem Fluge<lb/>
bald hier, bald dort einem Segelschiff ausweichend, das mit getoppten Raaen<lb/>
im Schlepptau eines kleinen Dampfers stolz den Strom heraufgezogen kommt,<lb/>
gleiten wir das &#x201E;Revier" hinab. Rechts von uns dehnt sich immer noch<lb/>
flach/ aber in saftigem Grün prangend, das Bruch mit seinem Wiesenwuchs<lb/>
dahin, und die Rasendecke liegt auf dem weichen nassen Untergrunde so nied¬<lb/>
rig, daß die Wellen aus dem Kielwasser unseres Dampfers emporbäumend<lb/>
auf die Wiesenflächen dahinschlagen. Links wächst die Uferhöhe immer<lb/>
stattlicher empor &#x2014; es ist gerade umgekehrt wie unterhalb Hamburg, wo die<lb/>
Höhen rechts, die flachen Wiesen links liegen; hier, zu Füßen der Höhen<lb/>
des Oderufers, zwischen Berg und Strom eingezwängt, liegt Grabow mit seiner<lb/>
Navigationsschule und mit seinen Werften, die vor neun Jahren nicht we¬<lb/>
niger als 7 Kanonenboote zugleich in Spanten trugen: wie bei Genua die<lb/>
Werften in den Vorstädten Sestri und La Fore, und bet Toulon in La<lb/>
Seyne liegen, um der eigentlichen Stadt nicht den Platz zu nehmen, so liegen<lb/>
auch die Stettiner Werften in dem Vororte Grabow. Hier sehn wir die<lb/>
Maschinen- und Eisenschiffbauanstalt &#x201E;Vulcan", die sich neuerdings namentlich<lb/>
viel mit Locomotiven beschäftigt, aber auch den eisernen Transportdampfer<lb/>
&#x201E;Rhein" für die norddeutsche Kriegsmarine geliefert hat, wie schon früher die<lb/>
Maschine der gedeckten Corvette &#x201E;Gazelle", die als erster Versuch dieser Art<lb/>
ziemlich befriedigend ausgefallen ist. Unfern der Etablissements des &#x201E;Vulcan"<lb/>
aber winkt uns an der Höhe Frauendorf entgegen, während hart am Strom<lb/>
sich einzelne Häuschen in dichtem, lauschigen Grün verbergen. Immer<lb/>
breiter wird der Strom, immer schneller eilen wir dahin, da die Maschine<lb/>
jetzt mit Vollkraft arbeitet: in der weiten grünen Fläche rechts erglänzt der<lb/>
breite Spiegel des Damm'schen Sees, links blicken die hellen Häuser von<lb/>
Pölitz herüber; Stegnitz und Aiegenort erscheinen, eine Baggermaschine fliegt<lb/>
an uns vorbei, und in der Nähe einer großen rothen Baake ein hohes Ge¬<lb/>
stell, ähnlich einem optischen Telegraphen, um das Fahrwasser anzuzeigen*),<lb/>
weitet sich der Oderstrom zum Papenwasser aus, dem letzten Süßwasser, wo<lb/>
der aussegelnde Schiffer seine Tonnen füllt. Bald beginnt nun das Salz¬<lb/>
wasser des pommerschen Haffs, dieses 16 Quadratmeilen großen Beckens,<lb/>
das gleichsam ein Reservoir bildet, welches sich durch die Oder füllt und<lb/>
durch die drei, von den Inseln Usedom und Wollin getrennten Ausgänge</p><lb/>
            <note xml:id="FID_34" place="foot"> ') Das Schiff brfilidet sich im lichtigen Fahrwasser, wenn zwei Basler sich für das Auge<lb/>
decken, bis endlich Tonnen im Flusse die Stromrinne anzeigen.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0331] nach Vollendung des Swinemünder Docks im Stande, dort ihre Ausbesserun¬ gen mit größter Sicherheit, Schnelligkeit und Bequemlichkeit zu besorgen. Diesen neuen Koloß uns vorzuführen beginnt unser Dampfer die Schaufel¬ räder zu bewegen, die Menschenmassen, welche das Bollwerk bedecken, die bunten Fahnen und Wimpel am Ufer bleiben zurück und in raschem Fluge bald hier, bald dort einem Segelschiff ausweichend, das mit getoppten Raaen im Schlepptau eines kleinen Dampfers stolz den Strom heraufgezogen kommt, gleiten wir das „Revier" hinab. Rechts von uns dehnt sich immer noch flach/ aber in saftigem Grün prangend, das Bruch mit seinem Wiesenwuchs dahin, und die Rasendecke liegt auf dem weichen nassen Untergrunde so nied¬ rig, daß die Wellen aus dem Kielwasser unseres Dampfers emporbäumend auf die Wiesenflächen dahinschlagen. Links wächst die Uferhöhe immer stattlicher empor — es ist gerade umgekehrt wie unterhalb Hamburg, wo die Höhen rechts, die flachen Wiesen links liegen; hier, zu Füßen der Höhen des Oderufers, zwischen Berg und Strom eingezwängt, liegt Grabow mit seiner Navigationsschule und mit seinen Werften, die vor neun Jahren nicht we¬ niger als 7 Kanonenboote zugleich in Spanten trugen: wie bei Genua die Werften in den Vorstädten Sestri und La Fore, und bet Toulon in La Seyne liegen, um der eigentlichen Stadt nicht den Platz zu nehmen, so liegen auch die Stettiner Werften in dem Vororte Grabow. Hier sehn wir die Maschinen- und Eisenschiffbauanstalt „Vulcan", die sich neuerdings namentlich viel mit Locomotiven beschäftigt, aber auch den eisernen Transportdampfer „Rhein" für die norddeutsche Kriegsmarine geliefert hat, wie schon früher die Maschine der gedeckten Corvette „Gazelle", die als erster Versuch dieser Art ziemlich befriedigend ausgefallen ist. Unfern der Etablissements des „Vulcan" aber winkt uns an der Höhe Frauendorf entgegen, während hart am Strom sich einzelne Häuschen in dichtem, lauschigen Grün verbergen. Immer breiter wird der Strom, immer schneller eilen wir dahin, da die Maschine jetzt mit Vollkraft arbeitet: in der weiten grünen Fläche rechts erglänzt der breite Spiegel des Damm'schen Sees, links blicken die hellen Häuser von Pölitz herüber; Stegnitz und Aiegenort erscheinen, eine Baggermaschine fliegt an uns vorbei, und in der Nähe einer großen rothen Baake ein hohes Ge¬ stell, ähnlich einem optischen Telegraphen, um das Fahrwasser anzuzeigen*), weitet sich der Oderstrom zum Papenwasser aus, dem letzten Süßwasser, wo der aussegelnde Schiffer seine Tonnen füllt. Bald beginnt nun das Salz¬ wasser des pommerschen Haffs, dieses 16 Quadratmeilen großen Beckens, das gleichsam ein Reservoir bildet, welches sich durch die Oder füllt und durch die drei, von den Inseln Usedom und Wollin getrennten Ausgänge ') Das Schiff brfilidet sich im lichtigen Fahrwasser, wenn zwei Basler sich für das Auge decken, bis endlich Tonnen im Flusse die Stromrinne anzeigen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/331
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/331>, abgerufen am 15.01.2025.