Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.und vor allen Dingen als derjenige Punkt, aus dessen Nähe die drei Mün¬ Vom Deck unseres Dampfers aus bietet sich uns nun ein imposanter ") Unter Seestadt verstehn wir hier natürlich nicht eine Stadt, die an der See liegt,
sondern eine solche, die dem Seeverkehr zugänglich ist, sonst hätte Deutschland überhaupt keine großen Seestädte. und vor allen Dingen als derjenige Punkt, aus dessen Nähe die drei Mün¬ Vom Deck unseres Dampfers aus bietet sich uns nun ein imposanter ") Unter Seestadt verstehn wir hier natürlich nicht eine Stadt, die an der See liegt,
sondern eine solche, die dem Seeverkehr zugänglich ist, sonst hätte Deutschland überhaupt keine großen Seestädte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0330" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117862"/> <p xml:id="ID_1065" prev="#ID_1064"> und vor allen Dingen als derjenige Punkt, aus dessen Nähe die drei Mün¬<lb/> dungen der Oder ausgehen, für die Küstenbefestigung strategisch von hoher<lb/> Bedeutung. Namentlich für Swinemünde, von welchem es nur etwa acht<lb/> Meilen entfernt ist, bildet es als eine an Hilfsquellen aller Art reiche blü¬<lb/> hende Handels- und Seestadt*) und Festung ersten Ranges von fast 80.000<lb/> Einwohnern nebst seinen Befestigungen den werthvollsten Rückhalt und sichert<lb/> so die Verbindung des Handelshafens wie der Marinestation mit dem Hinter¬<lb/> kante. Gerade jetzt ist die Landesvertheidigungscommission in Berathung<lb/> darüber, ob die Festungswerke von Stettin ganz fallen und durch stärkere<lb/> Befestigung von Swinemünde, sowie durch kleinere Forts an den Mündun¬<lb/> gen der Peene und Dievenow ersetzt werden, oder ob Stettin als Festung<lb/> erhalten und dann erheblich erweitert werden soll, namentlich durch detachirte<lb/> Forts auf den Hügeln im Umkreise von den Vredower Höhen bis zum Co-<lb/> sackenberge, unter Einebnung der jetzigen Enceinte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1066" next="#ID_1067"> Vom Deck unseres Dampfers aus bietet sich uns nun ein imposanter<lb/> Anblick der alten Stadt. Am linken Ufer des Stromes erhebt sich dicht hin¬<lb/> ter den hohen Häusern am Bollwerk des Hafens die ansehnliche Höhe, deren<lb/> Südhälfte das neue Stettin mit seinen stolzen rothen, in prangenden Rohbau<lb/> ausgeführten Palästen im Rahmen neupreußischer Befestigungen krönt, wäh¬<lb/> rend auf der nördlichen Hälfte die verwitterten dunklen Steinmassen der<lb/> Altstadt mit dem massigen Schloß von grünen Rasenwällen Vaubanscher<lb/> Befestigung umschlossen emporragen, aus deren Mitte der ungeheure,<lb/> alles überschauende Körper der alten Jacobikirche zum Himmel empor¬<lb/> strebe. Rechts vom Strome aber liegt niedrig, flach und lang dahingedehnt,<lb/> ähnlich wie gegenüber Rouen die Vorstadt Se Sewere. die sogenannte Lasta-<lb/> die, der Brückenkopf von Stettin, der seinen Boden mühsam dem niedrigen,<lb/> feuchten Bruch abgewonnen hat, und ebenso sehen wir von hier aus die<lb/> Chaussee mit ihren Baumreihen und die Eisenbahn, welche nach dem einige<lb/> Stunden entfernten Städtchen Damm führen. Zwischen Stadt und Lastadie<lb/> aber, auf dem breiten Spiegel des von fünf Brücken überwölbten Stromes<lb/> liegen zahllose Segelschiffe, meist Schooner und Briggs und die russischen<lb/> Dampfer im bunten Gewirr ihrer Takelagen; in dem 18 Fuß tiefen Fahr¬<lb/> wasser der Oder können eben nur Schiffe von 16 Fuß Tiefgang bis zur<lb/> Stadt heraufkommen, die, wie Havre den Seehafen von Paris, so ihrerseits<lb/> den Seehafen von Berlin bildet, ebenfalls nördlich gelegen und etwa 20 Mei<<lb/> im entfernt. Alle diese Fahrzeuge, die bisher in der Oder nur mit Schwie¬<lb/> rigkeit umfassendere Reparaturen ihres Rumpfes vornehmen konnten, sind</p><lb/> <note xml:id="FID_33" place="foot"> ") Unter Seestadt verstehn wir hier natürlich nicht eine Stadt, die an der See liegt,<lb/> sondern eine solche, die dem Seeverkehr zugänglich ist, sonst hätte Deutschland überhaupt keine<lb/> großen Seestädte.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0330]
und vor allen Dingen als derjenige Punkt, aus dessen Nähe die drei Mün¬
dungen der Oder ausgehen, für die Küstenbefestigung strategisch von hoher
Bedeutung. Namentlich für Swinemünde, von welchem es nur etwa acht
Meilen entfernt ist, bildet es als eine an Hilfsquellen aller Art reiche blü¬
hende Handels- und Seestadt*) und Festung ersten Ranges von fast 80.000
Einwohnern nebst seinen Befestigungen den werthvollsten Rückhalt und sichert
so die Verbindung des Handelshafens wie der Marinestation mit dem Hinter¬
kante. Gerade jetzt ist die Landesvertheidigungscommission in Berathung
darüber, ob die Festungswerke von Stettin ganz fallen und durch stärkere
Befestigung von Swinemünde, sowie durch kleinere Forts an den Mündun¬
gen der Peene und Dievenow ersetzt werden, oder ob Stettin als Festung
erhalten und dann erheblich erweitert werden soll, namentlich durch detachirte
Forts auf den Hügeln im Umkreise von den Vredower Höhen bis zum Co-
sackenberge, unter Einebnung der jetzigen Enceinte.
Vom Deck unseres Dampfers aus bietet sich uns nun ein imposanter
Anblick der alten Stadt. Am linken Ufer des Stromes erhebt sich dicht hin¬
ter den hohen Häusern am Bollwerk des Hafens die ansehnliche Höhe, deren
Südhälfte das neue Stettin mit seinen stolzen rothen, in prangenden Rohbau
ausgeführten Palästen im Rahmen neupreußischer Befestigungen krönt, wäh¬
rend auf der nördlichen Hälfte die verwitterten dunklen Steinmassen der
Altstadt mit dem massigen Schloß von grünen Rasenwällen Vaubanscher
Befestigung umschlossen emporragen, aus deren Mitte der ungeheure,
alles überschauende Körper der alten Jacobikirche zum Himmel empor¬
strebe. Rechts vom Strome aber liegt niedrig, flach und lang dahingedehnt,
ähnlich wie gegenüber Rouen die Vorstadt Se Sewere. die sogenannte Lasta-
die, der Brückenkopf von Stettin, der seinen Boden mühsam dem niedrigen,
feuchten Bruch abgewonnen hat, und ebenso sehen wir von hier aus die
Chaussee mit ihren Baumreihen und die Eisenbahn, welche nach dem einige
Stunden entfernten Städtchen Damm führen. Zwischen Stadt und Lastadie
aber, auf dem breiten Spiegel des von fünf Brücken überwölbten Stromes
liegen zahllose Segelschiffe, meist Schooner und Briggs und die russischen
Dampfer im bunten Gewirr ihrer Takelagen; in dem 18 Fuß tiefen Fahr¬
wasser der Oder können eben nur Schiffe von 16 Fuß Tiefgang bis zur
Stadt heraufkommen, die, wie Havre den Seehafen von Paris, so ihrerseits
den Seehafen von Berlin bildet, ebenfalls nördlich gelegen und etwa 20 Mei<
im entfernt. Alle diese Fahrzeuge, die bisher in der Oder nur mit Schwie¬
rigkeit umfassendere Reparaturen ihres Rumpfes vornehmen konnten, sind
") Unter Seestadt verstehn wir hier natürlich nicht eine Stadt, die an der See liegt,
sondern eine solche, die dem Seeverkehr zugänglich ist, sonst hätte Deutschland überhaupt keine
großen Seestädte.
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