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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Gegner mit etwa 30 Stimmen Majorität siegte. Es war ein mühselig er¬
rungener Sieg, an dessen Möglichkeit man oft verzweifeln wollte. Höhnisch
und siegesgewiß hatten die vereinten Gegner dem Fortschrittseandidaten
schon vorher das Grablied gesungen-

Schmerzhafter noch als der Verlust von Mainz traf die Gegner der
Sieg des Abgeordneten Metz im Wahlbezirk Bingen-Alzey. Metz kann zur
Zeit von sich sagen, daß er einer der bestverläumdetsten Männer in Deutsch¬
land ist. Er ist den Regierungsanhängern verhaßter als irgend ein anderes
Glied der Fortschrittspartei. Schon weil Metz mit allen Details der hessi¬
schen Reaction genau bekannt ist, kam es den Gegnern darauf an, diesen
Mann um jeden Preis vom Zollparlament fern zu halten. Um dem Kampf
gegen Metz zunächst den Anschein eines politischen zu nehmen und ihn von
seiner eignen Partei zu isoliren, stellten ihm seine Gegner einen Gegencan-
didaten in der Person eines andern Fortschrittsmannes, des angesehenen
Abgeordneten George entgegen, von dem man namentlich rühmte, daß er die
Interessen des rheinhessischen Weinbaus im Zollparlament vertreten werde.
George hatte die Schwäche, diese Intrigue nicht von vornherein abzuschnei¬
den. Das Resultat ergab nichtsdestoweniger einen überwältigenden Sieg
des Abg. Metz, dem über 10,000 Stimmen zufielen, während George deren
L000 erhielt. In diesem Wahlbezirk, der ungefähr 90.000 Seelen umfaßte,
ist am stärksten abgestimmt worden.

In der Residenzluft zu Darmstadt hatte sich als das Ergebniß des
Jahres 1866 eine s. g. liberal-conservative Partei aufgethan, eine Partei,
aus jüngeren strebsamen Beamten zusammengesetzt, die sich die schwierige
Aufgabe gesetzt hat, zugleich das Ministerium Dalwigk zu unterstützen und
den Eintritt Südhessens in den Nordbund anzustreben. Das erstere zu
thun ist der praktische Theil ihrer Thätigkeit, nach der andern Seite bleibt
es bei der bloßen Idee und Phrase. Dieser liberal-conservativen Partei (der
Herr v. Dalwigk wegen der Dienste, die sie thut, ihre nationalen Velleitäten
zu gute hält) überließ die Regierung den Wahlkampf für die Provinz Star¬
kenburg. Das eigentliche Organ der Regierung, die Hessischen Volksblätter,
erklärten zwar auch die Candidaten der Liberal-Conservativen für verschämten
Fortschritt, gaben ihren Gläubigen aber doch den Wink, in Ermangelung
eines besseren für diese "Verschämten" und gegen die Fortschrittseandidaten
zu stimmen. Die Darmstädter Zeitung, ein Journal, das mit Zwangsabonne¬
ment arbeitet, wurde den Liberal-Conservativen zur Verfügung gestellt. Die
Geschichte der Wahlkämpfe, in welchen diese Partei ihre Kräfte versuchte, ist
im ganzen eine sehr einförmige. Die Partei verstärkte ihr vermittelndes politi¬
sches Programm durch den Zusatz: Fachmänner; die Bürgermeister, die in
Hessen-Darmstadt von der Regierung und zwar auf einige Jahre ernannt


Gegner mit etwa 30 Stimmen Majorität siegte. Es war ein mühselig er¬
rungener Sieg, an dessen Möglichkeit man oft verzweifeln wollte. Höhnisch
und siegesgewiß hatten die vereinten Gegner dem Fortschrittseandidaten
schon vorher das Grablied gesungen-

Schmerzhafter noch als der Verlust von Mainz traf die Gegner der
Sieg des Abgeordneten Metz im Wahlbezirk Bingen-Alzey. Metz kann zur
Zeit von sich sagen, daß er einer der bestverläumdetsten Männer in Deutsch¬
land ist. Er ist den Regierungsanhängern verhaßter als irgend ein anderes
Glied der Fortschrittspartei. Schon weil Metz mit allen Details der hessi¬
schen Reaction genau bekannt ist, kam es den Gegnern darauf an, diesen
Mann um jeden Preis vom Zollparlament fern zu halten. Um dem Kampf
gegen Metz zunächst den Anschein eines politischen zu nehmen und ihn von
seiner eignen Partei zu isoliren, stellten ihm seine Gegner einen Gegencan-
didaten in der Person eines andern Fortschrittsmannes, des angesehenen
Abgeordneten George entgegen, von dem man namentlich rühmte, daß er die
Interessen des rheinhessischen Weinbaus im Zollparlament vertreten werde.
George hatte die Schwäche, diese Intrigue nicht von vornherein abzuschnei¬
den. Das Resultat ergab nichtsdestoweniger einen überwältigenden Sieg
des Abg. Metz, dem über 10,000 Stimmen zufielen, während George deren
L000 erhielt. In diesem Wahlbezirk, der ungefähr 90.000 Seelen umfaßte,
ist am stärksten abgestimmt worden.

In der Residenzluft zu Darmstadt hatte sich als das Ergebniß des
Jahres 1866 eine s. g. liberal-conservative Partei aufgethan, eine Partei,
aus jüngeren strebsamen Beamten zusammengesetzt, die sich die schwierige
Aufgabe gesetzt hat, zugleich das Ministerium Dalwigk zu unterstützen und
den Eintritt Südhessens in den Nordbund anzustreben. Das erstere zu
thun ist der praktische Theil ihrer Thätigkeit, nach der andern Seite bleibt
es bei der bloßen Idee und Phrase. Dieser liberal-conservativen Partei (der
Herr v. Dalwigk wegen der Dienste, die sie thut, ihre nationalen Velleitäten
zu gute hält) überließ die Regierung den Wahlkampf für die Provinz Star¬
kenburg. Das eigentliche Organ der Regierung, die Hessischen Volksblätter,
erklärten zwar auch die Candidaten der Liberal-Conservativen für verschämten
Fortschritt, gaben ihren Gläubigen aber doch den Wink, in Ermangelung
eines besseren für diese „Verschämten" und gegen die Fortschrittseandidaten
zu stimmen. Die Darmstädter Zeitung, ein Journal, das mit Zwangsabonne¬
ment arbeitet, wurde den Liberal-Conservativen zur Verfügung gestellt. Die
Geschichte der Wahlkämpfe, in welchen diese Partei ihre Kräfte versuchte, ist
im ganzen eine sehr einförmige. Die Partei verstärkte ihr vermittelndes politi¬
sches Programm durch den Zusatz: Fachmänner; die Bürgermeister, die in
Hessen-Darmstadt von der Regierung und zwar auf einige Jahre ernannt


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[0032] Gegner mit etwa 30 Stimmen Majorität siegte. Es war ein mühselig er¬ rungener Sieg, an dessen Möglichkeit man oft verzweifeln wollte. Höhnisch und siegesgewiß hatten die vereinten Gegner dem Fortschrittseandidaten schon vorher das Grablied gesungen- Schmerzhafter noch als der Verlust von Mainz traf die Gegner der Sieg des Abgeordneten Metz im Wahlbezirk Bingen-Alzey. Metz kann zur Zeit von sich sagen, daß er einer der bestverläumdetsten Männer in Deutsch¬ land ist. Er ist den Regierungsanhängern verhaßter als irgend ein anderes Glied der Fortschrittspartei. Schon weil Metz mit allen Details der hessi¬ schen Reaction genau bekannt ist, kam es den Gegnern darauf an, diesen Mann um jeden Preis vom Zollparlament fern zu halten. Um dem Kampf gegen Metz zunächst den Anschein eines politischen zu nehmen und ihn von seiner eignen Partei zu isoliren, stellten ihm seine Gegner einen Gegencan- didaten in der Person eines andern Fortschrittsmannes, des angesehenen Abgeordneten George entgegen, von dem man namentlich rühmte, daß er die Interessen des rheinhessischen Weinbaus im Zollparlament vertreten werde. George hatte die Schwäche, diese Intrigue nicht von vornherein abzuschnei¬ den. Das Resultat ergab nichtsdestoweniger einen überwältigenden Sieg des Abg. Metz, dem über 10,000 Stimmen zufielen, während George deren L000 erhielt. In diesem Wahlbezirk, der ungefähr 90.000 Seelen umfaßte, ist am stärksten abgestimmt worden. In der Residenzluft zu Darmstadt hatte sich als das Ergebniß des Jahres 1866 eine s. g. liberal-conservative Partei aufgethan, eine Partei, aus jüngeren strebsamen Beamten zusammengesetzt, die sich die schwierige Aufgabe gesetzt hat, zugleich das Ministerium Dalwigk zu unterstützen und den Eintritt Südhessens in den Nordbund anzustreben. Das erstere zu thun ist der praktische Theil ihrer Thätigkeit, nach der andern Seite bleibt es bei der bloßen Idee und Phrase. Dieser liberal-conservativen Partei (der Herr v. Dalwigk wegen der Dienste, die sie thut, ihre nationalen Velleitäten zu gute hält) überließ die Regierung den Wahlkampf für die Provinz Star¬ kenburg. Das eigentliche Organ der Regierung, die Hessischen Volksblätter, erklärten zwar auch die Candidaten der Liberal-Conservativen für verschämten Fortschritt, gaben ihren Gläubigen aber doch den Wink, in Ermangelung eines besseren für diese „Verschämten" und gegen die Fortschrittseandidaten zu stimmen. Die Darmstädter Zeitung, ein Journal, das mit Zwangsabonne¬ ment arbeitet, wurde den Liberal-Conservativen zur Verfügung gestellt. Die Geschichte der Wahlkämpfe, in welchen diese Partei ihre Kräfte versuchte, ist im ganzen eine sehr einförmige. Die Partei verstärkte ihr vermittelndes politi¬ sches Programm durch den Zusatz: Fachmänner; die Bürgermeister, die in Hessen-Darmstadt von der Regierung und zwar auf einige Jahre ernannt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/32>, abgerufen am 15.01.2025.