Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.werden, wurden als Agenten enrollirt, Gensdarmen, Feld- und Flurschützen werden, wurden als Agenten enrollirt, Gensdarmen, Feld- und Flurschützen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0033" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117565"/> <p xml:id="ID_110" prev="#ID_109"> werden, wurden als Agenten enrollirt, Gensdarmen, Feld- und Flurschützen<lb/> mit Wahlzetteln in Bewegung gesetzt und drei auf diesen Apparat gestützte<lb/> conservativ-liberale Beamte aufgestellt: Obersteuerrath Fabrizius für Darm¬<lb/> stadt, der Secretär des Landesgewerbevereins Fink für den Odenwald, der<lb/> Secretär der landwirtschaftlichen Vereine Kremer für Offenbach-Dieburg.<lb/> Die Fortschrittspartei hatte für Darmstadt den Abgeordneten Karl Johann<lb/> Hoffmann vorgeschlagen, einen Mann von erprobter politischer Charakterfestig¬<lb/> keit und hervorragender finanzieller Tüchtigkeit. Derselbe unterlag gegen<lb/> den Candidaten der Bürgermeister mit einigen hundert Stimmen. Die s. g.<lb/> Demokratie stellte in der Person eines Herrn Stuttmann einen ganz aus¬<lb/> sichtslosen Candidaten auf, dem schließlich im ganzen etwa 300 Stimmen<lb/> zufielen, benutzte diese Kandidatur aber nur als Vorwand, um mit Unter¬<lb/> stützung der frankfurter Blätter und des bekannten L. Sonnemann von<lb/> Frankfurt einen Sturm von Angriffen und Beschimpfungen gegen die Fort¬<lb/> schrittspartei zu. entfesseln. Selbst die Hilfe der Herren Bebel und Liebknecht<lb/> wurde zum zweitenmal angerufen. Dieselben hielten vor der Blüthe der<lb/> darmstädter Reaction unter deren stürmischem Beifall Reden über die Nieder¬<lb/> tracht des Nordhundes und jener Nationalliberalen, die sich nach der Be¬<lb/> schreibung dieser Freiheitsapostel ausschließlich im Vorzimmer des Grafen<lb/> Bismarck aufhielten. Die osfieiöse Darmstädter Zeitung erklärte sodann,<lb/> Bebel und Liebknecht hätten die Nationalliberalen in unübertrefflicher Weise<lb/> charakterisirt! In Darmstadt selbst erhielt der demokratische Candidat 63<lb/> Stimmen. Für den Odenwald waren von verschiedenen Seiten zwei fort¬<lb/> schrittliche Candidaten in Vorschlag gebracht worden, Fabrikant Büchner und<lb/> Abgeordneter Advokat Dernburg, ersterer mehr die demokratische Seite, letzte¬<lb/> rer mehr die Nothwendigkeit des nationalen Standpunkts betonend. Die<lb/> Freude der Gegner über diesen angeblichen Zwiespalt im nationallibe¬<lb/> ralen Lager war aber eine kurze, denn im Landesausschuß verständigte man<lb/> sich schnell dahin, daß Dernburg zurücktrat und Büchner als der einzige<lb/> Candidat der Partei proclamirt wurde. Trotzdem daß der Regierungstroß,<lb/> die Standesherrn und die katholischen Geistlichen mit aller Macht für Fink<lb/> und gegen Büchner wirkten und daß die Wahlagitation durch die große<lb/> Zersplitterung der Einwohner in eine Masse kleiner Ortschaften unendlich<lb/> erschwert war, erhielt Büchner über 6000 Stimmen, der Gegencandidat deren<lb/> nur 700 mehr. Im Wahlbezirk Offenbach-Dieburg glaubte die reaetionär-<lb/> ultramontane Partei sich stark genug, um selbständig und isolirt vorgehen<lb/> zu können; sie schob den Candidaten der Liberal-Conservativen bei Seite<lb/> und stellten Franz Freiherrn von Wambolt-Anstedt einen eignen Candida¬<lb/> ten auf. Freiherr von Wambolt war längere Zeit in der hessischen Diplo¬<lb/> matie in Paris und zuletzt in Berlin beschäftigt gewesen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
werden, wurden als Agenten enrollirt, Gensdarmen, Feld- und Flurschützen
mit Wahlzetteln in Bewegung gesetzt und drei auf diesen Apparat gestützte
conservativ-liberale Beamte aufgestellt: Obersteuerrath Fabrizius für Darm¬
stadt, der Secretär des Landesgewerbevereins Fink für den Odenwald, der
Secretär der landwirtschaftlichen Vereine Kremer für Offenbach-Dieburg.
Die Fortschrittspartei hatte für Darmstadt den Abgeordneten Karl Johann
Hoffmann vorgeschlagen, einen Mann von erprobter politischer Charakterfestig¬
keit und hervorragender finanzieller Tüchtigkeit. Derselbe unterlag gegen
den Candidaten der Bürgermeister mit einigen hundert Stimmen. Die s. g.
Demokratie stellte in der Person eines Herrn Stuttmann einen ganz aus¬
sichtslosen Candidaten auf, dem schließlich im ganzen etwa 300 Stimmen
zufielen, benutzte diese Kandidatur aber nur als Vorwand, um mit Unter¬
stützung der frankfurter Blätter und des bekannten L. Sonnemann von
Frankfurt einen Sturm von Angriffen und Beschimpfungen gegen die Fort¬
schrittspartei zu. entfesseln. Selbst die Hilfe der Herren Bebel und Liebknecht
wurde zum zweitenmal angerufen. Dieselben hielten vor der Blüthe der
darmstädter Reaction unter deren stürmischem Beifall Reden über die Nieder¬
tracht des Nordhundes und jener Nationalliberalen, die sich nach der Be¬
schreibung dieser Freiheitsapostel ausschließlich im Vorzimmer des Grafen
Bismarck aufhielten. Die osfieiöse Darmstädter Zeitung erklärte sodann,
Bebel und Liebknecht hätten die Nationalliberalen in unübertrefflicher Weise
charakterisirt! In Darmstadt selbst erhielt der demokratische Candidat 63
Stimmen. Für den Odenwald waren von verschiedenen Seiten zwei fort¬
schrittliche Candidaten in Vorschlag gebracht worden, Fabrikant Büchner und
Abgeordneter Advokat Dernburg, ersterer mehr die demokratische Seite, letzte¬
rer mehr die Nothwendigkeit des nationalen Standpunkts betonend. Die
Freude der Gegner über diesen angeblichen Zwiespalt im nationallibe¬
ralen Lager war aber eine kurze, denn im Landesausschuß verständigte man
sich schnell dahin, daß Dernburg zurücktrat und Büchner als der einzige
Candidat der Partei proclamirt wurde. Trotzdem daß der Regierungstroß,
die Standesherrn und die katholischen Geistlichen mit aller Macht für Fink
und gegen Büchner wirkten und daß die Wahlagitation durch die große
Zersplitterung der Einwohner in eine Masse kleiner Ortschaften unendlich
erschwert war, erhielt Büchner über 6000 Stimmen, der Gegencandidat deren
nur 700 mehr. Im Wahlbezirk Offenbach-Dieburg glaubte die reaetionär-
ultramontane Partei sich stark genug, um selbständig und isolirt vorgehen
zu können; sie schob den Candidaten der Liberal-Conservativen bei Seite
und stellten Franz Freiherrn von Wambolt-Anstedt einen eignen Candida¬
ten auf. Freiherr von Wambolt war längere Zeit in der hessischen Diplo¬
matie in Paris und zuletzt in Berlin beschäftigt gewesen.
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