Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.griffe, namentlich seinem energischen Protest gegen Duldung der Jesuiten in Einen erregterem Tag als den 19. März 1868 hat Mainz lange nicht 4 "
griffe, namentlich seinem energischen Protest gegen Duldung der Jesuiten in Einen erregterem Tag als den 19. März 1868 hat Mainz lange nicht 4 »
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117563"/> <p xml:id="ID_105" prev="#ID_104"> griffe, namentlich seinem energischen Protest gegen Duldung der Jesuiten in<lb/> Mainz zu danken. Allein der Haß der Ultramontanen gegen Preußen über¬<lb/> wog den Widerwillen gegen den Gegner der Hierarchie, der überdies, aus<lb/> einer gutkatholischen Familie stammend, nie unter die definitiv Verlorenen<lb/> gezählt worden war. So erlebte Mainz das seltsame Schauspiel, die Führer<lb/> der klerikalen Partei in einem öffentlichen Aufruf den bisher verketzerten<lb/> Gegner als den würdigsten Candidaten zum Zollparlament empfehlen zu sehen.<lb/> Diese Partei, die vor der Ernennung des Herrn von Kettler zum Mainzer<lb/> Bischof gar nicht existirt hatte, ist heute vortrefflich organisirt und verfügt<lb/> über eine große Stimmenzahl. Um ihrerseits nicht hinter den neuen Bundes¬<lb/> genossen zurückzubleiben, ließen die Demokraten die Herren Bebel und Lieb¬<lb/> knecht aus Leipzig kommen. Im s. g. Akademiesaal des alten kurfürstlichen<lb/> Schlosses ergingen diese Männer sich abwechselnd in Schmähungen gegen die<lb/> nationale Partei und in patriotischen Wünschen für ein zweites „Jena."<lb/> Der Erfolg dieser Bemühungen stand aber in directem Gegensatz zum Zweck<lb/> derselben. Einer gebildeten Bevölkerung, zumal einer, bei der der Humor so<lb/> reich entwickelt ist, wie bei der Einwohnerschaft von Mainz, konnte die un¬<lb/> freiwillige Komik, welche das Auftreten der beiden Reichstagsdioskuren charak¬<lb/> terisiere, nicht entgehen. Sie wurden ausgelacht und damit war ihr Loos<lb/> und das ihrer Mandanten entschieden. Alles, was mit der Regierung hielt,<lb/> wühlte für den Candidaten der Demokratie ebenso eifrig, wie das Heer der<lb/> Clericalen. Das Kreisamt Mainz hat zwar öffentlich erklärt, nur Verleum¬<lb/> dung habe ihm Schuld gegeben, amtliche Stimmzettel für Dumont versandt<lb/> zu haben; daß diese Zettel von niederen Regierungsbediensteten eifrig ver¬<lb/> theilt wurden, ist und bleibt aber Thatsache. Während sich die Parteien in<lb/> der Stadt Mainz gerüstet gegenüberstanden, war die Stimmung im Mainzer<lb/> Landbezirk noch immer eine schwankende. Aber auch hier war Bambergers<lb/> persönliches Erscheinen maßgebend. Mehrfach traten beide Candidaten in<lb/> ländlichen Volksversammlungen vor die Wähler; aber überall blieb der Vor¬<lb/> theil auf Seiten Bambergers. Die Landbevölkerung gab auch schließlich den<lb/> Ausschlag für seine Wahl.</p><lb/> <p xml:id="ID_106" next="#ID_107"> Einen erregterem Tag als den 19. März 1868 hat Mainz lange nicht<lb/> gesehen. Neben Dumont und Bamberger war noch ein Candidat der Las-<lb/> salleaner aufgestellt worden. Vom Bischof bis zum geringsten Tagelöhner<lb/> herab hatte jedermann Partei ergriffen und am Abende dieses Tages waren<lb/> die Leidenschaften so erhitzt, daß Schlägereien nur mit Mühe vermieden wer¬<lb/> den konnten und der Candidat der Fortschrittspartei vor einem schreienden<lb/> Pöbelhausen in seine Wohnung flüchten mußte. Das Ergebniß war, daß<lb/> bei mehr wie 12,000 abgegebenen Stimmen Bamberger eine Minorität von<lb/> 608 Stimmen in der Stadt Mainz hatte, im ganzen Bezirk aber über seine beiden</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 4 »</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
griffe, namentlich seinem energischen Protest gegen Duldung der Jesuiten in
Mainz zu danken. Allein der Haß der Ultramontanen gegen Preußen über¬
wog den Widerwillen gegen den Gegner der Hierarchie, der überdies, aus
einer gutkatholischen Familie stammend, nie unter die definitiv Verlorenen
gezählt worden war. So erlebte Mainz das seltsame Schauspiel, die Führer
der klerikalen Partei in einem öffentlichen Aufruf den bisher verketzerten
Gegner als den würdigsten Candidaten zum Zollparlament empfehlen zu sehen.
Diese Partei, die vor der Ernennung des Herrn von Kettler zum Mainzer
Bischof gar nicht existirt hatte, ist heute vortrefflich organisirt und verfügt
über eine große Stimmenzahl. Um ihrerseits nicht hinter den neuen Bundes¬
genossen zurückzubleiben, ließen die Demokraten die Herren Bebel und Lieb¬
knecht aus Leipzig kommen. Im s. g. Akademiesaal des alten kurfürstlichen
Schlosses ergingen diese Männer sich abwechselnd in Schmähungen gegen die
nationale Partei und in patriotischen Wünschen für ein zweites „Jena."
Der Erfolg dieser Bemühungen stand aber in directem Gegensatz zum Zweck
derselben. Einer gebildeten Bevölkerung, zumal einer, bei der der Humor so
reich entwickelt ist, wie bei der Einwohnerschaft von Mainz, konnte die un¬
freiwillige Komik, welche das Auftreten der beiden Reichstagsdioskuren charak¬
terisiere, nicht entgehen. Sie wurden ausgelacht und damit war ihr Loos
und das ihrer Mandanten entschieden. Alles, was mit der Regierung hielt,
wühlte für den Candidaten der Demokratie ebenso eifrig, wie das Heer der
Clericalen. Das Kreisamt Mainz hat zwar öffentlich erklärt, nur Verleum¬
dung habe ihm Schuld gegeben, amtliche Stimmzettel für Dumont versandt
zu haben; daß diese Zettel von niederen Regierungsbediensteten eifrig ver¬
theilt wurden, ist und bleibt aber Thatsache. Während sich die Parteien in
der Stadt Mainz gerüstet gegenüberstanden, war die Stimmung im Mainzer
Landbezirk noch immer eine schwankende. Aber auch hier war Bambergers
persönliches Erscheinen maßgebend. Mehrfach traten beide Candidaten in
ländlichen Volksversammlungen vor die Wähler; aber überall blieb der Vor¬
theil auf Seiten Bambergers. Die Landbevölkerung gab auch schließlich den
Ausschlag für seine Wahl.
Einen erregterem Tag als den 19. März 1868 hat Mainz lange nicht
gesehen. Neben Dumont und Bamberger war noch ein Candidat der Las-
salleaner aufgestellt worden. Vom Bischof bis zum geringsten Tagelöhner
herab hatte jedermann Partei ergriffen und am Abende dieses Tages waren
die Leidenschaften so erhitzt, daß Schlägereien nur mit Mühe vermieden wer¬
den konnten und der Candidat der Fortschrittspartei vor einem schreienden
Pöbelhausen in seine Wohnung flüchten mußte. Das Ergebniß war, daß
bei mehr wie 12,000 abgegebenen Stimmen Bamberger eine Minorität von
608 Stimmen in der Stadt Mainz hatte, im ganzen Bezirk aber über seine beiden
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