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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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er Schüler seines Vaters gewesen sei, an der ersten Ziffer einem Frage¬
zeichen. Diesmal fällt uns der Wechsel der Behauptung mit dem Zweifel auf.
Veränderung erfreut immer, aber wir müssen das Bild doch betrachten, zu
welchem jene Notizen gehören. Es ist Ur. 12, zwei Brustbilder, "das eigene
Bildniß des Künstlers von blasser, und das seines Bruders, des Giovanni
Bellini. von wärmerer Farbe." Da wären wir denn wieder beim Auto¬
ritätsstil angelangt, aber wir bedauern, daß uns die Frage nicht erspart
wird, auf welche Bürgschaft hin diesen Gemälden Aehnlichkeit mit den Malern
und woher dem Gentile die Autorschaft zugeschrieben wird? Wir kennen ein
Dutzend sogenannter Portraits des Gentile und Giovanni -- (eins ver¬
meintlich von letzterem, das Cima gemalt haben soll, in unserer Gallerie selbst--)
und jedes ist dem andern unähnlich. Im Louvre befinden sich ein Paar auf
Leinwand gemalte Portraits, die den obigen zwar in Costüm, Anordnung und
Maßverhältnissen völlig gleichen, aber die Gesichter sind ganz verschieden;
auch sie gelten nicht nur für Bildnisse jener Künstler, sondern werden gleich¬
falls, obwohl sie von anderer Hand sind, demselben Gentile zugeschrieben.
Wie nun ein Kriterium für die Entscheidung gewinnen, wo so viele einander
widersprechende Zeugnisse vorliegen? Wir meinen, die einzigen echten Portraits
des Gentile und des Giovanni bieten die Medaillen von Camelio, und ein
Vergleich derselben mit dem genannten Bilde in Berlin nimmt der Angabe
des Katalogs allen Werth. Im Stil haben diese. Köpfe, beiläufig bemerkt,
nichts mit Gentile Bellini gemein; die Art der Ausführung erinnert eher an
Giovanni.

Wir suchen weiter unter Gentile's Werken und treffen in Ur. 1180 auf
eine Madonna mit dem Kinde und dem Donatorenpaar. Hier haben wir
des Meisters Signatur, ein echtes Bild; und der Katalog -- es klingt un¬
glaublich -- bemüht sich, bei dieser Gelegenheit uns von neuem das Ge-
burth- und Todesjahr des Meisters einzuschärfen; viesmal aber soll er 1421
geboren und 1501 gestorben sein.

Da^as eine wie das andere jedem Menschen nur einmal geschieht, so
müssen wir fragen, welche Zahlen sind richtig -- 1421 oder 25, 1501 oder
7? Der Sachverhalt stellt sich folgendermaßen zurecht: das -Todesjahr ist an
der frühern Stelle richtig angegeben (1507); über das Geburtsjahr aber sind
wir im Ungewissen. Vasari sagt, Gentile sei 1601 ziemlich 80 Jahr alt
gestorben; ist letzteres richtig, dann wäre er 1428 geboren. -- Auch mit seinen
Angaben über Giovanni Bellini ist der Katalog nicht glücklich. Nehmen wir
das erste Bild, das unter seinem Namen geht. Ur. 3, (nebenher bemerkt,
ein schwaches Schulbild auf Holz), ein segnender Christus: dazu bemerkt
die Note, der Künstler sei 1426 geboren. Nun haben wir aber, trotz Vasari,
guten Grund, anzunehmen, daß Giovanni der jüngere von beiden Brüdern


er Schüler seines Vaters gewesen sei, an der ersten Ziffer einem Frage¬
zeichen. Diesmal fällt uns der Wechsel der Behauptung mit dem Zweifel auf.
Veränderung erfreut immer, aber wir müssen das Bild doch betrachten, zu
welchem jene Notizen gehören. Es ist Ur. 12, zwei Brustbilder, „das eigene
Bildniß des Künstlers von blasser, und das seines Bruders, des Giovanni
Bellini. von wärmerer Farbe." Da wären wir denn wieder beim Auto¬
ritätsstil angelangt, aber wir bedauern, daß uns die Frage nicht erspart
wird, auf welche Bürgschaft hin diesen Gemälden Aehnlichkeit mit den Malern
und woher dem Gentile die Autorschaft zugeschrieben wird? Wir kennen ein
Dutzend sogenannter Portraits des Gentile und Giovanni — (eins ver¬
meintlich von letzterem, das Cima gemalt haben soll, in unserer Gallerie selbst—)
und jedes ist dem andern unähnlich. Im Louvre befinden sich ein Paar auf
Leinwand gemalte Portraits, die den obigen zwar in Costüm, Anordnung und
Maßverhältnissen völlig gleichen, aber die Gesichter sind ganz verschieden;
auch sie gelten nicht nur für Bildnisse jener Künstler, sondern werden gleich¬
falls, obwohl sie von anderer Hand sind, demselben Gentile zugeschrieben.
Wie nun ein Kriterium für die Entscheidung gewinnen, wo so viele einander
widersprechende Zeugnisse vorliegen? Wir meinen, die einzigen echten Portraits
des Gentile und des Giovanni bieten die Medaillen von Camelio, und ein
Vergleich derselben mit dem genannten Bilde in Berlin nimmt der Angabe
des Katalogs allen Werth. Im Stil haben diese. Köpfe, beiläufig bemerkt,
nichts mit Gentile Bellini gemein; die Art der Ausführung erinnert eher an
Giovanni.

Wir suchen weiter unter Gentile's Werken und treffen in Ur. 1180 auf
eine Madonna mit dem Kinde und dem Donatorenpaar. Hier haben wir
des Meisters Signatur, ein echtes Bild; und der Katalog — es klingt un¬
glaublich — bemüht sich, bei dieser Gelegenheit uns von neuem das Ge-
burth- und Todesjahr des Meisters einzuschärfen; viesmal aber soll er 1421
geboren und 1501 gestorben sein.

Da^as eine wie das andere jedem Menschen nur einmal geschieht, so
müssen wir fragen, welche Zahlen sind richtig — 1421 oder 25, 1501 oder
7? Der Sachverhalt stellt sich folgendermaßen zurecht: das -Todesjahr ist an
der frühern Stelle richtig angegeben (1507); über das Geburtsjahr aber sind
wir im Ungewissen. Vasari sagt, Gentile sei 1601 ziemlich 80 Jahr alt
gestorben; ist letzteres richtig, dann wäre er 1428 geboren. — Auch mit seinen
Angaben über Giovanni Bellini ist der Katalog nicht glücklich. Nehmen wir
das erste Bild, das unter seinem Namen geht. Ur. 3, (nebenher bemerkt,
ein schwaches Schulbild auf Holz), ein segnender Christus: dazu bemerkt
die Note, der Künstler sei 1426 geboren. Nun haben wir aber, trotz Vasari,
guten Grund, anzunehmen, daß Giovanni der jüngere von beiden Brüdern


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[0292] er Schüler seines Vaters gewesen sei, an der ersten Ziffer einem Frage¬ zeichen. Diesmal fällt uns der Wechsel der Behauptung mit dem Zweifel auf. Veränderung erfreut immer, aber wir müssen das Bild doch betrachten, zu welchem jene Notizen gehören. Es ist Ur. 12, zwei Brustbilder, „das eigene Bildniß des Künstlers von blasser, und das seines Bruders, des Giovanni Bellini. von wärmerer Farbe." Da wären wir denn wieder beim Auto¬ ritätsstil angelangt, aber wir bedauern, daß uns die Frage nicht erspart wird, auf welche Bürgschaft hin diesen Gemälden Aehnlichkeit mit den Malern und woher dem Gentile die Autorschaft zugeschrieben wird? Wir kennen ein Dutzend sogenannter Portraits des Gentile und Giovanni — (eins ver¬ meintlich von letzterem, das Cima gemalt haben soll, in unserer Gallerie selbst—) und jedes ist dem andern unähnlich. Im Louvre befinden sich ein Paar auf Leinwand gemalte Portraits, die den obigen zwar in Costüm, Anordnung und Maßverhältnissen völlig gleichen, aber die Gesichter sind ganz verschieden; auch sie gelten nicht nur für Bildnisse jener Künstler, sondern werden gleich¬ falls, obwohl sie von anderer Hand sind, demselben Gentile zugeschrieben. Wie nun ein Kriterium für die Entscheidung gewinnen, wo so viele einander widersprechende Zeugnisse vorliegen? Wir meinen, die einzigen echten Portraits des Gentile und des Giovanni bieten die Medaillen von Camelio, und ein Vergleich derselben mit dem genannten Bilde in Berlin nimmt der Angabe des Katalogs allen Werth. Im Stil haben diese. Köpfe, beiläufig bemerkt, nichts mit Gentile Bellini gemein; die Art der Ausführung erinnert eher an Giovanni. Wir suchen weiter unter Gentile's Werken und treffen in Ur. 1180 auf eine Madonna mit dem Kinde und dem Donatorenpaar. Hier haben wir des Meisters Signatur, ein echtes Bild; und der Katalog — es klingt un¬ glaublich — bemüht sich, bei dieser Gelegenheit uns von neuem das Ge- burth- und Todesjahr des Meisters einzuschärfen; viesmal aber soll er 1421 geboren und 1501 gestorben sein. Da^as eine wie das andere jedem Menschen nur einmal geschieht, so müssen wir fragen, welche Zahlen sind richtig — 1421 oder 25, 1501 oder 7? Der Sachverhalt stellt sich folgendermaßen zurecht: das -Todesjahr ist an der frühern Stelle richtig angegeben (1507); über das Geburtsjahr aber sind wir im Ungewissen. Vasari sagt, Gentile sei 1601 ziemlich 80 Jahr alt gestorben; ist letzteres richtig, dann wäre er 1428 geboren. — Auch mit seinen Angaben über Giovanni Bellini ist der Katalog nicht glücklich. Nehmen wir das erste Bild, das unter seinem Namen geht. Ur. 3, (nebenher bemerkt, ein schwaches Schulbild auf Holz), ein segnender Christus: dazu bemerkt die Note, der Künstler sei 1426 geboren. Nun haben wir aber, trotz Vasari, guten Grund, anzunehmen, daß Giovanni der jüngere von beiden Brüdern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/292>, abgerufen am 15.01.2025.